Winter in Lübeck: Historische Bilder von Hans Kripgans

Von Klimawandel und Erderwärmung hatte noch niemand gehört. Fossile Brennstoffe waren kein klimaschädliches Teufelszeug, sondern ein begehrtes Gut. Im Winter lag Schnee, und die Kanaltrave und die Wakenitz froren zu, manchmal auch die Ostsee. Man schützte sich gegen die Kälte mit dem, was man hatte, die Kinder stürmten die Rodelberge, und der LN-Fotograf Hans Kripgans dokumentierte alles für die Leser und die Nachwelt. So erinnern sich alte Lübecker an die Winter ihrer Kindheit. Rodeln in der Engelsgrube: Christa Howold (79) wohnte als Kind in der Engelsgrube. „Die konnte man von oben bis unten runterrodeln. Wir haben Hütten aus Schnee auf der Straße gebaut. Dann kam die Polizei, und wir mussten sie wieder eintreten. Mein Vater ist im Krieg gefallen. Ich weiß noch, wie die Frauen aus der Engelsgrube sich zusammengetan haben und mit einem großen Karren ins Lauerholz gegangen sind, um Holz zu stehlen. Gerade als sie vor der Haustür waren, erwischte die Polizei sie und hat ihnen alles abgenommen. Wir Kinder mussten heruntergefallene Kohlen sammeln am Hafen an der Untertrave. Einmal sind wir mit meiner Mutter und meinem Stiefvater auf der zugefrorenen Wakenitz gewandert, ich glaube, bis nach Rothenhusen. Das war für uns ein Erlebnis! Ich vermisse den Winter, das Weiß des Schnees wirkt so beruhigend auf mich.“ Hans Kripgans (1910-1996) war von 1950 bis 1975 fester Fotograf der Lübecker Nachrichten. Eine Auswahl seiner Bilder zeigt das Buch „Hans Kripgans: Das Auge der Lübecker Nachrichten – Fotografien 1950-1959“, erschienen im Junius Verlag. Es kostet 39,90 Euro. Herausgeber Jan Zimmermann hat die Fotos ausgewählt und mit Erklärungen versehen. Weitere Bände über die 60er- und 70er-Jahre sind in Vorbereitung. Das Buch ist unter anderem im LN-Online-Shop erhältlich. Kratzende Socken aus Zuckersäcken: Wolfgang Bath (86) wuchs bis 1944 in St. Lorenz Süd auf. Nachkriegszeit und 50er Jahre erlebte er in der Siedlung Rangenberg. „Als ich fünf war, hat mein großer Bruder mich auf die Schlittenfahrt seiner Schulklasse mitgenommen. Sie haben mehrere Schlitten zu einem Zug zusammengebunden. Ich saß vorn. Dann ist der Zug gegen einen Pfahl gefahren. Ich hab mir das Schienbein gebrochen und sechs Wochen im Krankenhaus gelegen. Aber ich war danach trotzdem nicht ängstlich beim Rodeln. Schlittschuh bin ich nie gelaufen, das hat mein Vater unterbunden. Er hatte eine Schuhmacherei und sagte: ,Schlittschuhe sind Hackenreißer’. Ich habe 1950 meine Lehre mit zwei verschiedenen Schuhen angefangen, es waren die einzigen, die ich hatte. In der Nachkriegszeit wurden für uns aus aufgeribbelten Zuckersäcken Mäntel und Strümpfe gestrickt. Die haben fürchterlich gekratzt.“ Hans Kripgans (1910-1996) war von 1950 bis 1975 fester Fotograf der Lübecker Nachrichten. Eine Auswahl seiner Bilder zeigt das Buch „Hans Kripgans: Das Auge der Lübecker Nachrichten – Fotografien 1950-1959“, erschienen im Junius Verlag. Es kostet 39,90 Euro. Herausgeber Jan Zimmermann hat die Fotos ausgewählt und mit Erklärungen versehen. Weitere Bände über die 60er- und 70er-Jahre sind in Vorbereitung. Das Buch ist unter anderem im LN-Online-Shop erhältlich. Lesen Sie auch Glätte bei Schnee und Eis in SH: Zahlreiche Unfälle am Freitagabend Lübecks Jugendliche im Corona-Lockdown: Was ihnen wirklich fehlt Corona: Lübecks Grüne schlagen Einkaufszeiten nur für Senioren vor Figuren auf den gefrorenen Fenstern: Karl Achim Keusch (79) zog als Kleinkind mit der Familie aus Lübeck nach Graz in Österreich und kehrte erst als junger Mann zurück. „Die Wintermonate dort in Österreich kann man mit denen hier nicht vergleichen. Ich war so ein bisschen ein Schulschwänzer. Wenn Schnee und Eis war, bin ich einfach umgedreht und habe das als Ausrede genutzt. Das, was wir hier im Norden nur im Winter 1978 hatten, das war für uns in Graz ganz normal. Der Stadtpark war eine einzige, weiße Pracht. Wir haben Schneemänner gebaut mit einer Möhre als Nase – wenn es eine gab. Wir hatten nicht viel, mein Vater ist erst sehr spät aus der Kriegsgefangenschaft gekommen. Die Zimmer wurden nicht alle geheizt. Wir haben mit dem warmen Finger Figuren ins Eis auf den Fensterscheiben gezeichnet. Seit wir 1965 zurück nach Lübeck kamen, habe ich den Winter immer sehr genossen.“ Von Hanno Kabel