Zu wenige Geräte für Homeschooling? Lübecker Schulleiter Haltermann widerspricht

„Entschuldigen Sie, dass ich emotional werde.“ Dem sonst so besonnenen SPD-Politiker und Schulleiter Jörg Haltermann platzte im Schulausschuss der Bürgerschaft am Donnerstag der Kragen. „Uns steht die Diskussion bis hier“, sagte Haltermann und machte die berühmte Geste mit der rechten Hand vor dem Gesicht. Unterstützung bekam der Rektor der Schule Tremser Teich von der neuen Bildungssenatorin Monika Frank: „Die Misstrauenskultur gegenüber den Schulen ist schlicht unangemessen.“ Die neue Bildungssenatorin: „Seit Wochen wabert durch die Stadt, dass es Kinder gebe, die nicht mit einem mobilen Endgerät für das Homeschooling versorgt seien. Bei uns ist kein Fall bekannt.“ Hintergrund der Debatte: Die Wählergemeinschaft GAL fordert eine neue Abfrage an allen Schulen, ob denn nun alle Schülerinnen und Schüler mit iPads und Laptops versorgt seien. Der Schulausschuss der Bürgerschaft hat einstimmig den Plänen der Verwaltung zugestimmt, aus dem leerstehenden Karstadt-Haus ein Gebäude für die Altstadtgymnasien, Hochschulen, Start-ups und Solo-Selbstständige zu machen. „Das ist ein Pilotprojekt für die ganze Republik“, so Bildungssenatorin Monika Frank. Wie viel Geld die Stadt aufbringen muss, um das Gebäude von den Eigentümern zu erwerben, konnte die Senatorin nicht beantworten. Die Entscheidung trifft die Bürgerschaft im März. Erst vor kurzem hatte die GAL herausgefunden, dass von den 2700 mobilen Endgeräten, die die Hansestadt aus Geldern des Landes angeschafft hat, nicht alle an den Schulen verteilt worden seien. Außerdem verweist die GAL auf eine Abfrage aus dem vergangenen Spätsommer, dass 5800 Schüler Bedarf an einem Leihgerät hätten. Sie wolle kein Misstrauen schüren, sondern Bildungsgerechtigkeit herstellen, erklärte die GAL-Politikerin Katja Mentz. Schulen haben andere Sorgen als noch eine Abfrage: „Bei der ersten Abfrage haben 230 Familien, die Kinder an unserer Schule haben, Bedarf an einem Leihgerät angegeben“, berichtete Schulleiter Haltermann, „im zweiten Lockdown sind 85 von 200 Geräten tatsächlich ausgeliehen worden.“ Auch ohne eine weitere Bedarfsabfrage könne Lübeck jedem Kind ein Leihgerät zur Verfügung stellen. Haltermann: „Ich kenne keine Schule, die sagt, uns fehlen Geräte.“ Die Schulen hätten zur Zeit ganz andere Sorgen als noch eine Bedarfsabfrage. Haltermann: „Wir kämpfen jeden Tag gegen Schulschließungen – und wir müssen Wechselunterricht organisieren.“ Lesen Sie auch Impf-Stopp aufgehoben: Schleswig-Holstein verimpft wieder Astrazeneca Pressekonferenz mit Spahn, Lauterbach und RKI: „Es gibt in Europa noch nicht genug Impfstoff, um die dritte Welle zu stoppen“ "Dunkelnacht" - Interview mit der Jugendbuchautorin Kirsten Boie über ihren neuen Roman Und selbst wenn eine Schule mal kein Gerät vorrätig haben sollte, sei das kein Problem, erklärte Haltermann: „Dann kriegen die Schüler einen Nachweis mit Stempel von der Schule, dass kein Gerät zur Verfügung steht und gehen damit zum Jobcenter. Dort erhalten sie 350 Euro, um ein Gerät zu kaufen. Das ist doch super.“ Der Rektor und SPD-Politiker kündigte zugleich an, dass Lübeck in den nächsten Wochen mit Hilfe des Landes weitere 2700 mobile Endgeräte für das Homeschooling anschaffen werde. „Ab Montag können Anträge auf ein neues Sofortprogramm des Landes gestellt werden“, bestätigte der städtische Schulentwicklungsplaner Andreas Borchardt. Die Stadt werde dafür erneut die Stadtwerke-Tochter TraveKom ins Boot holen. Bildungsministerium stellt weitere 14 Millionen Euro bereit: Die Kieler Bildungsministerin Karin Prien (CDU) hatte am 26. Februar berichtet, dass von den 17 Millionen Euro aus dem ersten Sofortausstattungsprogramm mehr als 34 000 mobile Endgeräte landesweit angeschafft wurden. „Wir gehen davon aus, dass wir aus dem zusätzlichen Landesprogramm in Höhe von 14 Millionen Euro weitere 29 100 Geräte beschaffen können“, so Prien, „damit können wir dann auch alle die Schülerinnen und Schüler erreichen, die bisher noch kein Gerät auf Leihbasis erhalten haben.“ Die Fachleute der neuen Bildungssenatorin Monika Frank haben inzwischen recherchiert, warum anfangs nicht alle Endgeräte an die Kinder verteilt wurden. „Viele Schulen mussten sich zunächst auf die neue Homeschooling Situation einstellen und digitale Unterrichtskonzepte entwickeln“, heißt es, „einige Schulen haben hierfür lediglich länger gebraucht als andere und daher die Geräte erst später in Betrieb genommen.“ Gerade bei den Grundschulen seien erst einmal nur Arbeitsblätter in Papierform ausgegeben worden, so dass die Geräte anfänglich nicht benötigt wurden, um am Homeschooling teilzunehmen. Von Kai Dordowsky