Weihnachtsmarkt in Lübeck: Das mutet in Pandemiezeiten seltsam an

Die Glühweintasse in der einen Hand, das Bratwurstbrötchen in der anderen, von unten zieht die Dezemberkälte in die Schafwoll-Stiefel, von oben rieselt der Schnee herab – oder zumindest ein „Jingle Bells“ aus dem Budenlautsprecher: So lieben wir den Weihnachtsmarktbesuch. Doch so nah die Lebkuchen schon im Supermarktregal liegen, so fern scheint derzeit die Vorstellung, dass es in diesem Jahr so entspannt sein wird wie sonst. „Unverantwortlich“ und „Der beste Hotspot, den man sich denken kann“ – so kommentierten viele Leser auf der LN-Facebookseite in dieser Woche die Meldung, dass der Lübecker Weihnachtsmarkt in diesem Jahr stattfinden soll. Natürlich in abgeänderter Form und unter Einhaltung aller geltenden Hygieneregeln. Aber schrumpft nicht der Abstand zum Nebenmann mit jedem Glühwein ein wenig mehr? Und werden die Kontaktformulare an den Buden mit klammen Fingern noch gewissenhaft ausgefüllt? Merkel richtet dramatische Appelle an die Bürger: Deutschland hat die Verbreitung des Coronavirus noch nicht unter Kontrolle. Zahlen sprechen leider eine klare Sprache, und die Infektionen nehmen derzeit allerorts wieder zu. „Ich bitte Sie: Verzichten Sie auf jede Feier, die nicht zwingend notwendig ist. Bitte bleiben Sie, wenn immer möglich zu Hause“ – mit diesem Satz läutete Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern selbst den nächsten Schritt ein in diesem nie endend scheinenden Pandemiejahr. Wie lässt sich da ein Weihnachtsmarkt rechtfertigen, während die Politik derart dramatische Appelle an die Bürger richtet? Kitas und Schulen stehen womöglich in den nächsten Wochen vor erneuten Schließungen. Familien bangen um den Winterurlaub und den Heiligabend im großen Kreis der Familie. Da mutet es seltsam an, wenn auf dem Weihnachtsmarkt die Welt eine andere, eine heile sein soll. Für viele Schausteller war der Weihnachtsmarkt der letzte Strohhalm: Klar: 2020 bot bisher weder viel Grund noch Gelegenheiten zum Feiern. Karneval, Festivals, Konzerte und Kulturveranstaltungen – alles abgesagt oder verschoben. Nur allzu verständlich ist der Gedanke: Nicht auch noch der Weihnachtsmarkt! In der Adventszeit sehnen wir uns nach Besinnlichkeit. Und wann, wenn nicht in diesem entbehrungsreichen Jahr, haben wir alle noch mehr als sonst das Bedürfnis nach ein bisschen Normalität und einer entspannten Zeit? Dazu kommt: Für viele Schausteller sind die Märkte ein letzter Strohhalm im Kampf ums Überleben. Und auch die Hotels in der Weihnachtsstadt des Nordens würden sich über Touristen aus dem In-und Ausland freuen. Bei ihnen werden jetzt Erwartungen geweckt, die letztlich durch neue Regelungen für Veranstaltungen doch noch zunichte gemacht würden. Etliche Orte, darunter auch Großstädte wie Dortmund und Köln, haben bereits die Reißleine gezogen. Eine Absage zum jetzigen Zeitpunkt wäre auch für Lübeck klar und planbar. Lesen Sie auch Lübecker: Wer geht auf den Weihnachtsmarkt? Lübeck: Weihnachtsmarkt mit Corona - Zahl der Besucher wird begrenzt Von Jasmin Off