Lübeck muss AKW-Bauschutt aufnehmen: Bürgerinitiative startet Aktion

Sie wollen nicht tatenlos zusehen: Die Bürgerinitiative „Lübeck ohne Atomschutt“ möchte verhindern, dass Bauschutt aus dem Atomkraftwerk (AKW) Brunsbüttel in Lübeck gelagert wird. Im Januar hatte das Land Schleswig-Holstein beschlossen, dass die Deponie Niemark sogenannten freigemessenen AKW-Bauschutt aufnehmen und lagern soll. Ganze 12 500 Tonnen Bauschutt soll die Hansestadt bis 2022 aufnehmen. Bei Bürgern und Politikern regte sich bereits vor der Zuweisung Widerstand gegen die Lagerung. Jetzt startet die Bürgerinitiative „Lübeck ohne Atomschutt“ ihre Aktion „Kleben gegen Atomschutt“. Aktion: „Kleben gegen Atomschutt“: Mit Aufklebern möchte die Lübecker Initiative erreichen, dass mehr Lübecker als bisher „die Zwangszuweisung und alles, was damit verbunden ist, kritisch hinterfragen und nicht einfach die Behauptungen der Politik hinnehmen, dass die Materialien gänzlich unbelastet sind“, heißt es in einer Pressemitteilung. Umweltminister Jan-Philipp Albrecht (Grüne) hatte in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es sich nicht um radioaktives Material handelt. Die Reststrahlung soll maximal zehn Mikrosievert betragen und damit deutlich unterhalb der Dosen durch natürliche radioaktive Strahlung pro Jahr liegen. In Deutschland liegt sie beispielsweise durchschnittlich bei 2100 Mikrosievert pro Jahr. Nach Angaben des Umweltministers sei eine Gesundheitsgefährdung von Menschen mit der Deponierung ausgeschlossen. Atomschutt gefährlich für Kinder? Das sieht die Bürgerinitiative anders: „Die Belastung eines Kernkraftwerks im Normalbetrieb wird mit einem Wert unter zehn Mikrosievert angegeben“, erklärt Mitbegründerin Marieke Lehnen. Eine Kikk-Studie (Kinderkrebs in der Umgebung von Kernkraftwerken) aus dem Jahr 2007 belege eine deutliche erhöhte Kinderkrebsrate in einem Umkreis von 20 Kilometern von Kernkraftanlagen. „Denn was die Politik gerne unterschlägt, ist die Information, dass das Zehn-Mikrosievert-Konzept ein Rechenmodell ist, das als Referenzobjekt einen gesunden Mann um die 30 Jahre und 75 Kilogramm heranzieht. Die Belastung für beispielsweise Kinder oder gar ungeborenes Leben wurden nicht berücksichtigt“, sagt Marieke Lehnen. Zwangszuweisung nicht stillschweigend hinnehmen: Einige hundert Aufkleber hängen bisher in der Hansestadt, um die Lübecker auf Kritikpunkte wie diesen aufmerksam zu machen. „Neben dieser Aufkleberkampagne stehen noch Aktionen in den Sozialen Netzwerken und einige weitere Aktionen in Lübeck in den Startlöchern“, erklärt Marieke Lehnen. „Wir wollen ganz klar zeigen, dass Lübeck eine Zwangszuweisung von Bauschutt nicht stillschweigend hinnimmt!“ Die Initiative hatte sich im September vergangenen Jahres gegründet und bestand zu Beginn aus etwa zehn Familien aus der Umgebung der Deponie. „Mittlerweile und insbesondere nach der Bekanntgabe der Zuweisung ist unsere Initiative gewachsen“, berichtet Marieke Lehnen. Sie gibt an, dass die Initiative in engem Austausch mit der Stadt steht. „Wir erwarten konkret, dass jetzt alles, was juristisch möglich ist, um gegen den Zuweisungsbescheid anzugehen, unternommen wird.“ Stadt beauftragt Fachanwaltskanzlei: Hansjörg Wittern, stellvertretender Pressesprecher der Hansestadt, sagt: „Die Hansestadt Lübeck wird juristische Mittel einlegen.“ Eine Prüfung der rechtlichen Mittel fände derzeit bereits statt. „Die Hansestadt Lübeck hat eine Fachanwaltskanzlei damit beauftragt, den Auftrag der Bürgerschaft vom 29. November 2019 umzusetzen.“ Damals hatte die Große Koalition beschlossen, dass kein Bauschutt aus Atomkraftwerken auf der Deponie Niemark gelagert werden soll. Lesen Sie auch Lübeck: 50.000 kostenlose FFP2-Masken für Bedürftige Wie die Lübecker Seiltänzerin Ea Paravicini in der Corona-Krise das Gleichgewicht hält Lübeck: LN-Campus-Blog über Moral und Mitgefühl Wissenschaftler der Uni Lübeck entwickeln Frischeampel für Lebensmittel Wann die ersten Ladungen des AKW-Bauschutts nach Niemark kommen sollen, könne momentan noch nicht eingeschätzt werden. Eines sei aber sicher: „Vor Mitte April wird es aufgrund des laufenden Verwaltungsverfahrens keine Zuweisung geben.“ Von Nina Lennartz