Ostseestation Travemünde: Meereskunde auf dem Priwall

Auf den ersten Blick fällt überhaupt nicht auf, dass sich der Seestern in Lizzy Draudts Hand bewegt. Nur wer ganz genau hinguckt, bemerkt die vielen, winzig kleinen Füße auf der Unterseite der Arme. Für eine kurze Streicheleinheit ist auch noch Zeit, bevor der Seestern wieder zurück in sein Aquarium muss. Für einen kurzen Moment setzen die Reflexe ein, das Gehirn meldet: „Vorsicht, es sticht gleich!“ – immerhin gehört der Seestern auch zu den Stacheltieren. Dann aber die Entwarnung von Lizzy Draudt: Die Stacheln sind so stumpf, dass man die Arme des Tieres getrost anfassen kann. Seesterne streicheln, Krabben beobachten oder alle Schollen am Aquariumboden entdecken: All das geht in der Ostseestation Travemünde. Lizzy Draudt und ihre Kollegin Lucia Rheindorf wissen alles über die Tiere der Ostsee. Dieses Wissen teilen die beiden jungen Frauen mit den Besuchern in der Ostseestation Travemünde. Ob bei einer der geschlossenen Führungen, die momentan zweimal täglich stattfinden, oder dazwischen während der regulären Öffnungszeiten: die beiden haben immer ein offenes Ohr für die Fragen der Kinder und Erwachsenen. Von zwickenden Krabben und Algenkunst: Morgens, bevor die Ostseestation öffnet, und immer wenn sie zwischendurch Pause haben, gehen Lizzy und Lucia mit ihren Keschern raus zum Priwallhafen und versuchen dort, neue Bewohner für die Aquarien in der Ostseestation zu fischen. Meistens holen sie dabei vor allem Garnelen aus dem Wasser – Futter für die größeren Fische. Auch Quallen oder Krabben schwimmen ihnen dann und wann ins Netz. Hier müssen sie manchmal ganz schön mutig sein: Die Krabbe, die sich an diesem Tag in dem Netz verfangen hat, ist ziemlich aufgebracht über ihre Gefangenschaft. Lucia Rheindorf muss sich sehr beeilen, ihr wieder ins Wasser zurück zu helfen, bevor sie gezwickt wird. Und manchmal lässt sich das, was sie am Priwallhafen aus der Ostsee holen, sogar in Kunst verwandeln. Normalerweise dürfen die Besucher der Ostseestation Algen selbst anfassen. Aufgrund der aktuellen Hygieneauflagen geht das nicht. In der Zeit, in der die Ostseestation geschlossen bleiben musste, haben Lizzy Draudt und Lucia Rheindorf deshalb damit begonnen, die Algen zu pressen, zu rahmen und in der Ausstellung aufzuhängen. Die Ergebnisse könnte sie getrost als Kunst anbieten. Die bunten Farben und die filigranen Muster, die bei der Pressung entstehen, machen die Algendrucke zu Unikaten. 3-D-Modelle: Anfassen erlaubt: Bei der Herstellung ist allerdings auch Fingerspitzengefühl gefragt: Die Algen müssen nämlich in einem Wasserbad auf das Papier gebracht werden. Dort legen Lizzy und Lucia die Algen dann so zurecht, dass ein hübsches Muster entsteht. Dann muss das Papier so vorsichtig aus dem Wasser gehoben werden, dass das Muster nicht wieder zerstört wird, bevor das Kunstwerk dann mit Zeitungspapier und schweren Holzplatten abgedeckt wird und trocknen kann. Die fertigen Bilder hängen nun an den Wänden der Ostseestation und sind nicht nur eine Augenweide, sondern liefern den Besuchern in Kombination mit kleinen Texttafeln alle wissenswerten Informationen über Algen. Ansonsten gibt es in der Ostseestation vor allem viele Exponate zum anfassen, zum Beispiel eine 3-D-Karte der Ostsee, auf der die Besucher erfühlen können, an welcher Stelle das Meer wie tief ist. Nach einem Jahr Pause und vielen Umbauarbeiten hat die Ostseestation auf dem Priwall seit Sommer 2018 wieder geöffnet. Derzeit hat sie dienstags bis sonntags von 11.30 bis 16 Uhr geöffnet. Führungen gibt es täglich um 10 und 16 Uhr. Die Touren dauern jeweils 75 Minuten. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, müssen sich die Gäste vorher anmelden. Inklusive Führung kostet ein Besuch in der Ostseestation 10 Euro für Erwachsene und 6,50 Euro für Kinder bis 12 Jahre. Ohne Führung bezahlen Erwachsene 7 Euro, Kinder 5 Euro. Instagram: @ostseestation Es geht aber auch eine Nummer tierischer – und gefährlicher: Die ganz mutigen Gäste dürfen nämlich den Schädel eines Schwertwals streicheln. Zu diesen tapferen Besuchern gehörten Noan (5) und Lias (8) aus Neustadt bei Hannover, die mit ihren Eltern in Travemünde im Urlaub sind. „Die Nasenspitze hat sich ganz hölzern angefühlt“, beschreiben die beiden Jungen dieses Erlebnis. Allein deshalb wird ihnen der Besuch in der Ostseestation auf dem Priwall mit Sicherheit lange im Gedächtnis bleiben – genauso, wie Lizzy Draudt und Lucia Rheindorf dort jeden Tag aufs Neue mit Begeisterung und großer Leidenschaft ihr Wissen über die Ostsee und ihre Tiere teilen. Von Sophie Schade