Uni Lübeck kämpft gegen Hausärztemangel

Als Ruben Michael Zwierlein vor sieben Jahren sein Medizinstudium in Lübeck begann, war er noch völlig offen für alle Fächer seiner Disziplin. „Und ich war dann irgendwann sehr auf die Chirurgie fixiert, habe sogar neben dem Studium eine lange Zeit im OP assistiert“, berichtet der Arzt in Weiterbildung. Mittlerweile ist er allerdings nur noch für die Allgemeinmedizin zu begeistern – „sie bietet für mich die größte und interessanteste Breite an Krankheitsbildern und dazu eine absolute Patientennähe“, begründet er seine Wahl. Dass er sich mal niederlassen werde – dazu möglicherweise auf dem Land –, sei mittlerweile für ihn keine Frage mehr, merkt er noch an. Für Jost Steinhäuser ist dies ein Beispiel, das ihn weiter in seiner Institutsarbeit bestärken wird. Schließlich ist es ihm ein Herzensanliegen, dem Hausärztemangel in Schleswig-Holstein wirksam entgegentreten zu wollen. Und mit diesem Auftrag und einer weiteren Aufgabenfülle versehen hat im Oktober 2014 die Damp-Stiftung seine Professur für Allgemeinmedizin als Stiftungsprofessur an der Universität zu Lübeck eingerichtet. Mit Auslaufen der fünfjährigen Anschubfinanzierung ist sie nun von der Hochschule verstetigt worden. „Ein Umstand, über den ich natürlich sehr dankbar bin“, sagt Steinhäuser, „und der unsere geleistete Institutsarbeit sowie unser Netzwerk mit 65 Lehrpraxen belohnt.“ Allgemeinmedizin sei ein Fach, das auch immer mehr ins Bewusstsein der akademischen Welt gerate – „das ist wichtig, damit sich Studierende für dieses Fach begeistern können“, betont er. „Unser Institut verfügt seit 2014 über zwei Professuren – mit dem Wissen, dass es in Deutschland mehrere unbesetzte Lehrstühle in Allgemeinmedizin gibt, kann man beurteilen, wie hervorragend unser Campus aufgestellt ist“, resümiert der 46-jährige Wissenschaftler. Und: Als er vor fünf Jahren aus Heidelberg gekommen sei, habe es lediglich einen fest angestellten Forscher am Institut gegeben; jetzt sind es 22. „Die Allgemeinmedizin ist in Lübeck also fest verankert“, stellt er beruhigt fest. Ganz und gar nicht gelassen ist er beim Stichwort Ärztemangel. Denn hier prognostiziert die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) bis 2030 allein bei den Hausärzten einen Rückgang von minus 10 600 in Deutschland. Und Steinhäusers Institut erarbeitet Instrumente gegen diesen Trend. Möglichst früh im Studium: Letztendlich diskutiere man hier über drei Strategien – „zur utilitaristischen Strategie gehört die Maßnahme, beispielsweise 60 000 Euro auszuloben, damit sich jemand niederlässt. Allerdings besteht diesbezüglich ein hohes Risiko des Mitnahmeeffektes“, weiß er. Eine weitere Strategie arbeite mit Zwangsmaßnahmen – „dass also ein Medizinstudent nach der Approbation erst mal drei Jahre auf dem Land praktizieren muss. Das halte ich für völlig unzeitgemäß“, betont Steinhäuser. Sein Institut erforscht hingegen die sogenannten normativen Strategien, die die Optimierung der Ausbildung und der Weiterbildung zum Ziel haben. „Dazu gehört, Programme zu entwickeln, dass Studierende möglichst früh, stetig und intensiv in Kontakt zur Allgemeinmedizin kommen.“ „Und für die Kolleginnen und Kollegen in der Weiterbildung haben wir die wissenschaftlichen Grundlagen dafür geschaffen, Kompetenzzentren in den Bundesländern einzurichten“, erklärt der Professor. Insgesamt zeigt er sich vorsichtig optimistisch, den Trend durch die von seinem Institut entwickelten „tools“ zumindest erheblich abschwächen zu können. Im bundesweiten Vergleich ist der Lübecker Uni-Campus sehr gut aufgestellt. Denn schon seit 1974 wird das Fach der Allgemeinmedizin von Lehrbeauftragten, also niedergelassenen Ärzten, unterrichtet, und seit 2011 gibt es eine eigene Professur für Lehre, die durch Prof. Jens-Martin Träder bekleidet wird. Und seit knapp zwei Jahren gibt es – angeregt und wissenschaftlich begleitet durch das Lübecker Uni-Institut für Allgemeinmedizin – das Kompetenzzentrum Allgemeinmedizin , das eine qualifizierte Weiterbildung für Hausärzte in Schleswig-Holstein garantiert. Prof. Jost Steinhäuser hat bereits in Baden-Württemberg ein solches Kompetenzzentrum mit aufgebaut. „Danach hatten wir 25 Prozent mehr Ärzte, die den Allgemeinmediziner angestrebt haben“, erklärt er. Von Michael Hollinde

Universität - Uni erforscht Strategie gegen Hausarztmangel