Wegen Corona, für die Kultur: 250 Demonstranten in Lübeck

Ein etwa ein Kilometer langer Zug aus Sattelschleppern und Bullys, begleitet von den Demonstrierenden, ist am Sonnabendmittag ab 12.30 Uhr laut hupend durch die Lübecker Innenstadt gezogen. Am Anfang fuhr auf einem Anhänger ein riesiger Sarg mit Kränzen vorbei, darauf lagen Stoffbahnen mit der Aufschrift „Kultur“ und „Veranstalter“. Der „Kulturzug“ wies auf die schwierige Situation der Veranstaltungs- und Gastronomiewirtschaft hin. Auf vielen Wagen prangte das Banner des bundesweiten Bündnisses der Veranstaltungswirtschaft „ #Alarmstufe Rot “, das zu der Veranstaltung aufgerufen hatte. Eigentlich war eine Großdemonstration geplant, erzählte der Lübecker Veranstalter Johannes Hamann, doch der rasante Anstieg der Corona-Zahlen in Lübeck machte dem einen Strich durch die Rechnung. „Wir haben Gruppen dann gebeten, nur einen Vertreter zu schicken“. Anfangs war noch von knapp 1000 Teilnehmern die Rede, die Zahl korrigierte die Polizei dann später auf rund 250. Veranstaltungs- und Kulturbranche besonders hart getroffen: Das Bündnis hatte sich zur Rettung der Branche in der Corona-Krise gebildet. Es will darauf hinweisen, dass die Kultur- und Veranstaltungsbranche besonders hart getroffen ist. Einer von ihnen ist Malte Langenbeck, der auf einem der Sattelschlepper Schubert-Lieder singt. Er ist von der Krise doppelt betroffen: Er studiert an der Musikhochschule Gesang und hat nun keine Möglichkeit, sich auf der Bühne zu erproben. Gleichzeitig fällt seine Finanzierung weg, denn er verdient sein Geld als Veranstaltungstechniker. Nun hilft ihm die Familie aus, aber „das ist nicht einfach. Bald sind die Reserven aufgebraucht“. Er kann den Lockdown verstehen, „ich möchte auf keinen Fall, dass jetzt Leute an Corona erkranken“. Solo-Selbstständige lange ohne Hilfen: Von den November- und Dezemberhilfen, die Corona Betroffenen das Überleben sichern sollen, bekommt er als Student nichts ab. Dabei wurden Selbstständige nun zum ersten Mal explizit berücksichtigt. Dass es die Hilfen gibt, und dass zudem eine „Überbrückungshilfe III“ ab Januar geplant ist, sieht Bettina Hagedorn auch als ihr Verdienst. Von Anfang an habe sie „Alarmstufe Rot“ begleitet, unterstützt und das Gespräch mit Betroffenen gesucht, erzählt die SPD-Bundestagsabgeordnete. Sie spricht auf der Kundgebung, die im Anschluss an die Demo vor der MuK stattfindet. „Stand gestern gab es 182 000 Anträge für die Hilfen, davon 47 000 von Solo-Selbstständigen“, sagt sie. Inzwischen seien die Zahlungen der Gelder auch im Gange. Anschließend sorgten auf der Bühne vor der MuK die Musiker der Band „North Whisper“ Linny Johnson und Vincent Dellwig dafür, dass die kalten Füße beim Tanzen wieder warm wurden. Rund 120 Menschen waren da noch bei der Kundgebung. Kunst gegen Depressionen: Eine von ihnen ist Stefanie Behrens, die mit ihrer roten Clownsnase die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Dabei fällt es ihr gerade nicht leicht, Fröhlichkeit zu verbreiten. Sie musste schon vor Monaten Hartz IV beantragen, weil sie nicht mehr als Clownin „Tulsi“ arbeiten durfte. „Die Grundsicherung reicht aber hinten und vorne nicht“, sagt sie. Sie ist Mutter von sechs Kindern, von denen drei noch in ihrem Haushalt leben. „In der Krise sind die Künstler die ersten, die durchs Raster fallen“, sagt sie. „Andere an ihr inneres Kind erinnern, sie zum Lachen bringen, gibt Freude und macht gesund. Wenn wir das nicht haben, bekommen wir Depressionen.“ Lesen Sie auch: Lübeck: Musikhochschule geht mit Corona-Erklärung an die Öffentlichkeit So produzieren Lübecks Musikstudenten einen Livestream Vor Lockdown-Beratung: Wird ab Mittwoch alles geschlossen? Lübecker Virologe: Corona-Lockdown ist jetzt richtig Gegen 17 Uhr löst sich die Kundgebung auf, auch die letzten Demonstrierenden haben zu frieren begonnen. Polizist Ingmar Kulick, der den Zug begleitet hat, ist zufrieden: „Die Veranstalter waren sehr bedacht darauf, dass alles gut über die Bühne geht“, sagt er. „Wir brauchen die Kultur, findet Bürgerschaftsmitglied Katjana Zunft, die als Vertreterin ihrer Partei „Die Linke“ gekommen ist: „Kunst und Kultur ist die Seele der Gesellschaft.“ Von Friederike Grabitz