Rokoko-Entdeckung in Lübeck: Feinschliff des Gartensaals Gemeinnützigen

Überraschung für Denkmalpflege und Gemeinnützige: Untersuchungen haben ergeben, dass sich im Gartensaal der Gemeinnützigen unter alten Farbanstrichen goldene Ornamente aus der Rokoko-Zeit befinden. Die werden jetzt rekonstruiert. Ein in Lübeck seltener Rokoko-Fund, so Architekt Justus Deecke. Saal wird lebendiger, klarer und heller: Ein ovales, durch Stuck gerahmtes Deckengemälde – ein Wolkenhimmel mit sechs spielenden Putten (unbekleidete Kindergestalten) – ziert den Saal. Jetzt wird er noch schöner, klarer, heller, förmlich lebendiger. Und dies ist die eigentliche Überraschung: Bei der ersten Befundlage hatte die Denkmalpflege vermutet, dass der Saal aus der Epoche des Neo-Rokoko stamme. Intensive Quellenstudien hätten dann aber ergeben, dass der Gartensaal Ende des 18. Jahrhunderts bereits vorhanden gewesen sei, also ein echter Rokoko-Stil ist. „Lange war uns klar, dass der Saal renoviert werden muss“, sagt Deecke, Vorsteher der Gemeinnützigen. Gesagt getan. Seit Beginn dieses Jahres geht Meisterrestaurator Jarek Kulicki Tag für Tag an sein Werk, sitzt, liegt, hockt oder steht hoch oben auf dem Gerüst, etwa fünf Meter über dem Boden. Eine sogenannte Musterachse hat er freigelegt, hat ein kleines Wandstück von alten Farbanstrichen befreit. Mehrere Farbschichten mit Faserverstärkungen haben Ornamente überdeckt. Lange Jahre waren die Wände grau und lieblos: „Alle Farbanstriche der vergangenen 100 Jahre zu beseitigen, ist nicht möglich“, erklärt Deecke. „Das überlassen wir nachfolgenden Generationen, die vielleicht über geeignetere Techniken verfügen“, so der Architekt. „Dafür wird der Raum nach der Restaurierung aber exakt so aussehen wie früher“, so Kulicki. Bis es so weit ist, muss der Restaurator noch viele Stunden aufs Gerüst klettern, vorsichtig mit einem Dampfreiniger und vielen Kleinwerkzeugen arbeiten. Ein kleines Stück Wandfläche ist schon fertig. Goldenfarbige, plastische Ornamente zieren die Wand, die schlicht grau und lieblos war. Die exakte Rezeptur der goldenen Farbe mit dem schönen Schimmer verrät der Restaurator nicht. Nur so viel gibt er preis: „Es sind Metallpartikel darin.“ Kostenpunkt der Restaurierung: 100 000 Euro: Das Deckengemälde erstrahlt schon fast wieder in neuem Glanz. Kulicki hat das Bild aufwendig gereinigt. „Es geht um die Raumwirkung, bei der das Gemälde das Licht in den Raum bringen soll, nicht einfach weiß getünchte Wände“, sagt Deecke. Für ihn ist es „eine große Freude, so etwas wiederzuentdecken und es wieder sichtbar zu machen.“ Umsonst ist so eine Aufarbeitung der Historie nicht. „Wir schätzen den Kostenaufwand auf etwa 100 000 Euro“, so Deecke, der bei der Restauration die Mitwirkung des Denkmalschutzes lobt. Von Rüdiger Jacob