Winterdienst auf Radwegen: Lübeck testet neues Verfahren

Letztes Jahr fiel der Test aus. Es fehlte der Winter. Das ist in diesem Jahr anders. Die Entsorgungsbetriebe testen auf dem Radweg an der Brandenbaumer Landstraße ein alternatives Auftaumittel. „Der Einsatz von Formiaten im Winterdienst hat sich bewährt“, bilanziert Cornelia Tews, Sprecher der Entsorgungsbetriebe Lübeck (EBL), den Feldversuch. Formiate sind Bestandteil der Ameisensäure und werden schon seit mehreren Jahren zur Enteisung großer Flächen wie Flughäfen eingesetzt. „Der Bürgermeister wird beauftragt, den Winterdienst auf Fahrradwegen dahingehend zu verbessern, dass die Hauptrouten auch bei Schnee und Eis sicher befahrbar sind“, hatte die Bürgerschaft vor zwei Jahren beschlossen. Damit sollte unter dem Eindruck der Klimadebatte der Fahrradverkehr in der Hansestadt gefördert werden. Radfahrer müssten bei Eis und Schnee nicht mehr auf Bus oder Auto umsteigen. Seit 1987 ist Salz auf Radwegen untersagt: Der Radweg an der Brandenbaumer Landstraße wurde auch ausgewählt, weil sich Bürger im Januar 2019 über ungenügenden Winterdienst und eine glatte Wegstrecke beschwert hatten. Der Winterdienst darf seit 1987 auf Radwegen nur abstumpfende Mittel anwenden – also Sand oder Kies. Natriumchlorid ist verboten, weil es die Straßenbäume beschädigt. Formiate seien deutlich teurer als die üblichen abstumpfenden Mittel, räumen die Entsorgungsbetriebe ein. Allerdings entfallen Kosten für das Einsammeln und die Entsorgung der abstumpfenden Mittel, wenn der Winter vorbei ist. Die EBL können sich einen flächendeckenden Einsatz der Formiate auf den Radwegen vorstellen. Die Auswirkungen der Ameisensäure auf die Umwelt sei bereits untersucht worden, so die EBL. Eine dänische Studie habe die Umweltverträglichkeit nachgewiesen. Der Feldversuch werde zudem vom Bereich Stadtgrün und Verkehr überwacht. Lesen Sie auch Lübeck: So lief die erneute Räumung der Wakenitz durch die Polizei Lockerungen, Grenzkontrollen, Schulen und Kitas - Worum geht es aktuell in der der Corona-Debatte? Schnee in SH: Wetterdienst gibt Warnung für 15.02.2021 heraus Die CDU, die den Feldversuch angestoßen hat, fordert die Ausweitung des neuen Verfahrens auf allen Strecken. „Wenn der Winter vorüber ist, wird der Versuch aus wirtschaftlicher und bautechnischer Sicht detailliert ausgewertet“, sagt Aneta Wolter, stellvertretende Vorsitzende des Werkausschusses, „nach diesem erfolgreichen Projekt müssen wir uns in Lübeck auf den Weg machen und den Einsatz der Formiate auf unseren Strecken nach und nach ermöglichen.“ Die Sicherheit von Fußgängern und Radfahrern könne durch Formiate erheblich gesteigert werden. Die Entsorgungsbetriebe sind für 165 Kilometer Radwege und 60 Kilometer kombinierte Geh- und Radwege zuständig. „Derzeit sind die Radwege gut geräumt und abgestreut mit abstumpfenden Mitteln“, erklärt EBL-Sprecherin Tews, „neuer Schneefall würde dann wieder zu Einschränkung führen. Wir können nicht überall gleichzeitig sein.“ Auf Radstreifen wird Schnee von Fahrbahnen gelagert: Laut Fahrrad-Club ADFC ergibt sich ein uneinheitliches Bild zum Winterdienst auf Radwegen. In Abschnitten der Baltischen Allee seien die Radwege geräumt, berichtet der ADFC-Kreisvorsitzende Wolfgang Raabe, „die Räumung der Radwege beispielsweise in der Fackenburger Allee, am Holstentorplatz, in der Geniner Straße und in der Malmöstraße ist unbefriedigend.“ Die Radstreifen an der Untertrave und in der Kanalstraße würden zur Ablagerung von Schneeresten genutzt zu werden. Raabe: „Insgesamt ist gegenüber den Vorjahren keine Verbesserung zu sehen. Die Räumung der Kfz-Fahrbahnen erfolgt auch in diesem Winter weit ambitionierter und sorgfältiger als die der Radverkehrsflächen.“ Auch die Linke sieht den Winterdienst auf Radwegen kritisch. Hans-Jürgen Martens, Mitglied der Linken im Werkausschuss, nennt die Pisten an der Ratzeburger und Fackenburger Allee. Martens: „Der Radweg an der Brandenbaumer Landstraße ist ein Vorzeigeprojekt, sonst sieht es nicht so gut aus.“ Von Kai Dordowsky