Lübeckerin kauft Oldtimer: Camper trotz frischem Tüv ein „Schrotthaufen“

Aus einem Traum wurde ein Albtraum – zehn Jahre lang sparte Jennifer S., um sich eines Tages ihren Traumwagen kaufen zu können: einen VW T3-Oldtimer. Im vergangenen Jahr war es endlich soweit: In Lübeck bot ein Privatmann den Transporter in beige-weißer Ausführung, Baujahr 1985, online zum Verkauf an. „Der Verkäufer war super nett, der Wagen ein Traum und frisch vom Tüv geprüft!“, erinnert sich die Oldtimer-Liebhaberin. Doch auf die anfängliche Euphorie folgte bald der Schock: „Ich habe ihn nach dem Kauf zur Werkstatt gefahren, um abschätzen zu können, welche Wartungen in Zukunft auf mich zukommen würden. Es ist schließlich ein Oldtimer“, berichtet die 31-Jährige. Sie hatte nicht mit dem Urteil des Werkstattmeisters gerechnet, der ihr sagte, sie habe „einen Schrotthaufen“ gekauft. Undichter Benzintank, durchgerostete Achsen: Die Liste der festgestellten Mängel umfasst 15 Punkte. Darunter fallen unter anderem korrodierte Bremsleitungen, poröse Bremsschläuche, undichter Kraftstofftank, ölfeuchter Motor, defekte Öldruckkontrolleuchte und durchgerostete Achsen. „Das Auto ist nicht verkehrssicher, eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer, für mich, für die Umwelt, es hätte sogar Feuer fangen können“, stellt Frau S. kopfschüttelnd fest. „Wie kann man so einen Wagen nur durch den Tüv lassen?“ Auf die 12 000 Euro für den Kauf des Wagens, für den sie gespart hatte seitdem sie Anfang 20 war, kämen nun noch bis zu 10 000 Euro Reparaturkosten obendrauf. „Der Vorbesitzer beteuert, von nichts gewusst zu haben“, erinnert sich die Betroffene. „Er hat mir aber angeboten, sich an den Reparaturkosten zu beteiligen.“ Dekra durchgefallen, Tüv bestanden: Dabei hätte auch der Verkäufer misstrauisch werden können: „Bei der Dekra ist der Wagen Ende September durchgefallen. Denen sind dort zumindest ein paar der Mängel aufgefallen“, erzählt sie. Damals wurden zum Beispiel Alterungsrisse an den Achsen erkannt sowie die Korrosion einer Bremsleitung. Von porösen Bremsschläuchen ist in der Prüfbescheinigung hingegen nicht die Rede. „Doch nur einen Monat später, am 30. Oktober, besteht der Wagen die Tüv-Prüfung, obwohl die Mängel weiter bestehen. Wie kann das angehen?“ fragt sich Jennifer S. fassungslos. Die Tüv-Prüfung wurde nicht in Lübeck durchgeführt. Der vorherige Wagenbesitzer sei extra ins benachbarte Mecklenburg gefahren, da er „in Lübeck Corona-bedingt keinen Termin mehr erhalten habe“, erinnert sich die Geschädigte. Tüv bedauert den Vorfall: Auf Anfrage der Lübecker Nachrichten bekundet der Tüv Nord für den Vorfall ausdrückliches Bedauern und betont: „Für uns als Dienstleister sind Rückmeldungen unserer Kunden sehr wichtig und wir nehmen jede Rückmeldung ernst.“ Da das fehlerhafte Tüv-Gutachten jedoch nicht Frau S. sondern dem Vorbesitzer ausgestellt worden war, seien „etwaige Forderungen“ an den Verkäufer zu richten. „Die Hauptuntersuchung ist grundsätzlich nicht drittschützend und das Vermögen eines zukünftigen Fahrzeugerwerbers wird durch diese nicht geschützt“, heißt es in einem Schreiben des Tüv Nord. Lesen Sie auch Mit Übung und den richtigen Reifen: So fährt es sich sicher auf Schnee und Eis Tüv-Report: Jedes fünfte Auto fällt mit Mängeln durch Kfz: Prüf-Plakette - Wann ist die nächste TÜV-Hauptuntersuchung fällig? Experte: Den Wagen vor dem Kauf prüfen lassen: Umso wichtiger sei es, „schon vor dem Kauf gemeinsam mit dem Wagenbesitzer das Auto durchchecken zu lassen“, rät Stephan Jans, Inhaber der Autowerkstatt Jans und Sohn. „Nicht nur bei Oldtimern sollte man die Werkstatt seines Vertrauens aufsuchen und ihn dort auf die Bühne nehmen lassen“, sagt der Oldtimer-Spezialist. „Ein solcher Vertrauens-Check wird außerdem sowohl von der Dekra, vom Tüv als auch vom ADAC angeboten und kostet etwa 100 bis 150 Euro“, erzählt der Werkstattchef. „So weiß der Verkäufer, was er verkauft –und der Kunde weiß, worauf er sich einlässt.“ Werkstatt statt Festival: Zu diesem Entschluss kam auch Jennifer S., die sich vornimmt, „in Zukunft bereits vor dem Kauf zur Werkstatt zu fahren.“ Was ihren lang ersehnten T3 betrifft, kommt diese Einsicht jedoch zu spät. Sie zieht in Erwägung, rechtliche Schritte einzuleiten. Allerdings sei sie unsicher, ob sie das Risiko eingehen sollte, am Ende auch noch die Gerichtskosten zahlen zu müssen. Den Einstieg ins neue Jahr 2021 hat sie sich denkbar anders vorgestellt. Und ihr Traum, mit dem 35 Jahre alten VW-Bus „in den Urlaub und auf Festivals“ zu fahren, muss vorerst Traum bleiben. Von Timm Lewerenz