Überfall auf Lübecker Fitness-Studio: Urteil des Landgerichts

Nach dem normalen Alltagsverstand sind Johannes A. und Christoph S. (Namen geändert) gleichaltrig. Sie wurden im Abstand von wenigen Monaten 1998 geboren. Niemand, der die Beiden vor Gericht erlebt hat, würde behaupten, dass Christoph S. einen erkennbaren Reifevorsprung hätte. Aber als das Duo am späten Abend des 4. Juli 2019 das Fitness-Studio Holmes Place am Hauptbahnhof überfiel, war er gerade 21 Jahre alt und Johannes A. gerade noch nicht. Deswegen hat S. fünf Jahre und drei Monate Gefängnis bekommen und A. drei Jahre und sechs Monate Jugendstrafe. Er war schon Angeklagter, da griff er in die Kasse: Dabei hat A. mehr auf dem Kerbholz. Als er wegen des Raubüberfalls schon angeklagt war und die Ladung zur Hauptverhandlung bekommen hatte, griff er an seinem Arbeitsplatz, einer Tankstelle in Lübeck, in die Kasse und erbeutete mindestens 250 Euro. Noch einmal hatte er Glück: Diese Tat wurde zusammen mit dem Raubüberfall verhandelt. Deshalb wendete das Gericht auch hier das Jugendstrafrecht an, obwohl er da schon 21 war. Kein minder schwerer Fall: Das Gericht unter der Vorsitzenden Richterin Helga von Lukowicz blieb mit dem Strafmaß für beide Angeklagten etwas unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, vertreten durch die Erste Staatsanwältin Renate Hansen. Im entscheidenden Punkt aber stimmten ihr Plädoyer und das Urteil überein: Es habe sich nicht um einen minder schweren Fall gehandelt. Damit war klar: Unter fünf Jahren Haft würde Christoph S. nicht davonkommen. Das ist die Mindeststrafe, die das Gesetz für schweren Raub vorsieht. Das sei sicher bitter für den Angeklagten S., sagte von Lukowicz in der Urteilsbegründung. „Aber irgendwo muss man nun mal die Grenze ziehen.“ Diese Grenze zieht das Gesetz. Für das Jugendstrafrecht gilt: Bis zum 18. Lebensjahr muss es, vom 19. bis zum 21. Lebensjahr kann es, ab dem 21. Geburtstag kann es nicht mehr angewendet werden. Das gilt jeweils für den Zeitpunkt der Tat. Verteidigung prüft Revision: Die Verteidiger Eric Goldbach (für Christoph S.) und Nicolai Preuß (für Johannes A.) hatten jeweils auf einen minder schweren Fall und für ein weit geringeres Strafmaß plädiert. Goldbach hob die geringe Intelligenz seines Mandanten hervor und die Tatsache, dass er einen gesetzlichen Betreuer braucht, der ihm in Geld- und Behördenangelegenheiten hilft. Zudem habe er bei dem Überfall keine Gewalt angewendet und im Prozess Reue gezeigt. Auch Preuß sprach für seinen Mandanten von aufrichtigen Entschuldigungen. „Ihm ist hier durch das Verfahren erst vor Augen geführt worden, was er durch diese Tat angerichtet hat.“ Er argumentierte außerdem mit der Nähe der Taten zum starken Drogenkonsum seines Mandanten. Goldbach kündigte nach dem Urteil an, dass er eine Revision prüfen werde. Opfer nimmt Entschuldigungen an: Richterin von Lukowicz betonte dagegen in der Urteilsbegrüdung, es habe sich weder bei dem Raubüberfall noch bei der Veruntreuung in der Tankstelle um Beschaffungskriminalität gehandelt. „Beide Angeklagten wollten ein wenig in das Drogengeschäft einsteigen.“ Sie hob die Folgen des Überfalls hervor: „Auch bei nicht sehr hoher Intelligenz ist ersichtlich, dass Opfer ersichtlich leiden, wenn man sie mit der Schusswaffe bedroht.“ Die Zeugin Heidi M. (45, Name geändert), eines der Opfer des Überfalls, war als Zuschauerin zur Urteilsverkündung gekommen. „Ich brauchte das, um für mich abschließen zu können“, sagte sie im Anschluss. Ihre Aussage am ersten Verhandlungstag sei für sie gewesen, „als wäre es gerade noch mal passiert“. Auf das Urteil selbst sei es ihr aber nicht angekommen. Die Entschuldigungen der Täter habe sie angenommen. „Ich hoffe für die Beiden, dass sie auf den richtigen Weg kommen.“ Mehr zum Thema: Bericht vom ersten Verhandlungstag Raubüberfall auf Lübecker Fitnessstudio aufgeklärt Maskierte Männer überfallen Lübecker Fitnessstudio Von Hanno Kabel

Prozess - Überfall auf Lübecker Fitness-Studio: Haftstrafen für die Täter