Abgesagte Kreistagssitzung in NWM: 1. Stellvertreterin als Bauernopfer

Die Aufarbeitung der vor einer Woche abgesagten Kreistagssitzung, sie endete am Mittwochabend mit einem Bauernopfer. Die 1. Stellvertreterin von Kreistagspräsident Klaus Becker (CDU), die Sozialdemokratin Beatrix Bräunig, ist zurückgetreten von ihrer Funktion. Sie hatte vor einer Woche, nachdem Klaus Becker erkrankt war, erklärt, dass sie sich nicht in der Lage sehe, die Sitzung zu leiten. Die Einarbeitung in die Tagesordnung sei zu umfangreich. Nachdem auch der zweite Stellvertreter, Michael Heinze (Die Linke) nicht zu erreichen war, entschied Klaus Becker zusammen mit seiner Stellvertreterin die Sitzung abzusagen. Die Stellvertreter erhalten eine monatliche Aufwandsentschädigung von 450 Euro. Wer jetzt auf Beatrix Bräunig folgt als Stellvertreter des Präsidenten ist noch unklar. Lesen Sie auch Sitzung vom Kreistag Grevesmühlen fällt kurzfristig aus Landratswahl in Nordwestmecklenburg: Kerstin Weiss (SPD) bei Wiederwahl Landratswahl in Nordwestmecklenburg: Jörg Bendiks (Die Linke) Kunst- und Kreativbranche in NWM: 60 Millionen Euro Jahresumsatz Landratswahl in Nordwestmecklenburg: Timon Wilke (Piraten) Landratswahl in Nordwestmecklenburg: Kandidat Tino Schomann (CDU) Die Reaktionen darauf habe sie nicht ansatzweise ahnen können, heißt es in einem Schreiben von Beatrix Bräunig, in dem sie bereits am Sonntag schriftlich ihren Rücktritt einreichte. Der Wortlaut wurde am Mittwoch verlesen. Denn aus sämtlichen Fraktionen gab es heftige Kritik, zum einen an den Stellvertretern, zum anderen an der Entscheidung, die Sitzung abzusagen. Denn laut Geschäftsordnung hätte der Kreistag tagen können. Und zwar genau so, wie er es beispielsweise direkt nach einer Kommunalwahl tut, wenn es noch keinen Präsidenten und Stellvertreter gibt. Dann eröffnet das älteste Kreistagsmitglied die Sitzung, anschließend wird ein Sitzungsleiter gewählt. Christian Albeck, Fraktionsvorsitzender der SPD hatte erklärt, dass er die Sitzung vor einer Woche durchaus hätte leiten können. Doch dazu war es nicht gekommen. Erklärung von Klaus Becker dauerte nur drei Minuten: Zwar hatte Klaus Becker für die Sitzung am Mittwochabend eine Erklärung der Geschehnisse angekündigt. Wer allerdings Aufklärung erwartet hatte, der wurde enttäuscht. Gerade einmal drei Minuten dauerte die Erläuterung des Kreistagspräsidenten, der lediglich erklärte, dass er aus seiner Sicht alles richtig gemacht habe. Seine Entscheidung, die Sitzung abzusagen, sei rechtmäßig gewesen. Michael Heinze: Es ging mir saudreckig: Michael Heinze reagierte erst, nachdem Christoph Grimm (AfD) ihn persönlich aufgefordert hatte, zu erklären, weshalb der 2. Stellvertreter den ganzen Tag lang telefonisch nicht zu erreichen gewesen sei. Heinze, dessen gesundheitliche Probleme im Kreistag bekannt sind, erklärte daraufhin in der dritten Person über seine Nichterreichbarkeit: „Er hatte sein Handy an diesem Tag lautlos gestellt, weil es ihm saudreckig ging. Dass er sich hätte entschuldigen müssen, ist wohl richtig.“ Im Vorfeld der Sitzung am Mittwoch hatte es massive Rücktrittsforderungen gegeben, ein Zeichen, so ein Kreistagsmitglied gegenüber der Redaktion wäre es gewesen, wenn der Präsident zusammen mit seinen Stellvertretern zurückgetreten wäre. Doch davon war keine Rede. Präsidium soll möglicherweise eingeführt werden: Einigkeit herrschte unter den Fraktionen, dass sich solch ein Vorfall nicht wiederholen dürfe. Ob Klaus Becker mit seiner Entscheidung gegen die Geschäftsordnung verstoßen habe, das prüft derzeit das Innenministerum. Becker sowie Yann-Christoph Collin, Jurist des Kreisverwaltung, vertreten die Auffassung, dass alles richtig gelaufen sei. Das zweifeln sämtliche Fraktionen an. Inzwischen ist die Rede davon, statt eines einzelnen Kreistagspräsidenten mit seinen Stellvertretern ein Präsidium einzusetzen. Das hätte den Vorteil, dass nicht nur eine Person Entscheidungen treffen könnte. Dafür muss jedoch die Geschäftsordnung geändert werden. Von Michael Prochnow