Lübecks Bürgermeister zu Corona-Mutation: Draußen nur mit medizinischer Maske

„Meiden Sie Menschenansammlungen, halten Sie Abstand und tragen Sie konsequent medizinische Masken, wenn Sie die eigene Wohnung verlassen.“ Mit diesem Appell wendet sich Bürgermeister Jan Lindenau (SPD) an die Lübeckerinnen und Lübecker. Denn die Inzidenz hält sich in Lübeck nicht nur hartnäckig über 100. Jetzt ist auch das mutierte Virus B 1.1.7 in der Stadt. „Menschen fragen: Was kann ich noch tun?“: „Ich bekomme viel Post vom Menschen, die mich fragen: Was kann ich noch tun?“, berichtet Lindenau, „wenn wir alle freiwillig mehr tun, als verordnet wird, tragen wir gemeinsam dazu bei, das Virus einzudämmen.“ Er trage eine Maske auch dort, wo es nicht verordnet sei. In Lübeck gibt es eine Maskenpflicht in Teilen der Innenstadt sowie am Wochenende auf dem Promenadenrundlauf und der Vorderreihe in Travemünde. Das städtische Gesundheitsamt geht von vier hochgradigen Verdachtsfällen beim mutierten Virus aus. „Wie leider zu erwarten war, rechnen wir mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit damit, dass es sich um die britische Variante B 1.1.7 handelt“, erklärt Dr. Alexander Mischnik, Chef des Gesundheitsamtes, „die Proben waren auffällig auf die Mutationen N501Y und H69/70V.“ N501Y und H69/70 beziehen sich auf die Position im Erbgut (RNA), an der es zu Veränderungen gegenüber dem ursprünglichen Virus gekommen sei, so Mischnik. Die Mutation N501Y führe dazu, dass sich das Virus besser an die Zellen binden könne und damit ansteckender sei. Mischnik: „H69/70 bedeutet, dass an einer anderen Stelle eine Aminosäure fehlt, die beim ursprünglichen Virus noch vorhanden ist.“ In jedem Fall ansteckender als das Ursprungsvirus: Es gebe erste Hinweise, dass durch die britische Variante verursachte Fälle schwerer verlaufen würden. „In jedem Fall sind sie ansteckender als beim Ursprungsvirus“, sagt der Leiter des Gesundheitsamtes. Ob B 1.1.7 wirklich in Lübeck angekommen ist, werde erst in frühestens einer Woche klar sein. Grund, so Mischnik, sei das hohe Testaufkommen deutschlandweit. „Mit dem Auftreten von B 1.1.7 mussten wir rechnen“, sagt der Epidemiologe Prof. Alexander Katalinic, „das Virus scheint sich jetzt im Norden auszubreiten.“ Das sei auch nicht verwunderlich, weil die Menschen zu viel unterwegs seien. Katalinic: „Hohe Mobilität begünstigt die Virus-Ausbreitung, gerade bei einer ansteckenderen Corona-Mutation.“ Wissenschaftler fordert einheitliche Regeln zur Maskenpflicht: Die gute Nachricht sei, dass die bekannten Maßnahmen auch gegen die Mutation wirksam seien. „Die schlechte Nachricht ist, dass jetzt kleine Fehler viel eher zu einer Übertragung des mutierten Virus führen als bei der normalen Variante“, so der Direktor des Instituts für Sozialmedizin und Epidemiologie an der Uni Lübeck. Lesen Sie auch Corona-Mutationen: Spahn und Wieler warnen vor Ausbreitung in Deutschland Ab wann gilt Schleswig-Holsteins Stufenplan zur Corona-Lockerung? Experten antworten Lübeck: Hubbrücken-Sanierung: Forderung nach extra Brücke für Fußgänger „Das heißt, dass wir jetzt noch besser aufpassen müssen“, warnt der Wissenschaftler: „Über eine Ausweitung der Maskenpflicht sollte diskutiert werden. Auf jeden Fall würde ich zuerst die Regeln im Stadtbereich vereinheitlichen.“ Die unterschiedlichen Tage und Uhrzeiten, an denen Masken an verschiedenen Orten getragen werden müssen, könne sich niemand merken. Katalinic: „Ich plädiere für feste Zeiten an allen Wochentagen an allen vorgesehenen Orten. Und muss Rauchen unbedingt eine Ausnahme von der Maskenpflicht sein?“ „Berichte über eine effiziente Übertragung und vermehrte Virulenz des Erregers sind ernst zu nehmen“, sagt der Lübecker Infektionsmediziner Prof. Dr. Jan Rupp. Es sei noch zu früh für Rückschlüsse, inwieweit die Variante zu Ausbruchsgeschehen in größerem Maß beitrage. Aber auch der Infektionsmediziner geht davon aus, „dass die bisherigen Schutzmaßnahmen vor den Varianten schützen.“ Kliniken fühlen sich gut gerüstet für die Mutation: Wie reagieren die Kliniken auf die Mutation? „Wir werden trotz der insgesamt sinkenden Fallzahlen weiter wachsam sein und die seit vielen Monaten etablierte Test- und Isolierstrategie weiter konsequent durchführen“, erklärt Anna Dammrich-Warth, Sprecherin des Uniklinikums UKSH. Patienten, die nicht positiv getestet sind, aber verdächtige Beschwerden aufweisen, würden eventuell für ein bis zwei Tage isoliert und dann erneut getestet. Die Sana-Kliniken Lübeck sehen sich auch für die Virusmutationen gut aufgestellt und werden ihr Hygienekonzept wegen B 1.1.7 nicht ändern. „Wir senden seit drei Wochen alle Proben neu aufgenommener Covid-19-Fälle zur Genom-Sequenzierung in Labore“, sagt Kliniksprecherin Birte Gruhle, „in unserem Haus wurden bisher keine Virusvarianten nachgewiesen.“ Von Kai Dordowsky