OPA: Was bedeutet dieses Schild am Straßenrand in Lübeck?

Irritation im Schilderwald: Über 20 Millionen Verkehrsschilder säumen die deutschen Straßen. Doch selten sorgen sie für soviel Verwirrung wie die zwei Schilder, die seit einiger Zeit an der A 75 und der B 226 bei Kücknitz stehen. Lkw-Fahrer Joe F. muss sich eingestehen: „Ich habe keine Ahnung was ‚OPA Anfang’ und ‚OPA Ende’ bedeutet!“ Und ein Taxi-Fahrer ruft aufgeregt bei der Zentrale an: „Ist das ein Altenheim hier oder was ist das?“ Eifriges Rätselraten in sozialen Netzwerken: Im Internet hat sich sogar eine richtige Diskussion über die Bewandtnis der rätselhaften Verkehrssymbole entfacht. „Was OPA bedeutet, haben wir uns auch immer gefragt...“, schreibt eine Nutzerin auf Facebook. Ein Erklärungsversuch wirkt dabei abenteuerlicher als der nächste: Ein Nutzer vermutet zum Beispiel „Seniorenspuren“ auf der Fahrbahn. Scherzhaft ergänzt Patrick Bächstädt (35): „Da fahren Opas auf Fahrrädern lang, vor denen wird gewarnt!“ Und manch einer denkt sogar an eine etwas drakonische Maßnahme zur Förderung der Senioren-Fitness: „Ab da darf man seinen Opa laufen lassen bis zum Schild Ende“, witzelt Sabrina Krause (37). Höchste Zeit also, Licht ins Dunkle zu bringen: Wer oder was ist OPA? Offenporiger Asphalt (OPA): Die leise Fahrbahn: Die Schilder markieren Anfang und Ende eines Fahrbahnabschnittes, der mit einem geräuschdämpfenden Belag versehen ist: dem offenporigen Asphalt (OPA), im Volksmund auch ‚Flüsterasphalt’ genannt. Wie jeder Asphalt besteht dieser aus Schotter und Bitumen, einer teerartigen Masse, die aus Erdöl gewonnen wird. Beim OPA werden im Gegensatz zum herkömmlichen Asphalt besonders große Schotterkörner und weniger Bitumen verwendet, sodass sich Hohlräume bilden. „Diese offene Struktur des Asphalts schluckt dann gewissermaßen die Geräusche“, erläutert Arno Goldschmidt, der Sachverständige der IHK-Lübeck für Verkehrslärm und Schallemission. Die Autofahrer bemerken die Geräuschminderung beim Fahren sofort. Für die Anwohner hingegen kann von einem bloßen ‚Flüstern’ nicht die Rede sein. Denn: „Der offenporige Asphalt mindert den Verkehrslärm lediglich um zwei bis drei Dezibel“, erklärt Goldschmidt. Lärm-Reduzierung für Anwohner kaum wahrnehmbar: „Wirklich erkennbar ist diese Differenz allerdings nur über einen Messzeitraum von etwa 16 Stunden“, gibt der Diplom-Ingenieur zu bedenken, denn „direkt heraushören kann man drei Dezibel Unterschied nicht.“ Trotzdem lohne sich der Asphalt insofern, als dass er „dem Lärmpegel die Spitzen nimmt“ und man so auf den Bau von Lärmschutzwänden verzichten könne. Ein Problem des ‚Flüsterasphalts’ liegt allerdings in seiner geringen Beständigkeit. „Er hält immer nur ein paar Jahre“, erklärt der IHK-Sachverständige, denn „mit der Zeit setzt sich Staub und Dreck fest und die Lautstärke wird nicht mehr reduziert.“ Letztlich ist es immer eine Frage der Verkehrsbelastung vor Ort, die für oder gegen den Asphalt spricht. „Beton hält zwar lange, ist aber aufwendig in der Erneuerung“, stellt Goldschmidt fest. „Asphalt hingegen, sowohl der offenporige als auch der normale, hält zwar sehr viel kürzer, ist dann jedoch leichter auszutauschen.“ OPA ist nützlich aber kein Allheilmittel: Damit ist der OPA, wie er in Kücknitz, Seeretz und Bad Schwartau verwendet wird, kein Allheilmittel, sondern nur eine von mehreren Maßnahmen zur Geräuschreduktion. Weitere Möglichkeiten sind beispielsweise die Anpassung der Geschwindigkeitsbegrenzung und die Verschärfung der Tempo-Kontrolle, wie CDU-Fraktionschef Oliver Prieur sie jüngst forderte. Oliver Goldschmidt ist da allerdings skeptisch: „Die Frage ist immer, um welche Geschwindigkeiten es hier geht. Eine Begrenzung von 130 auf 100 km/h ist deutlich sinnvoller und effektiver als eine Reduzierung von beispielsweise 50 auf 30 km/h.“ Allzu oft würden sich Politiker mit derlei geringen Maßnahmen schmücken, deren „tatsächlicher Effekt relativ gering“ ist, so der Sachverständige. Bürgerinitiative in Kücknitz: Fahrbahn trotz ‚Flüsterasphalt’ lauter: Aufgrund des Ausbleibens solcher „tatsächlichen Effekte“ gegen Lärm-Reduktion hat sich in Kücknitz kürzlich eine Bürgerinitiative gegründet. Anders als angekündigt, habe die Belastung seit den Sanierungsarbeiten auf der B 75 sogar zugenommen. Durch Verlegung des OPA sollte der Fahrlärm gedämpft werden, doch „stattdessen ist eine Lärmsteigerung das Resultat“, beklagt der Anwohner Wolfgang Schwarz (68). Um den eigentlich so vielversprechenden ‚Flüsterasphalt’ hat sich hier eine unübersichtliche verkehrspolitische Gemengelage entwickelt. Die Geschwindigkeitsbegrenzung wurde für Pkw auf 80 km/h angehoben: „Man sagte uns, die Autofahrer müssten schneller fahren, damit der Effekt des Flüsterasphalts eintritt“, berichtet der Kücknitzer Florian Beilig (39). Anhand eigener Messungen konnte er bei 80 km/h jedoch eine merkbar höhere Lärmentwicklung feststellen als bei 60 km/h. Anhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung nur für Pkw: Die Anhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h habe außerdem dazu geführt, dass Fahrer schwerer Lkw (mit mehr als 7,5 Tonnen) das für sie geltende Limit von 60 km/h überschreiten. Vom Blitzer, der nun erst bei über 80 km/h ausgelöst wird, werden sie jetzt nicht mehr erfasst. Auf diese Weise kommt es zu noch höherer Lärmbelastung. Lesen Sie auch B 75: CDU Lübeck fordert Tempokontrolle über längeren Abschnitt Lübeck: Klage über Lärm auf der A1 - Kein Flüsterasphalt Lärmschutz: Streit um Geschwindigkeit auf der B 75 in Lübeck-Kücknitz Ein Ende der Kontroverse, in die sich neben den Anwohnern und dem Landesbetrieb Straßenbau und Verkehr (LBV) nun auch die Bürgerschaftsfraktionen der SPD und CDU eingemischt haben, ist derzeit nicht in Sicht. Fest steht im Moment nur, dass der OPA seine wichtigste Aufgabe bisher noch nicht erfüllen konnte: Für Ruhe am Straßenrand zu sorgen. Von Timm Lewerenz