Nordische Filmtage Lübeck: NDR-Filmpreis geht nach Lettland

Ein kleiner Junge ist der große Gewinner der Nordischen Filmtage 2020. Markuss heißt er, lebt in einem Dorf bei seiner Großmutter und findet die Liebe, die ihm fehlt, im Zeichnen, in der Kunst. Und in Sailor, einer Person, die einsam und mit einer tragischen Geschichte abgeschieden im Wald lebt. „Die Grube“ („The Pit“) heißt der Spielfilm der lettischen Regisseurin Dace Puce, er gewann am Sonnabend beim Lübecker Festival den mit 12 500 Euro dotierten NDR-Filmpreis. Es war das erste Mal, dass diese Auszeichnung nach Lettland ging. Allerdings war die Preisgala im Theater Lübeck eine der besonderen Art. Wo sonst die Reihen im Großen Haus dicht gefüllt sind, standen jetzt Kameras, Monitore und anderes Gerät. Vorne auf der Bühne wurden Stellproben gemacht, es ging um Hygieneregeln und darum, wer wann wohin abgeht. Aber was will man machen in Zeiten der Pandemie? Wenn schon das Festival komplett ins Internet verlegt wurde, wurde auch bei der Filmnacht keine Ausnahme erlaubt und die Verleihung aufgezeichnet. Nordische Filmtage 2020: So schauen Sie einen Film online Das sind die Spielfilm-Favoriten der LN-Redakteure Alle aktuellen Berichte zu den Nordischen Filmtagen Lübeck lesen Sie hier Am frühen Nachmittag ging es los, alles sehr ruhig, leise und professionell. Abends konnte man sich die Gala auf der Festival-Homepage sowie bei Facebook und Youtube anschauen. Das hatte sich die scheidende künstlerische Leiterin Linde Fröhlich auch nicht träumen lassen. Aber sie habe 1979 während der Schneekatastrophe in Lübeck begonnen und gehe nun bei einer Pandemie, da schließe sich ein Kreis, sagte sie. „Ein traumhaftes Erstlingswerk“, lobte die Jury des NDR-Preises den Siegerfilm „Die Grube“. „Eine spannende Geschichte mit großartigen Schauspielern, herzzerreißend, aber nie rührselig erzählt, mit poetischen Bildern, die man nicht mehr vergessen wird.“ Vor allem das Gesicht von Damir Onackis prägt sich ein, der den zehnjährigen Markuss spielt, wie er durch diese fremde Welt taumelt auf der Suche nach etwas, an das er sich halten kann. „Off to sea“, sagt Sailor irgendwann im Film, los, stechen wir in See, und das tut Markuss dann auf seine sehr eigene Weise. Der Publikumspreis der Lübecker Nachrichten ging an „Der Waldriese“. Sie hoffe, die Filme nächstes Jahr wieder im Kino statt als Stream zu sehen, sagte die LN-Kulturchefin Petra Haase in ihrer Würdigung. Der geehrte Regisseur Ville Jankeri schloss sich an und wünschte, dieser „Shitstorm“ möge endlich vorbei sein. Wie alle Preisträger war auch er mit einem kurzen Dankes-Videoclip vertreten. Man lernte dabei das Zuhause der Filmemacher kennen, vom prall gefüllten Bücherregal und der Müslischale bis zur Pinnwand. Ronnie Sandahl, der für „Tiger“ den Preis der Jugendjury erhielt, hatte gar seine Katze auf dem Schoß. Jenni Toivoniemi konnte für „Gesellschaftsspiele“ mit dem Baltischen Filmpreis und dem Preis des Freundeskreises der Filmtage gleich zwei Auszeichnungen verzeichnen. Den Preis des Freundeskreises übergab Thomas Hailer, der Linde Fröhlich als künstlerischer Leiter nachfolgen wird. Insgesamt waren die Preise mit fast 60 000 Euro dotiert. Die Filme können noch bis zum 11. November gestreamt werden, die Frist wurde um drei Tage verlängert. Nordische Filmtage: Hier spielt Lübeck eine Hauptrolle Bjarne Mädel präsentiert sein Regiedebüt bei den Nordischen Filmtagen Gewinnen Sie tolle Preise beim Filmtage-Quiz der Lübecker Nachrichten Im Gespräch mit dem Moderator Stephan Szász ließ Linde Fröhlich die Jahre noch einmal Revue passieren. Bürgermeister Jan Lindenau lobte, sie habe „ein Juwel in der Stadt zum Glänzen gebracht“. Antje Peters-Hirt hat 1991 das erste Projekt mit ihr auf den Weg gebracht und sagte, Linde Fröhlich mache das alles „mit Seele, Leidenschaft, Geschick und Geist“. Es gab gute Wünsche von Festivalfreunden und -weggefährten aus allen Filmtageländern, es knallten Konfettikanonen, Andreas Hutzel aus dem Ensemble des Theaters sang mit der Galaband „Feierabend“ von Ton Steine Scherben, und dann gab es lang anhaltenden Applaus, wie sich das im Theater nach einer grandiosen Vorstellung gehört. Von Peter Intelmann