Trotz Corona: Stadtwerke Lübeck mit Plus

Positive Bilanz: Der Stadtwerke-Konzern macht ein Plus – trotz Corona. Die Gründe: Der städtische Energieversorger hat mehr Großkunden angelockt. Der Busverkehr erhält Geld vom Bund. Und: Zwei neue Geschäfte retten den Jahresabschluss. Dabei geht es um Netzausbau und Digitalisierung. Zwei sperrige Begriffe – aber offenbar die Zukunft. Das Besondere: Eingefädelt hat Meier diese beiden Geschäfte bereits Jahre vor der Pandemie. Damals war er allerdings noch kein Stadtwerke-Chef, sondern Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft. Heute profitiert Meier von seiner damaligen Entscheidung. Denn als Stadtwerke-Chef präsentiert er nun seine erste Bilanz – mit einem Plus. Meier führt seit Januar die Geschäfte des städtischen Energieversorgers. Gutes Ergebnis – trotz Corona: Die Zahlen: Der Stadtwerke-Konzern wird 2020 ein Plus einfahren. Angesichts des Corona-Jahres sei „das in der Branche unüblich“, so Meier. Unter dem Konzern sind Stadtwerke und Stadtverkehr vereint. Der Stadtwerke-Konzern ist ein großer Arbeitgeber in Lübeck. Insgesamt sind im Konzern 1383 Mitarbeiter beschäftigt. Sie teilen sich zur Hälfte auf in Stadtwerke (706 Beschäftigte) und Stadtverkehr (677 Beschäftigte). Bei der Stadtwerke-Holding sind 22 Mitarbeiter angestellt. Die Holding sitzt über den Stadtwerken und dem Stadtverkehr. Bei den Stadtwerken direkt arbeiten 161 Leute. Die meisten Mitarbeiter sind in der Tochtergesellschaft Trave Netz angestellt: 502 Leute. Hinzu kommen 18 Mitarbeiter bei der Travekom und drei bei der Innovation- und Entwicklungsgesellschaft. Beide Gesellschaften gliedern sich direkt unter der Stadtwerke Holding ein und gehören damit zu 100 Prozent der Stadt. Beim Stadtverkehr arbeiten 518 Leute, hinzukommen 159 bei der Lübecker Verkehrsgesellschaft (LVG). Das Konstrukt in Kürze: Die Stadtwerke verdienen als Energieversorger Geld, der Stadtverkehr gibt das Geld für die öffentlichen Busse aus. Die Stadtwerke kommen auf knapp 20 Millionen Euro Plus. Dem gegenüber steht das Minus des Stadtverkehrs von knapp 20 Millionen Euro. Zudem fließen drei bis vier Millionen Euro an die Stadtwerke Aachen, die 25,1 Prozent an dem Stadtwerken Lübeck halten. Das würde unterm Strich ein Minus ergeben. Aber: In diesem Jahr gibt es für den Stadtverkehr sieben Millionen Euro Corona-Hilfe vom Bund. Dadurch kommt der Stadtwerke-Konzern auf ein leichtes Plus. Plus der Stadtwerke: Das Plus der Stadtwerke: Der Energieversorger kommt auf ein Plus von knapp 20 Millionen Euro. Wegen Corona war mit einem schlechteren Ergebnis gerechnet worden. Denn etliche Firmen hatten während des Lockdown im Frühjahr weniger Produktion und daher weniger Stromverbrauch. Die Firmen der Medizintechnik- und der Lebensmittel-Branche legten dafür zu. Doch das allein hätte den Verlust nicht wieder reingeholt. Die Stadtwerke haben viele Privatkunden und vor allem Großkunden zurückgeholt. Meier: „Wir verkaufen nicht nur Strom und Gas, sondern bieten auch einen Komplettservice.“ So sitzen manche Firmenchefs jedes Vierteljahr mit den Stadtwerken zusammen, wollen den CO2 -Verbrauch senken, sparen Strom, diskutieren über eigene Energieversorgung und einen neuen Glasfaser-Anschluss. „Wir sind durchaus sehr stolz darauf“, sagt Meier. Denn: Alle großen Unternehmen und mittleren Firmen sind wieder Kunden der Stadtwerke. Und auch die Stadt. Bei einer europaweiten Ausschreibung haben sich die Stadtwerke durchgesetzt und beliefern die städtischen Gebäude und Liegenschaften mit Strom. Meier: „Das ist ein Prestige-Thema.“ Minus beim Stadtverkehr: Das Minus des Stadtverkehrs: Der Busverkehr kommt auf ein Minus von knapp 20 Millionen Euro. Durch die Pandemie sind die Fahrgäste ausgeblieben. Allerdings: Der Bund spannt einen Rettungsschirm für den Öffentlichen Nahverkehr – damit erhält der Stadtverkehr sieben Millionen Euro. Unterm Strich bleiben knapp 13 Millionen Euro Minus übrig. Lesen Sie auch Wegen Corona: Hafen und Stadtverkehr in Lübeck machen Verlust Schnelles Internet für Lübeck: Stadtwerken starten Glasfaser-Ausbau „Wir sind mit einem blauen Auge davongekommen“, sagt Stadtverkehr-Chef Andreas Ortz. Einen Monat lang hat der Busverkehr seinen Fahrplan zusammengestrichen. Beim ersten Lockdown fuhren die Busse vom 23. März bis 23. April nach dem Sonnabend-Fahrplan. In dieser Zeit gab es auch Kurzarbeit beim Stadtverkehr. Betroffen davon waren von 650 Mitarbeitern rund 190 Beschäftigte. Da Problem: Die Fahrgäste sind weggeblieben. „Der April war der schlimmste Monat“, so Ortz. Von durchschnittlich 100 000 Fahrgästen pro Tag sind nur noch 30 Prozent gefahren. Das hat sich zwar gebessert im Laufe des Jahres. Aber 100 Prozent sind es nicht mehr geworden – maximal 90 Prozent. Ortz: „Wir haben Fahrgäste verloren und wissen nicht, ob und wie wir sie wieder zurückgewinnen.“ Gute Nachrichten: Der Stadtverkehr wird bis Juni 2030 im Auftrag der Hansestadt die öffentlichen Buslinien betreiben; und die Priwall-Fähren in Travemünde sogar bis zum 1. Januar 2046. So lange laufen die neu abgeschlossenen Verträge. Elektro statt Diesel. Das ist das Motto, mit dem der Lübecker Stadtverkehr die Verkehrswende schaffen will. Bis 2030 sollen 40 Prozent des Fuhrparks Elektro-Busse sein –72 Stück. Derzeit hat der Stadtverkehr 180 Busse, davon werden Ende 2023 immerhin 40 mit Elektro-Antrieb fahren. Eigentlich sollten es nur 29 E-Busse sein. Aber der Bund gibt 16 Millionen Euro extra, damit der Stadtverkehr mehr E-Busse kaufen kann. Denn die E-Busse sind mehr als doppelt so teuer als die Diesel-Fahrzeuge. Der Vergleich: 550 000 Euro kostet ein E-Bus, 250 000 Euro ein Diesel-Bus. Zudem müssen Ladesäulen gebaut und Mitarbeiter geschult werden. Neues Geschäft: Expansion ins Umland: Zwei neue Geschäfte: Netz-Ausbau und Digitalisierung. Für jedes Thema gibt es eine eigene Gesellschaft bei den Stadtwerken. Die Trave Netz Lübeck GmbH ist eine Tochter der Stadtwerke. Diese Gesellschaft ist für mehr als die Hälfte des Ergebnisses des Energieversorgers verantwortlich. In diesem Jahr rettet die Trave Netz die Bilanz der Stadtwerke. Meier: „Mehr als eine Million Euro hat sie zum Konzern-Ergebnis beigetragen.“ Vor allem: Der Umsatz ist massiv gestiegen. Waren es bisher zwei Millionen Euro, sind es nun drei Millionen Euro. Der Grund: Expansion. Die Trave Netz hat sich mit der SH Netz zusammengetan – und sich im Lübecker Umland ausgebreitet. Dort versorgt sie die Leitungen von 100 Gemeinden. Dafür hat sie 119 Konzessionsverträge geschlossen. Der Vergleich: Zuvor waren es nur 15 Konzessionsverträge. Eingefädelt hat das Projekt Meier vor seinem Aufstieg zum Stadtwerke-Chef, als er noch Geschäftsführer der Netz GmbH war. Neues Geschäft: Digitalisierung: Thema Digitalisierung: Die Travekom kümmert sich um das neue Geschäftsfeld. Diese GmbH ist eine 100- prozentige Tochter des Stadtwerke Konzerns. Es ist ein Start-up-Unternehmen. Grob gesagt kümmern sie sich um Lübecks Daten – ein Zukunftsprojekt. Sie bauen das Long-Range-Wide-Area-Netzwerk (LoRaWAN) aus. Das Netz hat eine große Reichweite, verbraucht aber wenig Energie. 2018 startete das Projekt mit fünf Mini-Antennen in der Stadt. Nun sind es 40. Auch die Bushaltestellen sind damit bestückt. Ein Projekt wie die Strand-Ampel kann damit gesteuert werden. Das Netz misst die Besucherströme und veröffentlicht die Informationen via App. Bei der Travekom arbeiten 30 bis 40 Menschen. In diesem Jahr haben sie 25 Projekte betreut. Von Josephine von Zastrow