Neuer Pannenservice für Fahrräder in Lübeck

Bluesmusik schallt aus den Boxen, Patschuli-Duft liegt in der Luft und die Wände tragen ein warmes Lila – das ist nicht gerade das Ambiente, das der Otto-Normal-Radler in einer Fahrradgarage erwartet. Deshalb heißt sie auch „Die etwas andere Werkstatt“ – und trägt den Spitznamen ihres Besitzers: Chuck. „Wir wollen, dass sich die Menschen hier entspannen können, auch wenn ihnen zum Beispiel gerade die Kette gerissen ist“, sagt der Inhaber, der eigentlich Ulf Sydow heißt. Deshalb gibt es Kaffee, Bonbons und einen kleinen Plausch, während nebenan das Rad repariert wird. Wer nicht warten will, kann sich mit einem Leihfahrrad auf den Weg machen. Gelernter Koch: Die Idee zu dieser etwas anderen Garage entwickelte sich im September vergangenen Jahres. Der gelernte Koch hatte nach einer Krebserkrankung keine Lust mehr, nur zu Hause zu sein und wartete geradezu auf ein Zeichen. Als er in der Innenstadt unterwegs war, traf er eine alte Dame, der die Kette aus dem Fahrrad herausgesprungen war. Sydow machte ihr Rad kurzerhand wieder fahrtauglich. Und sie sagte: „Wie großartig, dass es jetzt auch einen Pannenservice für Räder in Lübeck gibt.“ Der Satz klang nach. Als Sydow am Abend zu Hause saß, wusste er, was zu tun war. Er begann, an alten Fahrrädern herumzuschrauben, schaute sich YouTube-Videos an, um sich das nötige Wissen anzueignen. Über die Wintermonate tüftelte er in einer kalten angemieteten Garage. „Und ich habe mich vorher überhaupt nicht für Fahrräder interessiert“, sagt der gebürtige Hamburger. „Ich bin sogar mit dem Auto zum Zigarettenautomaten gefahren.“ Aufgemöbelte Rad-„Spezialitäten“: Nun, acht Monate später, stehen in seiner neuen, offenen Werkstatt in der Lindenstraße eigens aufgemöbelte Spezialitäten wie ein Designer-Rad aus den Achtzigerjahren, ein Bonanza-Rad aus den Sechzigern oder umlackierte Cruiser mit dicken Reifen. In der Werkstatt werden die Fahrräder repariert, umgebaut, „aufgepimpt“ – häufig mit gebrauchten Ersatzteilen. Und einen Hol- und Bring- sowie einen Pannenservice bietet Chuck ebenfalls an. „Wir kommen auch nachts um drei vorbei“, sagt Sydow, der sich dann mit seiner Service-Tasche auf das Einsatzfahrrad schwingt, um abgenutzte Schläuche, Felgen oder Bremsklötze auszutauschen. Unterstützung in Sicht: Seit Kurzem wird er dabei von seinem Praktikanten Patrick Engelke unterstützt, der – ähnlich wie Sydow - auch über Umwege zum Fahrradschrauben kam. Eigentlich ist der 40-Jährige Bäcker und Konditor und konnte ebenfalls aus gesundheitlichen Gründen seinen Job nicht mehr ausüben. Er schulte um und begann, hobbymäßig an Cruisern herumzuschrauben. So kam er mit Chuck in Kontakt. „Eigentlich wollte ich ihm nur ein Rad verkaufen“, sagt Engelke. Jetzt arbeitet er in der Werkstatt – und wird wahrscheinlich bald fest eingestellt. Denn gerade jetzt, zur beginnenden Fahrrad-Saison, gibt es viel zu tun. Doch Chuck lässt sich nicht stressen. „Die Leute sind so glücklich, wenn ihr Fahrrad wieder in Ordnung ist“, sagt er. „Und ich bin mit ganzem Herzen dabei.“ Lena Modrow

Lübeck - Auch nachts um drei gibt’s einen neuen Schlauch