Nach Corona-Fällen: Lübecker Senioreneinrichtung impft zum zweiten Mal

Heute haben sich Erik und Helga Herfurth zum zweiten Mal piksen lassen: Wie nahezu alle Bewohner der Lübecker Hanse-Residenz sind sie jetzt gegen Corona geimpft. „Die zweite Impfung gibt uns ein Gefühl der Sicherheit“, berichtet der 85-jährige Erik Herfurth. „Wir werden natürlich weiterhin vorsichtig sein, aber jetzt kann man vielleicht doch mal wieder in die Stadt fahren, oder Arztbesuche wahrnehmen, die man verschoben hat.“ Denn bisher hat sich das Ehepaar extrem zurückgezogen. Erst seit vier Wochen wohnen die beiden wieder in der Hanse-Residenz. Einen Tag vor der ersten Impfung sind sie zurückgekommen. „Vorher haben wir uns in unserem Ferienhaus in Scharbeutz isoliert“, erklärt die 81-jährige Helga Herfurth. Dort sind die direkten Nachbarn lediglich ein paar Schafe auf einer Streuwiese. „Isolierter kann man nicht sein“, berichtet ihr Mann. Der 85-Jährige leidet an einer unheilbaren, seltenen Lungenkrankheit: idiopathische Lungenfibrose. Damit zählt er zur äußersten Risikogruppe. „Insofern fühlten wir uns dort etwas sicherer als hier. Denn in so einem Haus wie der Hanse-Residenz kann immer mal ein Corona-Fall auftreten“, sagt Helga Herfurth. Bisher keine Nebenwirkungen: Fast ein ganzes Jahr verbrachte das Ehepaar in dem Ferienhaus. Nur ihr Sohn kam ab und zu vorbei, um ihnen Lebensmittel zu bringen und kurz Hallo zu sagen – draußen und mit Abstand. „Es wurde dann doch sehr einsam“, erinnert sich Erik Herfurth. „Schafe zählen, reichte uns einfach nicht aus.“ Umso mehr freuten sich die beiden, als sie vor einem Monat erfuhren, dass in der Hanse-Residenz geimpft wird. Sie entschlossen sich, zurückzukommen und haben inzwischen die zweite Impfung hinter sich. „Ermüdungserscheinungen und Kopfschmerzen könnten nach der zweiten Impfung auftreten. Bisher haben wir so etwas noch nicht. Mal schauen, wie es uns morgen geht“, sagt Helga Herfurth. Extrem hohe Impfbereitschaft: Ab 8.30 Uhr waren am Sonntag drei Impfteams, bestehend aus Arzt, Pfleger und einem zusätzlichen Helfer, in dem Heim. Um 13 Uhr waren die 190 Bewohner geimpft, darauf folgten 90 Mitarbeiter. Das Kaminzimmer im Erdgeschoss des Hauses diente als Belehrungs- und Informationsraum. Hier klärt ein Arzt die Bewohner über den Impfstoff und den Impfvorgang auf. Nur wenige Meter entfernt liegt der Impfraum: Eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung, in der zwei Impfteams die Impfungen durchführen. „Die Impfbereitschaft hier im Haus ist extrem hoch, was wir als Hausleitung natürlich begrüßen“, sagt Geschäftsführer Thomas Werdin. Nur drei Parteien hätten sich aus medizinisch nachvollziehbaren Gründen gegen eine Impfung entschieden. Mehrere Corona-Infektionen trotz negativem Testergebnis: Doch nicht alle Bewohner der Hanse-Residenz können in den Impfraum gehen, auch wenn sie es gerne möchten: Der gesamte vollstationäre Pflegebereich im vierten Obergeschoss ist seit einer Woche unter Quarantäne. Ein Bewohner steckte trotz erst negativem PCR-Tests Mitarbeiter und Bewohner an. „Das Infektionsgeschehen ist ausschließlich in diesem vollstationären Bereich“, erklärt Thomas Werdin. „Dort ist es sehr kontrolliert. Gemeinsam mit Gesundheitsamt und Hausärzten haben wir schnell reagiert.“ Auch Erik und Helga Herfurth haben das Gefühl, dass alles unter Kontrolle ist: „Wir haben Vertrauen darin, wie das hier geregelt wird. Der stationäre Pflegebereich ist abgeschottet.“ Lesen Sie auch Lübeck: Archäologen entdecken ältestes Backsteinhaus der Hansestadt Kältebus in Lübeck: Eisiger Winter trifft Obdachlose hart Harter Sparkurs für die Kirchenmusik in Lübeck: Ein Ruf steht auf dem Spiel Im vierten Obergeschoss war aufgrund des Infektionsgeschehens das dritte Impfteam unterwegs. „Die Impfärztin konnte einen Großteil im stationären Pflegebereich impfen“, berichtet Thomas Werdin. „Das tut sie nur, wenn bei den Bewohnern keine Symptome erkennbar sind.“ „Die Leute sind ausgehungert“: Nahezu alle Bewohner würden sich über ihre Impfung freuen, berichtet Simone Schneider, Leiterin des ambulanten Pflegedienstes: „Die Bewohner haben mit den Hufen geschart, wann nach der ersten Impfung auch die zweite kommt. Jetzt sind sie überglücklich.“ Durch die Impfung hätten viele das Gefühl, dass es nun endlich vorwärtsgeht. „Die Leute sind natürlich ausgehungert und möchten ihre Kinder und Familien sehen“, sagt Simone Schneider. „Trotzdem müssen wir nach wie vor natürlich vorsichtig sein.“ „Wir sind noch nicht über den Berg“: „Wir sind noch nicht über den Berg: Wir haben noch ein sehr starkes Infektionsrisiko in Lübeck“, sagt Geschäftsführer Thomas Werdin. „Deswegen werden wir unsere Mitbewohner weiterhin ermahnen, sehr vorsichtig beim Nutzen von öffentlichen Verkehrsmitteln zu sein und auch die Familientreffen auf ein bis zwei Besucher pro Woche und pro Bewohner zu beschränken. Wir wollen diese positive Situation durch das Impfen nicht leichtfertig aufs Spiel setzen. „Er sehe allerdings gute Chancen, dass die Bewohner in einer Woche wieder Spielrunden veranstalten können – an großen Tischen, mit Abstand. „Das sind kleine, aber doch wesentliche Dinge, die zur Lebensqualität beitragen.“ Insgesamt müsse man vorsichtig sein, wenn es um Lockerungen für Geimpfte ginge, findet Thomas Werdin. „Die Jüngeren haben auch Rücksicht auf die Älteren genommen. Jetzt sind die Älteren an der Reihe, Rücksicht zu nehmen, was die Teilnahme am kulturellen Leben angeht.“ Von Nina Lennartz