Umweltminister: „AKW-Bauschutt ist gesundheitlich unbedenklich“

Keine Gefahr für Leib und Leben der Lübeckerinnen und Lübecker: Das versichert der Kieler Umweltminister Jan Philipp Albrecht (Grüne) in einem Gespräch mit den LN: „Wir stellen sicher, dass die Stoffe, die auf der Deponie Niemark abgelagert werden, nicht mehr strahlen.“ Albrecht hat am Mittwoch bekanntgegeben, dass die Deponien Niemark und Johannistal in Ostholstein 18 000 Bauschutt aus dem Atomkraftwerk (AKW) Brunsbüttel aufnehmen müssen. Der Bauschutt, der beim Abriss der Atomkraftwerke anfalle, sei gesundheitlich unbedenklich. Der Grenzwert von zehn Mikrosievert Strahlung sei so gering, dass die Ablagerung auf den Deponien keinerlei Auswirkungen auf Anwohner und Umwelt habe. „Das ist die vorherrschende, medizinische Meinung“, sagt Albrecht und verweist auf die weit höher liegende, natürliche Strahlung, der Mensch und Natur ausgesetzt seien. Der AKW-Bauschutt sei ein Abfall wie jeder andere, der tagtäglich auf Deponien angeliefert werde. Bedenkenträger seien mit ihren Warnungen vor dem AKW-Bauschutt zum Teil über das Ziel hinausgeschossen. „Ich kann Ängste nachvollziehen“, sagt der Umweltminister, „aber sie sind unberechtigt und müssen abgebaut werden.“ Fassungslosigkeit und Enttäuschung in Lübeck: Fassungslosigkeit und Enttäuschung: Das sind die Reaktionen von Politikern und Bürgern in Lübeck auf die Entscheidung von Albrecht (Grüne). „Ich bin fassungslos“, erklärt CDU-Fraktionschef Oliver Prieur. Die Hansestadt habe die Aufnahme des Bauschutts klipp und klar abgelehnt. Die CDU plädiert für eine Klage gegen die Zuweisung. „Jan Philipp Albrecht hat vielleicht das Gesetz auf seiner Seite“, so Prieur, „aber wir haben die Menschen auf unserer Seite.“ Die Zuweisung sei ein starkes Stück, kritisiert Detlev Stolzenberg. Das Umweltministerium habe über die Köpfe der Menschen hinweg entschieden. Sollte es tatsächlich keine andere Lösung geben, „so muss man Akzeptanz bei den Bürgern erzielen“, erklärt der Fraktionschef der Unabhängigen. Der Bauschutt sei nicht frei von Radioaktivität, sondern strahle schwach, erklärt der SPD-Umweltpolitiker Marek Lengen: „Es gibt ein Restrisiko und das sollte nicht im Land verteilt werden.“ Der Grenzwert von zehn Mikrosievert sei willkürlich gewählt. Die Dosis sei scheinbar gering, aber man wisse nicht, welche Auswirkungen die Deponierung in mehreren Jahren habe, so Lengen. Bürgerinitiative: Sorgen wurden einfach ignoriert: „Nun ist es so weit, das Umweltministerium macht ernst“, erklärt Marie Weigenand von der Initiative „Lübeck ohne Atomschutt“. Statt die Bürger mitzunehmen, werde die Entscheidung auf dem Höhepunkt der Coronakrise bekannt gegeben. Die Kritik am Zehn-Mikrosievert-Konzept sei von Anfang an ignoriert und das ganze Verfahren schön geredet worden. „Sorgen der Bürger zu langfristigen Folgen insbesondere für die Kleinsten unserer Gesellschaft werden schlichtweg ignoriert oder als völlig abwegig dargestellt“, sagt Weigenand. Die Initiative hat nach eigenen Angaben über 2500 Unterschriften gegen die Lagerung in Lübeck gesammelt. Das Land warte eine Bürgerbefragung, die die Kommunalpolitiker beschlossen haben, gar nicht erst ab. „Lübeck ohne Atomschutt“ werde sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass der belastete Atomschutt nicht auf Hausmülldeponien und insbesondere nicht auf der Deponie Niemark gelagert wird. Die Stadtverwaltung wurde zwar nicht von der Zuweisung überrascht, aber von der Menge des Bauschutts. „Wir werden diesen Entwurf jetzt mit Hilfe einer externen Rechtsanwaltskanzlei überprüfen und dazu kritisch Stellung nehmen“, sagt Umweltsenator Ludger Hinsen (CDU), „dabei wird die Beschlussfassung der Bürgerschaft, die eine Annahme des Bauschutts ablehnt, maßgeblich sein.“ Lesen Sie auch Wochenmärkte in Lübeck schließen: Anwohner schockiert Lübeck: Corona-Broschüren im Briefkasten verunsichern Bürger Corona: Lübecks Politiker fordern beim Impfen Hilfe für Senioren Die GAL-Fraktion in der Bürgerschaft verurteilt das Vorgehen der Landesregierung. „Die Bedenken bezüglich jeder zusätzlichen Strahlenbelastung, die auch Umweltverbände, einige Wissenschaftler und Ärzte teilen, werden nicht berücksichtigt“, sagt GAL-Politikerin Antje Jansen. Aber auch Grüne und FDP, die den Kurs der Landesregierung stets unterstützt haben, hadern mit der Lage. „Es ist bedauerlich, dass es Zuweisungen geben muss“, sagt Birte Duggen, „ich hätte mehr Verantwortungsbewusstsein aller Akteure erwartet.“ Die Fraktionschefin der Grünen erneuert die Forderung nach einer lokalen Begleitgruppe, wie es sie in Wiershop bereist gebe. Duggen: „Das ist besser als eine Blockade.“ FDP: „Hysterie und Populismus“: Durch die Blockade-Haltung von SPD und CDU sei es zu einer Zwangszuweisung gekommen, kritisiert FDP-Fraktionschef Thomas Rathcke, „soweit hätte es nicht kommen müssen.“ In einem sachlichen Dialog mit der Landesregierung hätte Lübeck eigene Vorgaben einbringen können. „Stattdessen setzten CDU und SPD auf eine von Hysterie und Populismus geprägte Pauschalablehnung, was eine sachliche Diskussion unmöglich machte.“ Sollte die Hansestadt Rechtsmittel gegen die Zuweisung einlegen, werde der Rückbau der Atomkraftwerke verzögert, erklärt Umweltminister Albrecht: „Die Abfälle bleiben dann länger auf dem Gelände der Kraftwerke liegen. Das kann den dortigen Anwohnern nicht zugemutet werden.“ Von Kai Dordowsky