Zentralrat der Juden zeichnet „Omas gegen rechts“ aus

Sie halten Mahnwachen gegen Rassismus vor dem Lübecker Rathaus, sie demonstrieren gemeinsam mit den Aktivisten von Fridays for Future und sie setzen Corona-Leugnern und Verschwörungserzählern etwas entgegen: Die „Omas gegen rechts“ sind ziemlich aktiv in der Hansestadt. Für ihr zivilgesellschaftliches Engagement und ihren Mut, gegen Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit auf die Straße zu gehen, wurden die „Omas“ nun vom Zentralrat der Juden mit dem Paul-Spiegel-Preis ausgezeichnet. „Wir freuen uns riesig, dass unser Engagement wahrgenommen wird“, sagt Heinke Banke aus dem Orga-Team der Gruppe. Dafür wurden die „Omas gegen rechts“ ausgezeichnet: Nicht nur die Lübecker Ortsgruppe der „Omas gegen rechts“ wurde vom Zentralrat der Juden ausgezeichnet, sondern die gesamte bundesweite Bewegung. „Die ‚Omas gegen rechts‘ bringen ihre Lebenserfahrung und ihre Zeit ein, um sich für unsere Demokratie zu engagieren. Sie setzen laut und deutlich ein Zeichen gegen den wachsenden Antisemitismus und Rassismus sowie gegen Frauenfeindlichkeit“, sagt Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Ihre Protestformen seien kreativ und modern, ihr Engagement vorbildlich. Angesichts der Corona-Pandemie ergänzte der Zentralratspräsident: „Momentan ist die politische Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen sehr erschwert. Umso wichtiger ist es für unsere Demokratie, dass die Zivilgesellschaft andere Wege wie etwa über die Social Media nutzt, um unsere politische Kultur in dieser Krise zu pflegen. Genau jetzt brauchen wir solches Engagement wie das der ‚Omas gegen rechts‘.“ Der Paul-Spiegel-Preis für Zivilcourage wird seit 2009 vom Zentralrat der Juden in Deutschland in Erinnerung an seinen früheren Präsidenten Paul Spiegel sel. A. und dessen unermüdliches Engagement gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus sowie für eine starke Bürgergesellschaft vergeben. 2018 erhielt der niedersächsische Pastor Wilfried Manneke die Auszeichnung. Der Preis ist mit 5000 Euro dotiert. Die zivilgesellschaftliche und überparteiliche Initiative ‚Omas gegen rechts‘ wurde 2018 in Deutschland gegründet nach dem Vorbild der gleichnamigen österreichischen Initiative. Sie besteht aus rund 100 Regionalgruppen und beteiligt sich an Demonstrationen gegen Antisemitismus und Rassismus und für Toleranz und Menschenwürde. Auslöser für die Gründung waren der wachsende Rechtspopulismus und Rechtsextremismus. In der Lübecker Ortsgruppe, die sich Anfang 2018 gegründet hat, sind rund 20 aktive „Omas“ und etwa 80 Menschen, die hin und wieder dabei sind. Übrigens: Nicht nur biologische Großmütter dürfen mitmachen – es sind auch Opas und Freunde willkommen. Infos gibt es unter www.omasgegenrechts-nord.de oder in der Facebook-Gruppe „Omasgegenrechts Lübeck“. Für mehr Toleranz: Das wollen die Omas gegen rechts: Schuster merkt in der Begründung der Verleihung des Preises auch an, dass die „Omas gegen rechts“ häufig angefeindet würden, sich aber nicht einschüchtern ließen. „Anfeindungen von rechts gibt es natürlich, und im Netz ist es manchmal auch recht heftig“, sagt Banke. „Aber wir stehen zu dem, was wir als Programm haben.“ Lesen Sie auch: Corona: Heiße Debatte um Glühwein-Ausschank in Lübeck Lübeck: Beltquerung - Architekten fordern kreative Ideen beim Lärmschutz Lübecker Labormitarbeiter hatte gefährliche Chemikalien in Wohnung Die „Omas“ sehen ein Erstarken des Rassismus und Antisemitismus in der Gesellschaft – und wollen dagegen ein deutliches Zeichen setzen. „Die ältere Frau als öffentliche politische Kraft ist nicht in unserem kollektiven Bewusstsein gespeichert“, sagt Banke. „Deshalb müssen Frauen öffentlich auftreten, nicht als Einzelperson und Ausnahme, nicht als Star, sondern als Gruppe, die auffällt.“ Lübecker „Omas“: „Wir bleiben nicht stumm!“: Die „Omas gegen rechts“ sind basisdemokratisch organisiert, „jede gibt das, was sie kann“. Einige von den „Omas“ sind noch von der Nazizeit geprägt. „Auch deswegen sagen wir: Die AfD muss aus dem Rathaus“, sagt Banke, die noch ein Argument hat, warum sie bei den „Omas“ mitmacht: „Warum habt ihr damals nichts gemacht? Ich möchte nicht, dass meine Enkel mich das in Zukunft fragen werden. Wir bleiben nicht stumm!“ Von Hannes Lintschnig