Ein virtueller Weg durch die Notfallaufnahme einer Klinik, ein Kulturzentrum in Aleppo, neue Kitas, eine Freilichtbühne in Marokko oder ein Theater in Rostock: Von großer Breite sind die etwa 100 Abschlussarbeiten der Absolventen der Technischen Hochschule Lübeck (TH). Am Donnerstag wurden die Ergebnisse gefeiert.
Ein neues Kulturzentrum für Aleppo
350 Gäste besuchten die Präsentation der Sommersemester-Abschlussarbeiten des Fachbereichs Bauwesen. TH-Präsidentin Muriel Kim Helbig betonte die „höchste gesellschaftliche Relevanz“ der Arbeiten und freute sich, Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) als Ehrengast begrüßen zu können. Und der zollte den Absolventen „großen Respekt und Anerkennung“ für die Arbeiten. Eine davon ist die des gebürtigen Syrers Ammar Teibi.
Dreieinhalb Jahre ist es her, seit der 26-Jährige nach Deutschland gekommen ist. Mit seiner Abschlussarbeit hat Teibi seinen Traum zu Papier gebracht und ein Modell dazu gebaut: Für eine der ältesten Städte der Welt, für seine Heimatstadt Aleppo, hat der Syrer ein neues Kulturzentrum geplant. Die Zitadelle bildet das Zentrum der Altstadt“, erklärt Teibi. Ihre Umgebung sei eine Ansammlung attraktiver und historischer Gebäude, so der Absolvent. Unter anderem in dieser Umgebung befand sich das große Serail. Dieses wurde 2014 mehrmals unterirdisch bombardiert und dadurch zerstört. Und so wünscht sich der Mann, der in Lübeck studiert hat, nichts sehnlicher, als das sein Wiederaufbau-Entwurf einmal Wirklichkeit werden könnte. „Mein Konzept des Kulturzentrums ist es, eine Erinnerung zu schaffen, und die Aleppiner zusammenzubringen“, sagt Teibi, der sich darüber freut, dass er an einer deutschen Hochschule ein Auslandsthema „mit Liebe und Leidenschaft“ bearbeiten kann. Gäbe es in Aleppo einen Wiederaufbau-Wettbewerb, Ammar Teibi würde sich „sofort“ bewerben.
Zeichnungen mit Leben erfüllen
Das Ergebnis seiner Überlegungen brachte auch den Ministerpräsidenten ins Staunen. Auch wenn Günther, wie er in seiner Begrüßung sagte, nicht viel von der Materie versteht, so hatten es die Absolventen verstanden, dem Landesvater die (noch) fiktiven Ergebnisse ihrer Arbeiten verständlich zu präsentieren. Darunter auch die Abschlussarbeit von Timo Macdonald. Der 27-Jährige hat sich mit der Virtual Reality genannten Technik beschäftigt. Mittels einer 3D-Brille kann der Betrachter aus beliebigen Blickwinkeln ein virtuelles Gebäude förmlich betreten, „um sich so ein höchst realistisches Bild von dem geplanten Bau machen“, erklärt der Absolvent, der für seine Arbeit ein altes, nie realisiertes Objekt des berühmten Architekten Le Corbusier gewählt hat. In Venedig sollte das Krankenhaus einst entstehen, aber es gibt nur Zeichnungen, die Macdonald nun mit Leben erfüllt hat.
Lösungen, die benötigt werden
Den Studierenden-Förderpreis der Vereinigung der Straßenbau- und Verkehrsingenieure in Schleswig-Holstein räumte Ute Keßel vor Jan Henningsen ab. Vielschichtig sind die Arbeiten der Absolventen: Neue Wohnformen und Ortsentwicklung im ländlichen Raum als Landlust, neue Lernlandschaften in Form eines Entwurfs eines Atelier- und Seminargebäudes auf dem Campus der TH, ein städtebauliches Konzept eines Wissensquartiers in Kiel, Entwürfe für eine Kita in Lübeck oder eine Freilichtbühne in Dahkla-Marokko bis hin zum Theater in Rostock. Ferner: Eine Analyse von Verkehrsströmen auf Autobahnen, Arbeiten zur Wirtschaftlichkeit und ökologischer Nachhaltigkeit von Wärmedämmverbundsystemen, oder eine Untersuchung der Dynamik der Spurenstoffbelastung und Elimination in ausgewählten Kläranlagen Schleswig-Holsteins. „Wir bieten mit den hier gezeigten Arbeiten Lösungen und Ideen, die da draußen wirklich benötigt werden“, so Helbig. Für Dekan Mario Oertel hätten die Arbeiten eindrucksvoll bewiesen, „mit welcher Breite und zugleich Tiefe die unterschiedlichen Facetten des Bauwesens beleuchtet werden.“ Er sei stolz, dem Fachkräftemangel der Baubranche entgegenwirken zu können.
Bleiben die unisono von Helbig, Oertel und Günther ausgerufenen Wünsche an die Absolventen: „Bleiben Sie uns gewogen, und bleiben Sie in Schleswig-Holstein.“
Rüdiger Jacob