So kämpft Lübeck gegen Diskriminierung und Rassismus

Hazare Kabani ist verheiratet, hat drei Kinder, ist berufstätig und wollte zusammen mit ihrem Ehemann in Lübeck eine Wohnung kaufen. Die Bank hatte die Finanzierung zugesagt, eine passende Wohnung war gefunden. Doch die Verkäuferin sagte der Familie ab. Grund: „Sie sagte, dass die Nachbarn keine ausländische Familie wollten“, berichtet die junge Frau, „ich dachte, diese Zeiten sind vorbei.“ Eine Woche lang habe sie wegen der Absage geweint. Mittlerweile wohnt die fünfköpfige Familie in einer anderen Wohnung – zur Miete. In Lübeck leben Menschen aus 164 Nationen. Über 53 000 haben einen Migrationshintergrund, über 24 000 sind Ausländer. Viele von ihnen erleben jeden Tag eine Form von Diskriminierung. Bei Ilhan Isözen vom Haus der Kulturen melden sich vor allem Menschen, die bei der Suche nach Wohnungen und nach Arbeitsplätzen Ablehnung erleben, weil sie eine andere Hautfarbe oder einen ausländisch klingenden Namen haben. Das Haus der Kulturen unterhält seit 20 Jahren ein Antidiskriminierungsnetzwerk und bietet Beratungen an. Isözen: „Bei uns melden sich auch immer wieder Jugendliche, die von Türstehern von Diskotheken nicht hereingelassen werden.“ In den letzten Jahren seien vor allem Flüchtlingsfamilien, die aus den Sammelunterkünften ausziehen wollen, vom Wohnungsmarkt ausgegrenzt worden, sagt Isözen. Eine Mitarbeiterin der Stadtmütter, die anonym bleiben möchte, berichtet von einer Familie mit zwei Kindern, die ebenfalls dringend eine Wohnung suchte. „Meine Klientin hatte ein Inserat in der Zeitung gesehen. Ich habe für sie bei der Vermieterin angerufen.“ Mehrmals telefonierte die Stadtmütter-Mitarbeiterin mit der Vermieterin, die schließlich erklärt habe: „Die Wohnung gehört meiner Oma und die will keine Ausländer haben.“ Immer mehr Diskriminierung bei der Wohnungssuche: Das seien keine Einzelfälle, haben die Autoren des neuen Integrationskonzepts der Hansestadt festgestellt. „Es mehren sich Berichte sowohl von Betroffenen als auch von zuständigen Beratungsstellen, dass es Vorbehalte und diskriminierende Praktiken bei der Wohnungsvergabe gäbe“, schreiben sie im Integrationskonzept. Es existierte bisher keine zentrale Stelle in Lübeck, bei der diese Beschwerden zusammenlaufen und dokumentiert werden. Lesen Sie auch Pop-Revue der Musikhochschule Lübeck zum Streamen Corona: Die Hausärzte in Lübeck sind bereit zu impfen Lübeck: Im Bornkamp soll Glasfaser-Ausbau für schnelles Internet beginnen Das aber hat sich jetzt geändert. „Opfer von Rassismus und Diskriminierung haben jetzt in Lübeck endlich eine Anlaufstelle“, erklärt Michelle Akyurt, Bürgerschaftsmitglied der Grünen. Die Sprecherin für Migration und Integration der Grünen bezieht sich auf eine Antwort der Stadtverwaltung auf ihre Anfrage, was denn die Hansestadt nun gegen Rassismus und Diskriminierung unternehmen wolle. Schließlich habe sich Lübeck als Mitglied der Städtekoalition gegen Rassismus zur Einrichtung einer solchen Eingaben- und Beschwerdestelle verpflichtet. Die Anlaufstelle für Diskriminierung ist laut Verwaltung bei der Bürgermeisterkanzlei angesiedelt und unter der Telefonnummer 04 51/115 erreichbar – montags bis freitags von 7 bis 19 Uhr. Die Mailadresse lautet anlaufstelle-diskriminierung@luebeck.de. Die Anlaufstelle nimmt Beschwerden von Bürgern auf, hält Kontakt zur Stabsstelle Integration, zur Gleichstellungsbeauftragten, zur Arbeitsgruppe Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz sowie zu den Beiräten für Senioren und Behinderten, außerdem vermittelt sie Bürger an die Antidiskriminierungsstelle des Landes und weitere Beratungs- und Informationsstellen. Öffentlichkeitsarbeit am besten in mehreren Sprachen: „Für Opfer von Rassismus und Antidiskriminierung ist das Gefühl der Machtlosigkeit oft eine der schlimmsten Erfahrungen“, sagt Michelle Akyurt, „zu wissen, es gibt in der Stadt jetzt ein niedrigschwelliges Angebot der Hilfe, ist für die Betroffenen daher unglaublich wichtig.“ Die Anti-Diskriminierungsstelle sei nicht nur für Rassismus- und Diskriminierungserfahrung mit der Stadtverwaltung zuständig, sondern auch für Geschehnisse in der Wirtschaft oder im persönlichen Umfeld. „Ich wünsche mir, dass Menschen, die in Lübeck rassistisch benachteiligt werden, von dem städtischen Angebot aktiv Gebrauch machen“, sagt Akyurt. „Niemand soll sich machtlos fühlen.“ Die Antidiskriminierungsstelle müsse jetzt Öffentlichkeitsarbeit betreiben. Die Grünen-Politikerin: „Am besten in mehreren Sprachen.” Dass es in Lübeck auch viele Vermieter gibt, denen die Herkunft von Mietern völlig egal ist, berichtet Ilhan Isözen vom Haus der Kulturen ebenfalls. Dafür soll es eine Anerkennung geben. Isözen: „Im Herbst wollen wir sensible Vermieter auszeichnen.“ Von Kai Dordowsky