SPD und Grüne: Pflegeentgelte müssen in Lübeck gedeckelt werden

Die Debatte über dramatisch steigende Pflegeentgelte in den sieben städtischen Seniorenheimen hat ein Problem in den Fokus gerückt, das weit über Lübeck hinausgeht. SPD und Grüne fordern vom Bundesgesetzgeber, dass er die Eigenanteile für die Bewohner in Pflegeheimen deckelt. Der Eigenanteil liege im Bundesschnitt bei über 2000 Euro im Monat, erklärt der SPD-Sozialpolitiker Aydin Candan, „die Standardrente, die man nur erreicht, wenn man 45 Versicherungsjahre nachweisen kann, lag im Juli 2020 bei 1.538,55 Euro.“ Laut AOK könne bundesweit jeder dritte Heimbewohner derzeit den Eigenanteil nicht allein finanzieren und sei auf Sozialhilfe angewiesen, weiß der Sozialpolitiker. „Das zeigt, dass dies kein alleiniges Problem der städtischen Senioreneinrichtungen ist“, sagt Candan, „wenn wir die Menschen aus dem Sozialhilfebezug herausholen wollen, dann müssen wir das Bundesgesetz ändern.“ Der jetzt vorgelegte Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums, mit dem die Eigenbeteiligung für stationäre Pflege auf 700 Euro monatlich gedeckelt werden solle, sei ein Schritt in die richtige Richtung. Allerdings sei fraglich, ob das reiche, um die explodierenden Eigenanteile in den Griff zu bekommen sind. „Pflege gehört zur Daseinsvorsorge und darf nicht privaten Anbietern allein überlassen werden“, erklärt Aydin Candan. „Deshalb stehen wir zu dem Erhalt und Ausbau der städtischen Pflegeeinrichtungen in Lübeck.“ Die Lübecker SPD fordere einen langfristigen Deckel bei den Eigenanteilen, einen festen Bundeszuschuss für die Pflegeversicherung, die tarifliche Bezahlung aller in der Pflege tätigen Menschen sowie die Stärkung der Kommunen durch Übernahme von Investitionskosten durch das Land. Die Lübecker Grünen haben sich in einem Web-Seminar zum Thema „Entgelterhöhung in der Pflege – Endstation Armut?“ mit der aktuellen Lage in Lübeck und in der Republik befasst. Fraktionschef Bruno Hönel wiederholte, „dass er Erhöhungen der Eigenanteile von 400 bis 600 Euro pro Monat für unsozial hält und die Bewohner nicht für Fehler der Vergangenheit zur Kasse gebeten werden dürften.“ Die zum 1. November in Kraft getretenen Erhöhungen sind darauf zurückzuführen, dass in der Vergangenheit nicht alle Kosten bei den Pflegesatzverhandlungen von den Seniorenheimen geltend gemacht worden seien. „Weil die Zuschüsse der Pflegekassen nach dem aktuellen System feste Sockelbeträge sind, müssen die Bewohnerinnen die Erhöhungen nun voll selber tragen“, sagt Hönel. „Mindestens 15 Bewohner mussten deshalb bereits aus den städtischen Pflegeheimen ausziehen.“ Die Grünen lehnen die Erhöhung ab und wollen die höheren Beiträge über den städtischen Haushalt abfedern. Manfred Bergmann, der für den Seniorenbeirat an dem Web-Seminar teilnahm, erklärte, er sei „entsetzt“ gewesen, als er von den Erhöhungen aus der Zeitung erfahren habe. Lesen Sie auch: Lübeck: Das Theaterschiff verlässt Holstenhafen Lübeck: Politiker wollen Bürgerbefragung zur Lagerung von AKW-Bauschutt A1 bei Lübeck: Wirtschaftsminister Buchholz zufrieden mit E-Highway-Test Kordula Schulz-Asche, Bundestagsabgeordnete der Grünen, will das ganze System umdrehen, so dass die pflegebedürftigen Menschen künftig einen festen Sockelbetrag zahlen. Michelle Akyurt, sozialpolitische Sprecherin der Grünen, betont, dass die Zeit dränge: „Allein in Lübeck rechnen wir in den nächsten zehn Jahren mit einem zusätzlichen Bedarf von rund 700 Pflegebedürftigen.“ Beate Herrmann, Personalratsvorsitzende der städtischen Seniorenheime, sieht ebenfalls Handlungsbedarf: „Dauerhaft hohe Defizite sind ebenso bedenklich wie die drastischen Erhöhungen der Eigenanteile. An den Mitarbeiterinnen zu sparen, wäre aber der falsche Weg“, erklärt Herrmann. Die Personaldecke sei bereits dünn, die Zeit mit einzelnen Pflegebedürftigen schon jetzt knapp – und die Schichtdienste würden eine dauerhaft hohe Arbeitsbelastung bedeuten. Von Kai Dordowsky