Lübeck will Busverkehr attraktiver machen: Das erwarten die Bürger

Die Busse sollten häufiger fahren, besser mit anderen Verkehrsmitteln wie der Bahn abgestimmt sein und auch die weiter entfernt liegenden Ortsteile Lübecks besser anbinden. Das wünschen sich die Fahrgäste, wie eine kleine LN-Umfrage am Zob ergeben hat. Jetzt ist die Zeit für Wünsche: Denn die Stadt will den Busverkehr attraktiver machen. Als Erstes soll zum Fahrplanwechsel im Dezember die teuerste Preisstufe wegfallen. Malin Lembke ist Pendlerin mit einem Monatsabo und fährt regelmäßig mit dem Bus. „Ab und zu fahre ich mit der Linie 21 in den Citti-Park“, erzählt die 31-jährige Lübeckerin, „der Bus dahin ist zu klein und dadurch häufig überfüllt. Die Stadtwerke müsste größere Busse in diese Richtung einsetzen.“ Nadine Pittroff besitzt zwar eine Monatskarte, fährt aber nur selten mit dem Bus, trotzdem ist der 38-jährigen Lübeckerin aufgefallen: „Abends könnten die Busse öfter und auch länger fahren. Nach der Corona-Pandemie wären längere Fahrtzeiten gerade für junge Leute besser.“ 2012 wurde ganz viel Angebot zusammengestrichen: Betriebszeiten, Linienverbindungen in die Ortsteile, mehr Busse innerhalb einer Stunde – alles das wurde 2012 im Zuge der sogenannten Liniennetz-Optimierung zusammengestrichen, weil der Stadtverkehr sein millionenschweres Defizit absenken musste. Das ist bestens gelungen – allerdings zu einem hohen Preis. „Das kenne ich aus Hambrug anders“: Armin Becker aus Karlshof fährt zwei Mal in der Woche mit dem Bus: „Ich würde mir eine bessere Verbindung zu den Dörfern und den Stadtteilen weiter außerhalb wünschen“, sagt der 20-Jährige, „oft habe ich Termine in der Stadt und der Bus in Karlshof fährt nur einmal die Stunde, das finde ich zu wenig.“ Beverly Asamoah studiert Humanmedizin in Lübeck und pendelt mit ihrem Semesterticket mehrmals die Woche in die Uni: „Der Bus in die Uni fährt nur alle 15 Minuten, das kenne ich aus Hamburg anders“, sagt die 22-jährige Hamburgerin, „dort fahren die Busse im Fünf-Minuten-Takt.“ Busse sind zu langsam unterwegs: Lübecks Busse fahren zu oft leer durch die Gegend, die Mobilitätskosten sind deutlich höher als bei anderen Verkehrsunternehmen, und die Busse sind auch zu langsam unterwegs. Das haben Kölner Gutachter im Auftrag der Hansestadt recherchiert. Dirk Jusczus nutzt den Stadtverkehr regelmäßig: „Ich hatte gerade einen Termin bei Ikea, den ich durch Verspätungen jetzt leider knicken kann“, sagt der 52-jährige Lübecker, „der Bus und die Bahn Richtung Ikea fahren ungefähr zur selben Zeit, das sollte besser abgestimmt werden. Dann hätte ich jetzt ausweichen können.“ Busfahrplan an Bahn aus Hamburg anpassen: Auch Sylvia Tienes pendelt ab und zu nach Hamburg. „Der Busfahrplan müsste an die Ankunftszeit der Bahn aus Hamburg angepasst werden“, antwortet die 53-jährige aus Groß Grönau, „oft ist der Bus in meine Richtung gerade weg und ich muss eine halbe Stunde auf den nächsten Bus warten.“ Lesen Sie auch Außengastronomie in Schleswig-Holstein darf ab 12. April wieder öffnen Keine Wiedereröffnung: Möbel Kraft scheitert vor Gericht Buntekuh: Lübeckerin auf ihrem Schulweg von Jugendlichen angegriffen Neben der Abschaffung der teuersten Preisstufe 3 will die Stadt in drei Schritten den Busverkehr verbessern. Die Kölner Gutachter haben weitere, ganz konkrete Maßnahmen ausgearbeitet. Bei der Linie 1 sollte vormittags alle 15 statt alle 30 Minuten ein Bus fahren. Bei der Linie 7 könnte der 15-Minuten-Takt zwischen Oberbüssauer Weg und Zob bis Bad Schwartau verlängert werden. Bei der Linie 9 sollten mehrere Zusatzfahrten eingeführt werden. Die „Neue Teutendorfer Siedlung“, der künftige Bahnhaltepunkt Moisling und das neue Gewerbegebiet Genin Süd müssten an den Busverkehr angebunden werden, raten die Gutachter. Lübeck steht beim ÖPNV vor der Verkehrswende: Zudem sollten Busspuren verlängert werden – vom Zob zur Mühlenstraße und in der Kronsforder Allee. An diversen großen Kreuzungen könnten die Ampelschaltungen zugunsten der Busse geändert werden. Der SPD-Verkehrspolitiker und Aufsichtsratsvorsitzende des Stadtverkehrs, Ulrich Pluschkell, hat alle Maßnahmen und Einnahmeverluste zusammengerechnet und kommt auf 4,2 Millionen Euro. Pluschkell: „Das ist gut angelegtes Geld.“ Linken-Chef kritisiert Bürgermeister und Senator: Lübecks Busverkehr steht vor nichts Geringerem als einer Verkehrswende. Oder wie es der Verkehrswende-Beauftragte Michael Stödter ausdrückt: „Es geht um einen Strategiewechsel beim ÖPNV weg von nachfrageorientierten hin zu angebotsorientierten Konzepten.“ Also: Busverkehr wird nicht mehr zusammengestrichen, weil kaum jemand damit fährt. Sondern: Der Busverkehr wird so attraktiv, dass Bürger gerne umsteigen. „Alles getan, dass Lübeck eine Autostadt wird“: Andreas Müller, Kreisvorsitzender der Linken, die seit einem Jahrzehnt vergeblich die Verkehrswende einfordern, findet zwar gut, „dass jetzt eine Umkehr erfolgt“. Aber Müller erinnert daran, dass Bürgermeister Jan Lindenau, Wirtschaftssenator Sven Schindler und Verkehrspolitiker Ulrich Pluschkell (alle SPD) dafür verantwortlich seien, dass der Busverkehr immer unattraktiver geworden sei. Müller: „Die haben alles dafür getan, dass Lübeck eine Autostadt wird.“ Von Julia Senkbeil und Kai Dordowsky