Lübecker Familien in der Corona-Krise

Eigentlich wäre am Freitag der letzte Schultag vor den Osterferien gewesen. Doch die Schulen sind schon seit zwei Wochen wegen der Corona-Krise geschlossen. Gleichzeitig arbeiten viele Eltern im Homeoffice – ein Spagat, der manche Familie an die Belastungsgrenze führt. Organisation ist wichtig: „Besonders wichtig ist jetzt gute Organisation und Struktur“, sagt Judith Jahnke, Mutter von drei Kindern. „In der ersten Woche habe ich gedacht, ich könnte in Ruhe zu Hause arbeiten. Ich konnte aber nicht so konzentriert für meine Schüler da sein, wie ich gern wollte“, erzählt die Lehrerin in Teilzeit. Nun ist auch ihr Mann im Homeoffice, und sie wechseln sich am Schreibtisch ab: Der Software-Entwickler arbeitet von 7 bis 9 Uhr, anschließend ist er bis zum Mittag für die Kinder da. Nachmittags und abends arbeiten dann beide einige Stunden. Chance, selbstständiges Arbeiten zu lernen: Von 8.30 bis 13 Uhr sitzen auch die zwei großen Kinder am Schreibtisch. Sie gehen bereits zur Schule und haben Lernpläne bekommen. „Die Hausaufgaben strukturieren unseren Tag“, sagt Judith Jahnke. Auch ihren Schülern rät sie, das Lernen zu Hause „als Chance zu sehen, selbstständiges Arbeiten zu lernen“. Der Garten als Ferien-Projekt: Die Pausen und den Nachmittag verbringen sie im Garten. „Mir tun alle Familien leid, die jetzt keinen Garten haben“, sagt Judith Jahnke. „Die Kinder müssen ab und zu raus, damit ihnen nicht die Decke auf den Kopf fällt.“ In den Ferien „hatten wir überlegt, nach Dänemark zu fahren“. Dass das nun nicht gehe, sei nicht so schlimm: Sie haben ihr Haus gerade erst gekauft. Das Ferien-Projekt der Familie wird es nun, den Garten anzulegen. Mit fünf Kindern allein zu Hause: Auch die Familie Maetzel versucht, den Alltag bestmöglich weiterzuführen. Gemeinsam mit ihren fünf Kindern muss Antje Maetzel zu Hause größtenteils allein klarkommen, weil ihr Mann Burkhard eine Arztpraxis betreibt und dementsprechend viel zu tun hat. „Da ich momentan in Elternzeit bin, muss ich nicht aus dem Homeoffice arbeiten“, sagt Antje Maetzel. „Das wäre sonst ein ziemlicher Spagat.“ E-Mails und Videos statt Unterricht: Drei ihrer fünf Kinder gehen zur Schule, in die erste, dritte und achte Klasse. Tochter Emma (13) besucht die achte Klasse des Katharineums. „Die Lehrer schicken E-Mails mit Materialien und Youtube-Videos oder laden Aufgaben über die Schulplattform hoch“, berichtet Antje Maetzel. Allerdings sei es von Lehrer zu Lehrer unterschiedlich, wie viele Aufgaben es gebe und wie strikt die Einhaltung von Deadlines sei. „An anderen Schulen wird das deutlich strikter durchgezogen“, sagt Antje Maetzel, die selbst Lehrerin für Spanisch und Musik an der Thomas-Mann-Schule ist. Arbeitspakete für Grundschüler: Für die Grundschüler wie Erstklässlerin Elise (6) wurden von der Stadtparkschule Arbeitspläne erstellt. „An jedem Sitzplatz im Klassenraum lag ein Paket mit Arbeitszetteln oder Aufträgen, die bis zum letzten Schultag bearbeitet werden mussten“, so Maetzel. „Dann sollen die Eltern die fertigen Arbeitspakete zur Schule bringen und in eine Box auf dem Schulhof werfen, damit sie über die Ferien korrigiert werden können.“ Ohne Streit durch die Krise: Trotz der ungewöhnlichen Situation gibt es in der Familie keinen der Schule geschuldeten Streit. „Alle wissen, dass sie arbeiten müssen“, sagt Antje Maetzel. Trotzdem müssten die Eltern gerade bei den Kleineren häufiger dabei sein. „Die sind diese Form der Arbeit nicht gewöhnt“, sagt die Mutter. „Das zerrt manchmal schon an den Nerven, aber es ist ja für uns alle eine neue Situation.“ Nach dem Lernen geht jeder seinen eigenen Interessen nach: „Die größeren Kinder treffen sich online mit ihren Freunden, die beiden kleinen spielen viel zusammen.“ Was die Familie in den Ferien macht, ist noch unklar. „Ursprünglich hatte ich eine Bildungsreise nach Spanien geplant, die natürlich ausfällt“, sagt Maetzel. „Jetzt schauen wir mal, was wir machen können.“ Kinder spielen die Krise weg: An Schulen und Kitas gibt es eine Notbetreuung für Familien, in denen ein Elternteil in einem für die Krise relevanten Bereich arbeitet. Die Stadt hat dieses Angebot ausgeweitet: Es kann jetzt auch genutzt werden, wenn nur ein Elternteil einen solchen Beruf ausübt. „Wir haben dort zwischen null und zehn Kindern“, sagt Joachim Karschny, Geschäftsführer von Kinderwege, die an zwölf Schulen die Betreuung gewährleistet. Diese wird über die gesamte Ferienzeit weiter geführt. „Kinder sind hoch kreativ und können wunderbar mit besonderen Situationen wie dieser umgehen“, sagt Karschny. „Sie spielen die Krise weg“. 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