Lübecker Uni-Forscher wollen Corona-Warn-App besser machen

Wie so viele Wissenschaftler derzeit schaut auch Esfandiar Mohammadi in die tägliche Corona-Infektionsstatistik. „Bundesweit wurden beispielsweise am Dienstag 9000 Neuinfektionen von den Gesundheitsämtern gemeldet – und 2000 davon haben über die Corona-Warn-App gewarnt“, weiß der Professor der Lübecker Uni, „also nur gut 20 Prozent.“ Das sei auf jeden Fall noch zu wenig und entsprechend deutlich ausbaubar. Im Sommer 2020 wurde Corona-Warn-App eingeführt: Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte im Sommer 2020 öffentlich bei ihrer Einführung für diese Applikation auf dem Smartphone geworben. Sie soll User alarmieren, wenn wahrscheinlich ist, dass man in einem gefährdendem Umfang Kontakt mit einer infektiösen Person hatte. „Ein absolut sinnvolles Tool, um die Pandemie einzudämmen“, wie der Arbeitsgruppenleiter aus dem Institut für IT-Sicherheit ausdrücklich betont. Immerhin sei diese Covid-19-App mit inzwischen 26 Millionen Downloads bundesweit auch in allen EU-Staaten und weiteren Staaten in über 20 Sprachen verfügbar und könne so zur effektiven Kontaktpersonen-Nachverfolgung angewendet werden. Volkswagenstiftung sponsert Uni-Forscher bei App-Verbesserung: Zusammen mit Campus-Kolleginnen und -Kollegen aus dem Institut für Telematik und dem Institut für Neuro- und Bioinformatik will Mohammadi die Warn-App nun besser machen und bekommt dafür extra 120 000 Euro von der Volkswagenstiftung, um weitere, befristete Forscherstellen schaffen zu können. Das Ziel des Projektes namens Privee: Die App soll zukünftig auch automatisch erfassen können, in welcher Umgebung Userin oder User den Corona-Kontakt hatten, ob also zum Beispiel im Restaurant, in Bus oder Bahn oder an der frischen Luft beim Spaziergang. „Das kann dann mehr Aufschluss darüber geben, ob die Begegnung als ,mehr’ oder ,weniger’ gefährlich eingestuft werden kann“, erläutert der IT-Experte. Man stehe in einem regelmäßigen Austausch mit der Klinik für Infektiologie und ihrem Chef, Prof. Jan Rupp. Und aus den gemeinsamen Diskussionen habe sich die Sinnhaftigkeit dieser Leistungserweiterung herauskristallisiert, so Mohammadi, der vor anderthalb Jahren von der ETH Zürich in die Hansestadt wechselte. In welcher Situation hat der Kontakt stattgefunden: Derzeit basiert die Kontaktverfolgung der App ausschließlich auf der sogenannten Bluetooth-Technologie, mittels derer versucht wird, den Abstand zwischen Smartphones zu ermitteln. „Mithilfe von Methoden der Künstlichen Intelligenz, kurz KI, haben wir jetzt eine Schnittstelle in die Corona-Warn-App eingearbeitet, die die Umgebung während eines Kontakts durch Audioaufnahmen klassifizieren kann und einfache Aussagen wie ,Waldspaziergang’ oder ,volles Zugabteil’ trifft“, beschreibt es der Wissenschaftler. Die erfolgte Situationseinordnung könne dann bei der Entscheidung, ob ein Kontakt als kritisch einzuordnen sei, unterstützend hinzugezogen werden und zugleich die Rekapitulation vergangener Aufenthalte für die spezifische Nutzung erleichtern. Dabei ist dem Lübecker Uni-Professor noch der Hinweis wichtig, dass jegliche personenbezogenen Daten ausschließlich lokal auf dem jeweiligen Smartphone der Nutzerin oder des Nutzers gespeichert werden. Lesen Sie auch Wegen Corona-Politik: Ist Bürgermeister Lindenau Lübecks Karl Lauterbach? Neue Corona-Testzentren: Hier können sich Lübecker kostenlos testen Travemünde: Abriss des Hotels Seestern hat begonnen Gleichzeitig stellt er klar: „Trotz aller technologischen Verbesserungen und regelmäßigen Updates, an denen fortwährend gearbeitet wird – die größte Hürde für die Wirksamkeit der App ist noch immer, dass so wenige Personen die App installiert haben.“ Und er sieht dafür zwei Gründe: „Erstens gibt es ältere Smartphones, bei denen die App schlichtweg nicht funktioniert. Dafür sollten wir dringend eine Version erstellen, die bei diesen Personen mit älteren Geräten funktioniert.“ Weiter um Akzeptanz der App in der Bevölkerung werben: Und zweitens gebe es sehr viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, bei denen die App funktionieren würde, welche die App aber einfach nicht installiert oder aktiviert haben. „Daher muss man fortan weiter um Akzeptanz in der Bevölkerung werben“, sagt der Forscher. Dass nun mit der sogenannten Luca-App ein weiteres „Werkzeug“ zur Verfügung steht, sieht er nicht als konkurrierend an. „Als Ergänzung kann so eine App durchaus hilfreich sein“, merkt er noch an. Von Michael Hollinde