Lübecker Unternehmer Stöcker: Selbstversuch zur Immunisierung ist geglückt

Es war ein Experiment – und der Lübecker Unternehmer Winfried Stöcker hält es für geglückt: Vier Wochen lang spritzte sich der Gründer der Labordiagnostikfirma Euroimmun ein Antigen des Coroanvirus. Seine Hoffnung: Der Körper werde darauf reagieren und entsprechende Antikörper ausbilden. Nun sei sein Selbstversuch ausgewertet, und die Erwartungen hätten sich erfüllt. „Im Serum konnten die Antikörper nachgewiesen werden.“ Ob das bedeutet, dass er gegen das Coronavirus geschützt sei? Stöcker: „Ich rechne damit, aber ich kann es noch nicht beweisen.“ Nächster Test soll Wirksamkeit belegen: Für einen solchen Nachweis müssten jetzt Tests belegen, dass die Antikörper aus Stöckers Blut unter Laborbedingungen die Vermehrung des Virus verhindern. Die Ergebnisse eines solchen Tests sollen Ende der laufenden Woche vorliegen. Stöcker möchte die Versuchsreihe jetzt ausbauen. Es hätten sich viele Freiwillige gemeldet, die sich auf dem gleichen Weg immunisieren lassen wollen. „Ob das geht, mit einem nichtzugelassenen Wirkstoff, muss ich mit der Ärztekammer noch klären.“ Er hoffe auf die Genehmigung für ein begrenztes Testen an freiwilligen Probanden. Stöcker: Zeitfaktor ist entscheidend: Und er halte es für nötig, dass sich Experten auch für seine Versuche interessieren. „Normalerweise publiziert man Forschungsergebnisse; das habe ich auch vor. Trotzdem sollte man jetzt vor allem schnell handeln.“ Entscheidend für ihn sei der Zeitfaktor. „Man sollte jetzt schneller sein, als es bei der Entwicklung von Impfstoffen sonst der Fall ist.“ „Bevor jetzt sehr viel Zeit verloren geht, sollte man umgehend Hochrisikogruppen, die in gefährdeten Bereichen wie Altersheim oder Pflegestationen arbeiten, auf die gleiche Weise impfen. „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Wirkung mit der Bildung von Antikörpern ein Schutz einstellt, halte ich für sehr hoch, bestimmt 90 Prozent.“ Dass Experten seiner Auffassung widersprechen könnten, halte er durchaus für möglich. Winfried Stöcker ist Gründer der weltweit agierenden Labordiagnostikfirma Euroimmun und Eigner der Stöcker Flughafen GmbH & Co. KG, die den Betrieb des Flughafens Lübeck führt. Experte Jan Rupp: Etablierung von Impfstoffen sind ein komplexer Prozess: Und tatsächlich beurteilt der Marburger Virologe Stephan Becker „diese Aufforderung von Herrn Stöcker zur Impfung der Bevölkerung mit einem nicht für diesen Zweck zugelassenen und nicht in kontrollierten klinischen Studien getesteten Protein“ als „unseriös“. Und Prof. Jan Rupp aus der Lübecker Uniklinik für Infektiologie und Mikrobiologie führt dazu aus, dass die Etablierung von Impfstoffen generell ein komplexer Prozess sei, der nicht nur etwas damit zu tun habe, ob sich Antikörper bilden. „Es geht um viele unterschiedliche Fragestellungen – zum Beispiel nach der Verträglichkeit des Impfstoffes und ob ein Großteil der damit geimpften Personen auch darauf anspricht“, führt er aus. Zudem müsse sichergestellt sein, dass die gebildeten sogenannten neutralisierenden Antikörper auch tatsächlich in der Lage seien, das Virus bei einem Kontakt abzuwehren. Paul-Ehrlich-Institut muss Freigabe erteilen: „Weiterhin muss in einer Studie die Dauer und die Nachhaltigkeit einer Antikörperbildung und des daraus resultierenden Schutzes untersucht werden und so weiter. Es gibt also viele Faktoren, um den Erfolg eines potenziellen Impfstoffes beurteilen zu können“, sagt der Experte aus der Hansestadt. Dass man für die Impfung auf rekombinante Proteine zurückgreife, sei keine Seltenheit, „aber gerade im Hinblick auf Sars-CoV-2 gibt es alternative Strategien, die aktuell erfolgversprechend aussehen“, so sein Hinweis. Um das alles seriös testen zu können, bedürfe es der Freigabe durch das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und der Vorlage zumindest grundlegender Daten, um einen Impferfolg abschätzen zu können. Gerade in der vergangenen Woche hatte das PEI, also das Bundesinstitut für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, die erste klinische Prüfung eines Impfstoffs gegen Covid-19 in Deutschland genehmigt. Durch eine intensive wissenschaftliche Beratung des Mainzer Arzneimittelentwicklers BioNTech im Vorfeld habe die Behörde das Verfahren in vier Tagen abschließen können. Jetzt werden im genehmigten ersten Teil der klinischen Prüfung 200 gesunde Probanden zwischen 18 und 55 Jahren mit jeweils einer von mehreren gering modifizierten Impfstoffvarianten geimpft. Im zweiten Studienteil sollen dann noch Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko oder mit erhöhtem Risiko für einen schweren Verlauf einer Coronavirus-Erkrankung dazu kommen. Behörden sind bereits auf Szenarien aufgestellt: „Dies alles wurde bereits in kürzester Zeit auf die Beine gestellt – viel schneller, als es vor vielen Jahren noch der Fall war“, kommentiert Rupp, „die Behörden haben sich also auf solche Szenarien besser eingestellt.“ Solche Nachrichten freuen Stöcker ebenfalls. „Dann sollen die natürlich möglichst auch das richtige Antigen benutzen.“ Eines, das das Virus benutzt, sich an Zellen anheften zu können. Tatsächlich würde er bei dem Vorgehen, Impfstoffe zu entwickeln, Impfexperten den Vortritt lassen. „Das ist nicht mein Spezialgebiet; ich untersuche, ob jemand Antikörper gegen Coronaviren aufweist und kann die Krankheit diagnostizieren und identifizieren.“ Stöcker: Ich zeige einen pragmatischen Weg: Er habe jedoch erkannt, dass es einen pragmatischen Weg gebe. Er hoffe, dass die zuständigen Behörden solche Erkenntnisse, wie die aus Lübeck, schnell annehmen und breit anwenden. 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