Travemünder Woche am Scheideweg: Hilft Lübeck mit 527 000 Euro?

Das Meldeportal ist geöffnet, die Ausschreibung veröffentlicht. Am 23. Juli soll die Travemünder Woche (TW) in ihre 132. Runde gehen – und mit ihr gut 2000 Segler auf mehr als 1000 Booten. „Mit 15 Meisterschaften, darunter drei Welt- und vier Europameisterschaften, plus zwei Eurocups haben wir in 26 von 17 Entscheidungen ein Titel-Feuerwerk. Das zeigt, dass die TW hoch im Kurs steht“, erklärt Sprecher Ralf Abratis. Und doch ist die 2021-Auflage der zweitgrößten Segelwoche der Welt längst nicht in trockenen Tüchern. Mehr noch: Die Travemünder steht vor der Woche der Entscheidung. TW-Geschäftsführer Frank Schärffe hat aufgrund der erneut coronabedingten Einschränkungen einen Fehlbetrag von 526.665 Euro errechnet und die „Hansestadt Lübeck um eine finanzielle Unterstützung in Höhe von 527.000 Euro“ gebeten. Darüber entscheiden am Dienstag, 23. März, der Hauptausschuss und zwei Tage später die Bürgerschaft. TW – Botschafter für Schleswig-Holstein: Obwohl die Beschlussvorlage der Verwaltung die Unterstützung vorsieht, sie vom Schul- und Sportausschuss abgesegnet wurde, ist die Zustimmung längst nicht sicher. Denn mit mehr als einer halben Million Euro hat die Hansestadt die TW noch nie unterstützt. Auf diese Summe ist Lübeck zuvor gerade mal in 17 Jahren insgesamt gekommen. Die Ausnahme: 2020. Da verhinderte die Stadt nach der coronabedingen Absage mit 133 000 Euro Soforthilfe die Insolvenz der Travemünder Woche gGmbH. Schärffe geht mit „großer Hoffnung in die Woche. Ich bin mir sicher, dass Lübeck die TW nicht hängen lässt.“ Denn die Segelwoche ist eine internationale Marke, ein Botschafter für Schleswig-Holstein. Das belegt auch die im Jahr 2017 erstellte Studie, die den wirtschaftlichen Wert für die Region (besuchergenerierter Umsatz) mit 20,3 Millionen Euro beziffert. Damit belegt die TW im Land hinter der Kieler Woche (61 Mio. Euro) den zweiten Platz im Ranking von Großveranstaltungen. Zum Vergleich: Kiel unterstützt die Kieler Woche mit je 1,5 Millionen Euro für das Land- und das Segel-Programm. Travemünder Woche würde Coronavirus nicht überleben Travemünder Woche: Bilanz 2019 - und so soll es 2020 werden So schön war die 130. Travemünder Woche TW-Geschäftsführer Frank Schärffe: „Um die Zukunft ist uns nicht bange“ Historische Bilder Segeln und Infrastruktur kosten gut 900.000 Euro: Der nicht gedeckte Fehlbedarf errechnet sich so: Für die Durchführung der Segelwettbewerbe hat die TW Kosten in Höhe von 426.000 Euro veranschlagt plus 471.000 Euro an Infrastruktur (Flächen, Hygiene- und Sicherheitskonzept einschließlich Zugangskontrollen, Testzentrum, Sanitäranlagen und Schutzausrüstungen, Müllentsorgung, Transport). Da auch in diesem Sommer mit corona-bedingten Einschränkungen zu rechnen ist, ist das Landprogramm nur in einer Mini-Version im Brügmanngarten geplant. Nur: „Damit bricht eine wichtige Finanzsäule weg, plus mitfinanzierte Infrastruktur“, wie Schärffe erklärt. Den Ausgaben stehen so nur Einnahmen in Höhe von 371 000 Euro (Meldegelder, Stiftungen, Sportförderung, Sponsoren, Mini-Landprogramm) gegenüber. AfD-Fraktion lehnt Hilfe ab: Schärffe weiß, dass der Antrag für Zündstoff sorgt. Die AfD-Fraktion lehnt die Hilfe schon mal ab. „Grund ist die fehlende finanzielle Beteiligung des Lübecker Yacht-Clubs“, erklärte der Fraktionsvorsitzende David Jenniches und führte weiter aus, dass unter den über 800 LYC-Mitgliedern Unternehmer, Kaufleute, Rechtsanwälte, Ärzte, leitende Angestellte seien. „Es sind Menschen, die sich ihr Hobby etwas kosten lassen können.“ Die AfD-Fraktion erwartet aus der LYC-Mitgliedschaft einen solidarischen Beitrag zur Rettung der TW, „bevor der Steuerzahler einspringt“. Dass die LYC-Mitglieder selbst ein coronabedingtes Vereinsminus auffangen müssen und zudem das Gros der 300 ehrenamtlichen Helfer stellen, die die TW erst möglich machen, blieb dabei unerwähnt. CDU fordert neue Konzepte: Linke, Unabhängige und CDU haben Schärffe hingegen in ihre Sitzungen eingeladen. „Da war viel Erläuterungsbedarf, weil viele die Hintergründe, auch die Finanzierungsstruktur nicht kannten“, erklärte Schärffe und bezeichnete die Diskussionen als sachlich. Die CDU setzt sich dafür ein, „den Fortbestand der Travemünder Woche langfristig über das Jahr 2021 hinaus zu sichern“, heißt es in einer Mitteilung. Gefordert werden aber neue Konzepte, qualitativ angepasst an das im Vorjahr beschlossene Touristische Entwicklungskonzept 2030. Schärffe begrüßt die Diskussionen über die Zukunft der Travemünder Woche: „Das ist sogar wünschenswert. Dass sich die Politik in Lübeck für die Travemünder Woche interessiert, war ja nicht immer der Fall.“ Veranstalter der Travemünder Woche ist der Lübecker Yacht Club e.V. (LYC), der die Travemünder Woche gemeinnützige GmbH (TW gGmbH) mit der Organisation und Ausrichtung beauftragt hat. Alleingesellschafter der TW gGmbH ist der LYC. Das finanzielle Risiko bei der Austragung liegt bei der TW gGmbH. Mitveranstalter sind die Hansestadt Lübeck, der Norddeutsche Regatta Verein (NRV) und seit 2020 der Zürcher Yacht-Club. Segelprogramm 2021 : WM (RS Feva U21- RS Aero, RS Venture), EM (2xLaser 4.7, Splash Blue und Red), Euro-Cup (Waszo, Trias), DM (Korsar, Kielzugvögel, Canoe IC, Taifun), German Open (J22, J24, Musto Skiff, RS Aero). Verschiebung in den Herbst ist keine Option: Schärffe klar: „Ohne die Hilfe Lübecks ist die TW 2021 nicht durchführbar.“ Ein Verschieben in den Herbst, wie es die Kieler Woche erneut beschlossen hat, sei kein Thema. „Nach Rücksprache mit den Klassen ist das keine Option. Da der Großteil der Teilnehmer Jugendliche sind, würden sie nicht kommen.“ Eine neuerliche Absage würde die TW in diesem Jahr etwa 211.000 Euro kosten. Die Auswirkungen insgesamt könnten das Ende der Travemünder Woche bedeuten. Von Jens Kürbis