Lübeck rechnet mit Zuweisung von Bauschutt aus Kernkraftwerken

Bis zum Jahresende wird ein Zuweisungsbescheid des Kieler Umweltministeriums in Lübeck eingehen. Tenor: Die Deponie Niemark der Entsorgungsbetriebe Lübeck (EBL) müssen 250 Tonnen Bauschutt aus dem Kernkraftwerk Brunsbüttel aufnehmen, das abgerissen wird. Das haben Umweltsenator Ludger Hinsen (CDU) und EBL-Chef Jan-Dirk Verwey jetzt den Politikern mitgeteilt. „Wir gehen aus, dass der Zuweisungsbescheid in jedem Fall in diesem Jahr erfolgt“, sagt Hinsen. Die Stadt habe entsprechende Signale aus dem Kieler Umweltministerium empfangen. Hinweise darauf, dass es die Lübecker Deponie trifft, gibt es seit Längerem. Erst hat das Land nach geeigneten Deponien gesucht – und unter den vier möglichen Lagerstätten war eben auch Niemark. Dann hat die Abfallwirtschaft Dithmarschen im Juni konkret angefragt, ob der Bauschutt in Lübeck gelagert werden könne. Im September kochte dann die öffentliche Debatte hoch, als Medien berichteten, der Kieler Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) habe sich auf Niemark festgelegt. Die Lübecker Bürgerschaft hat sich mehrheitlich gegen die Aufnahme der 250 Tonnen Bauschutt ausgesprochen. Juristisch ist die Sache klar: Das Land kann nach dem Kreislaufwirtschaftsgesetz die Ablagerung auf Niemark anordnen. Sollte es dazu kommen, werde die Stadt zunächst prüfen, ob sie Rechtsmittel gegen die Entscheidung einlegen könne, sagt Umweltsenator Hinsen: „Wenn wir aufnehmen müssen, dann fordern wir zusätzliche Messungen des Bauschutts vor Ort ein.“ CDU denkt über Bürgerbefragung nach: In einem Brief vom 18. November fordert Burkhart Eymer (CDU), Vorsitzender des Werkausschusses der Entsorgungsbetriebe, den Bürgermeister auf, dass die Verwaltung alles in ihrer Macht Stehende tun solle, um die Zuweisung der„angeblich unschädlichen Abfälle“ zu verhindern. Die CDU denke über eine Bürgerbefragung nach, erklärt Burkhart Eymer auf LN-Anfrage. Immer wieder würden sich Bürger an die CDU-Fraktion wenden, um ihre Ablehnung kundzutun. Umweltsenator und EBL-Chef hätten den Politikern die Gründung eines Deponiebeirates angekündigt. Das lehnt die CDU strikt ab. Eymer: „Das wäre eine Kapitulation vor dem Land.“ Der Beirat diene dazu, die kritische Öffentlichkeit einzulullen. 60 000 Tonnen Abfall landen jedes Jahr auf der Deponie: Der ganze Streit dreht sich um 200 Tonnen Dämmmaterial und 50 Tonnen asbesthaltige Baustoffe. Durch eine sogenannte Freimessung will Vattenfall, der Betreiber des Kernkraftwerks Brunsbüttel, sicherstellen, dass die Strahlung des Bauschutts unter dem Wert von zehn Mikrosievert liegt. Das sei deutlich weniger als die natürliche Strahlung, der Menschen ausgesetzt seien. Die Deponie Niemark hat nach Angaben der Entsorgungsbetriebe Lübeck (EBL) noch ein Restvolumen von 599 000 Kubikmetern zur Verfügung. Die Kapazität sei 2035 rein rechnerisch erschöpft. Die Anlage könnte in östlicher Richtung um rund 3,4 Hektar und im Bereich des Betriebshofes um 1,7 Hektar erweitert werden. Weitere Erweiterungsflächen würden sich in nordöstlicher Richtung bis zur A 20 befinden, so die EBL – rund 12,1 Hektar. Die Erweiterungsflächen seien im Besitz der Entsorgungsbetriebe beziehungsweise der Hansestadt. Das Planfeststellungsverfahren müsste spätestens 2023 eingeleitet werden. In Schleswig-Holstein werden drei Kernkraftwerke abgerissen. Von den Betreibern der anderen Anlagen gebe es aber bislang keine Anfragen, erklären die Entsorgungsbetriebe auf eine Anfrage der FDP. Die riesige Deponie hätte auch keine Probleme mit der avisierten Menge Bauschutt. „Die Annahme der derzeit angefragten Menge von 250 Tonnen aus dem AKW Brunsbüttel hätte keine nennenswerten Auswirkungen auf die Restbetriebszeit und -kapazität“, erklären die EBL-Verantwortlichen. Lesen Sie auch: Lübecker Weihnachtsmarkt: Alternativen während der Pandemie Lübeck: Jugendarbeit unter Corona-Bedingungen Lübeck: Radlerkontrolle ergab 80 mündliche Ermahnungen und 49 Anzeigen 250 Tonnen bringen den EBL nicht viel Geld: Denn die Abfallmenge, die jährlich auf der Deponie abgelagert werden, beträgt 60 000 Tonnen aus der Hansestadt sowie 12 000 Tonnen von außerhalb Lübecks. Auch finanziell wären die Mengen aus Dithmarschen nicht verlockend. 66 Euro pro Tonne dürfen die EBL dafür nehmen – macht eine Einnahme von 16 500 Euro. Von Kai Dordowsky