Lübecker Gemeinde überträgt ihr Krippenspiel live bei Youtube

Wenn Jannik als Zimmermann am Heiligen Abend vor die erwartungsvollen Zuschauer tritt, werden seine Oma und sein Opa, seine Tante und sein Onkel nicht in der Kirchenbank, sondern auf dem heimischen Sofa sitzen. „Das ist schon cool, dass sie mich trotzdem beim Krippenspiel sehen können“, sagt der Elfjährige mit einem Hauch von Stolz in seiner Stimme. Die Verwandten müssen zu Hause nur den Laptop aufklappen und im Internet den YouTube-Kanal der Kirchengemeinde St. Jürgen anwählen. Da wird um 16 Uhr der Livestream gestartet. Krippenspiel in voller Länge im Internet zu sehen: „Und wenn man es am 24. Dezember selbst nicht schaffen sollte, sich die seit über 2000 Jahren tradierte Geschichte von Christi Geburt anzusehen, hat man später jederzeit die Chance, sich die Videoaufzeichnung in voller Länge als Konserve anzuschauen“, freut sich Pastor Heiko von Kiedrowski. Von der Pröpstin zum Beispiel habe er im vergangenen Jahr einen Tag später, am Abend des ersten Weihnachtstages, noch eine Mail bekommen, in der die Aufführung sehr gewürdigt worden sei. „200 bis 300 Nutzer waren 2018 live im Netz dabei, und das Video wurde so 3000- bis 4000-mal aufgerufen“, bilanziert der Theologe. Und er rechnet mit weiter steigenden Zahlen in diesem Jahr, weil sich das Angebot ja noch weiter herumspreche und selbst die EKD in Hannover dieses Ereignis bundesweit kommuniziere. Jedes Jahr eine neue Geschichte: Aber nicht nur der Livestream macht die Geschehnisse in der Evangelisch-lutherischen Kirche St. Martin in der Kastanienallee so besonders; es ist auch die Handlung, die Jahr für Jahr eine andere ist. So dreht es sich nicht nur um Jesus in der Krippe, sondern auch mal um den „Zauberer von Oz“, die „Bremer Stadtmusikanten“, „Pinocchio“, die „Räuber von Kardemomme“ oder – wie in diesem Jahr – um „Hans im Glück“. „Wir erzählen jedes Jahr eine neue Geschichte“, erläutert dazu der Theologe, der jeweils das an die Schauspielschar angepasste Drehbuch schreibt. „Dabei verlaufen die beiden Handlungsstränge stets parallel, und sie kommen unterschiedlich nah aneinander heran“, ergänzt er, „aber es endet immer mit der klassischen Krippenszene.“ „Hans im Glück“ besucht die Krippe: Um auf das aktuelle Beispiel zu sprechen zu kommen: „Hans ist Zimmermann und ist Kollege von Josef in der Werkstatt“, schildert der Pastor, „er kommt dann schließlich am Stall an, um sein Glück zu finden. Glück ist also nicht der Klumpen Gold, sondern das Kind in der Krippe, mit dem die Liebe in die Welt gekommen ist.“ 37 große und kleine Darstellerinnen und Darsteller – im Alter von acht bis Mitte 60 – sind in diesem Jahr dabei; dazu kommt noch das rund zehnköpfige Technik-Team, das für Licht, Ton und Kamera zuständig ist. Die Sakristei wird extra zum Regieraum umfunktioniert, und im benachbarten Gemeindesaal gibt es zudem eine weitere Liveübertragung, weil der Zuschauer-Andrang immer groß ist. Lange Entwicklung zum Livestream: „Die Idee des Livestreams stand quasi am Ende einer Entwicklung“, weiß der 22-jährige Stefan Münder. Er wurde schon in St. Martin konfirmiert, hat zusammen mit seinem Bruder Oliver eine Ausbildung zum Teamer in der Kirchengemeinde St. Jürgen absolviert und ist ihr ehrenamtlich als Mitglied des Technik-Teams treu geblieben. „Oli und ich haben uns immer für Technik interessiert, und wir konnten über die Jahre das Equipment weiter vervollständigen“, sagt der Student der Wirtschaftsinformatik. Erst habe man das Krippenspiel mit Scheinwerfern und Bühnenbild ausgestattet, dann seien die Mikrofone dazu gekommen und schließlich die Kameras für die Videoaufzeichnung. „Die Darsteller haben sich also mit der Zeit an uns gewöhnt“, kommentiert Münder. Krippenspiel wird seit Jahren ausgebaut: Im November 2007 kam Heiko von Kiedrowski von Hamburg nach Lübeck; drei Jahre später folgte seine Ehefrau. Seitdem bauten beide – Seite an Seite – das Krippenspiel mit erwachsenen Mitwirkenden weiter aus; die „kleinen“ Hirten, Schafe und Engel kamen später hinzu. „Das war für uns auch ein Weg, um den alten Teil von St. Jürgen mit dem Hochschulstadtteil in unserer neu fusionierten Gemeinde zusammen zu binden“, erklärt Katja von Kiedrowski. Mittlerweile wirken regelmäßig ganze Familien mit, wie die vierköpfige Familie Eidt. Der Gottesdienst mit Krippenspiel um 16 Uhr an Heiligabend, 24. Dezember, in St. Martin wird auf dem YouTube-Kanal der Kirchengemeinde in St. Jürgen live gestreamt. Zudem gibt es das Krippenspiel zuvor noch um 14.30 Uhr vor Ort zu sehen. Parallel wird das Geschehen in den Gemeindesaal übertragen. Um 12 Uhr wird bereits eine Kurrende mit den Martins-Bläsern in der Kirche St. Martin, Kastanienallee, geboten. Die Bewohner des Stadtteils St. Jürgen waren bis zur Mitte des letzten Jahrhunderts Kirchenglieder des Lübecker Doms. Doch angesichts des Wachstums der Stadt war dies kein dauerhafter Zustand. So wurde im September 1961 der Grundstein für die Kirche St. Martin gelegt. „Als Ella anderthalb Jahre alt war, sind wir als Neuhinzugezogene erstmals hier im Krippenspiel gewesen“, erinnert sich Philine Eidt, „und sie war die ganze Zeit fasziniert und gebannt.“ Seitdem habe ihre Tochter das Krippenspiel nicht mehr losgelassen. Ella ist inzwischen zehn Jahre alt. Sie freue sich jedes Mal, die anderen Mitspielenden wiederzusehen. „Und mit dem Krippenspiel beginnt für mich einfach Weihnachten“, betont sie. Lesen Sie auch: Heiligabend in Lübecks Kirchen Der erste Weihnachtstag in Lübecks Kirchen Der zweite Weihnachtstag in Lübecks Kirchen Niederdeutsches Krippenspiel: Tradition im 99. Jahr Von Michael Hollinde

Stream an Heiligabend - Krippenspiel aus Lübecker Kirche live im Internet