Neuer Stadtwerke-Chef: „Wir versorgen Lübeck mit schnellem Internet“

Der neue Boss: Jens Meier (37) ist ab 1. Januar 2020 der neue Chef des Stadtwerke-Konzerns, der größten städtischen Gesellschaft der Hansestadt. Im Interview mit LN-Redakteurin Josephine von Zastrow erzählt Meier, wie er an den Job gekommen ist – und was er vorhat. Herr Meier, Sie sind jetzt der neue Stadtwerke-Chef. Dafür musste Ihr Vorgänger gehen. Haben Sie ihn aus dem Amt gedrängt? Meier: Ganz klar: Nein. Wir hatten 2019 intensive Diskussionen darüber, wie sich die Stadtwerke weiterentwickeln sollen. Daraufhin haben die Gesellschafter eine neue Führungsmannschaft aufgestellt. Gab es von Ihrer Seite einen gewieften Plan? Nein, definitiv nicht. Lesen Sie auch: Neue Führungsriege bei den Stadtwerken Lesen Sie auch: Stadtwerke-Chef Jürgen Schäffner hat einen neuen Job Lesen Sie auch: Stadtwerke-Chef Jürgen Schäffner geht Lesen Sie auch: Der Machtkampf ist entschieden Strategie-Diskussion: Wie soll es weitergehen mit den Stadtwerken? Meier: Es soll zwei Säulen geben. Das stabile Kerngeschäft: die Energieversorgung. Daneben wollen wir ein neues Geschäftsfeld entwickeln: Smart City und Digitalisierung. Dabei ist die Datenversorgung und Datensicherheit eine hoheitliche Aufgabe, die wir als Stadtwerke übernehmen wollen. Was haben die Stadtwerke – ein Energieversorger – mit Digitalisierung zu tun? Das alles hat mit Netzen zu tun. Für Strom, Gas, Wasser und Wärme braucht man Netze – und auch für die Daten. Dafür braucht es Glasfasernetze, Funknetze. In Lübeck haben wir uns die Frage gestellt: Soll das ein kommerzieller Anbieter machen? Oder die Stadtwerke, die jetzt schon für Netze zuständig sind? Ich bin froh, dass die Gesellschafter uns einen klaren Auftrag dafür geben haben. Es gibt auch andere Stadtwerke, die sich darum kümmern. Aber: In Lübeck sind wir bei dem Thema mit Sicherheit führend. Innovation, Digitalisierung klingt super. Kostet aber viel Geld. Wie viel? Eine konkrete Summe gibt es nicht. Denn das spielt sich in verschiedenen Geschäftsfeldern ab. Aber klar ist: Jede Innovation muss sich rechnen. Denn: Wir werden in unserem Kerngeschäft Einnahmen von ein bis zwei Millionen Euro verlieren. Denn wir erhalten weniger Geld für unsere Netze. Das hat die Bundesnetzagentur so festgelegt – und betrifft alle Netzbetreiber. Diese vorhersehbar sinkenden Einnahmen wollen wir über die neuen Geschäftsfelder kompensieren. Was werden Sie konkret machen? Wir werden das Glasfasernetz in Lübeck ausbauen. Heißt: Wir versorgen Lübeck mit schnellem Internet. Wir investieren rund 80 Millionen Euro in zehn Jahren. Und wollen innerhalb dieser Zeit bis zu 80 Prozent der Haushalte am Netz haben. Wir haben jetzt eine sogenannte Ausbau-Fabrik. Und werden Lübeck Stadtteil für Stadtteil erschließen. Wo fangen Sie an? Das ist noch nicht ganz klar. Wir gehen aber davon aus, dass es südlich von der Altstadtinsel losgehen wird. Derzeit haben wir ein Ranking der Stadtteile. Und wir werden die Bürger in den Stadtteilen fragen, wie der Bedarf ist. Und natürlich kann ein Stadtteil mit viel Bedarf dann nach oben rutschen. Wir wollen noch 2020 mit dem ersten Spatenstich beginnen. Was kostet das Ganze den Lübecker? Wir legen die Tarifstruktur noch fest. Aber es wird unterschiedliche Monatsbeiträge je nach benötigtem Datenvolumen geben. Klar ist aber auch, dass wir eine Mindest-Bandbreite festlegen, die wir garantieren. Im Gegensatz zu den anderen Anbietern, die über ihr Kupferkabel lediglich das mögliche Maximum angeben. Ein weiteres, großes Projekt ist Smart City: Grundlage ist dafür das Low-Power-Wireless-Netzwerk. Ein großer Server bei den Stadtwerken soll alle Daten speichern – von freien Parkplätzen bis zu leeren Mülltonnen. Wie weit sind Sie damit? Wir sind gut dabei. Das Netz ist von sechs Antennen auf jetzt 38 angewachsen. Die ersten Pilotprojekte sind angelaufen wie die Smart-Kita. Wir haben die ersten Parkplätze jetzt ausgerüstet, damit die Lübecker per App sehen könne, wo es freie Parkplätze gibt. Das soll im Januar oder Februar starten. Wir haben auch das Thema Eric-Warburg-Brücke. Es soll für die Autofahrer eine Prognose geben: Wann schließt die Brücke? Wie lange muss ich noch vor der Brücke warten? Wir planen damit im ersten Halbjahr 2020 rauszugehen. Lesen Sie auch: Startschuss fürs kostenlos WLan in Lübeck Lesen Sie auch: Nur noch Öko-Strom bei den Stadtwerken Lesen Sie auch: Stadtwerke auf Expansionskurs Sie haben noch ein anderes großes Projekt: Sie wollen ins Umland expandieren. Insgesamt wollen Sie 350 000 Menschen mit Energie versorgen und dafür mit der Konkurrenz zusammengehen. Ab Januar soll es losgehen. Schaffen Sie das? Das Projekt ist auf einem sehr guten Weg. Es stehen noch Beschlüsse in den politischen Gremien an. Wenn die positiv ausfallen, soll es rückwirkend zum 1. Januar 2020 losgehen. So war es auch geplant. Was haben Sie noch vor? Das Thema Nachhaltigkeit ist uns besonders wichtig. Wir bieten unseren Kunden jetzt ausschließlich Öko-Strom an. Wir wollen daneben die regionale Stromerzeugung noch ausbauen. In Kooperation mit der städtischen Grundstücksgesellschaft „Trave“ schauen wir, ob wir auf deren Dächern Solaranlagen bauen können. Zusätzlich haben wir auch einen gesellschaftlichen Anspruch, dem wir gerecht werden und das Thema „lübsch“ weiter nach vorne bringen wollen. Wir sind stark in Lübeck verankert und wollen der Netzwerk-Manager sein, um Menschen und Institutionen zusammenzubringen. Das alte Geschäft gibt es auch noch. Daher die wichtigste Frage für die Kunden: Steigen die Strom- beziehungsweise Gaspreise? Wir haben die Gaspreise stabil halten können. Bei den Strompreisen mussten wir Anpassungen vornehmen – von zwei bis drei Prozent. Das sind aber ausschließlich Steuern und externe Kosten, die wir weitergegeben haben. Und die Preissteigerung ist niedriger als bei den anderen. Da gab es Erhöhungen von meist sechs bis neun Prozent. Zu den Finanzen: Wie sieht die Bilanz der Stadtwerke 2019 aus? Im Moment bin ich zuversichtlich, dass wir positiv abschließen werden im Konzern. Die genauen Zahlen liegen im Frühjahr 2020 vor. Ausblick 2020: Wie sieht der Wirtschaftsplan aus? Wir gehen davon aus, dass wir uns weiterhin im positiven Bereich bewegen werden. Das Geld möchten wir dann in den Abbau der Altschulden, aber verstärkt auch in den Ausbau der neuen Geschäftsfelder stecken. Jens Meier (37) stammt aus dem nördlichen Saarland, ist studierter Betriebswirt, hat zunächst beim Eon-Konzern gearbeitet und später bei den RHEN AG in Köln. Meier ist im Juli 2017 zu den Lübecker Stadtwerken gekommen. Damals als Geschäftsführer der Lübeck Netz GmbH, einer hundertprozentigen Tochter der Stadtwerke. Im Juli 2019 ist er zum Stadtwerke-Chef aufgestiegen. Ab Januar 2020 ist er zudem Chef des Stadtwerke-Konzerns. Von Josephine von Zastrow

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