Geständnis im Missbrauchsprozess

Mit teilweise erschütternden Details wurde gestern der Prozess gegen einen 43 Jahre alten Mann aus dem Klützer Winkel vor dem Landgericht in Schwerin fortgesetzt. Andy B. wird vorgeworfen, die heute elf Jahre alte Tochter seiner Lebensgefährtin sexuell missbraucht zu haben. Angeklagt sind insgesamt 13 Fälle, die sich zwischen Frühjahr und August 2017 ereignet haben sollen. Seit August vergangenen Jahres sitzt Andy B. in Untersuchungshaft in der JVA Bützow. Der 43-Jährige hatte zum Verhandlungsauftakt ein Geständnis angekündigt. Im Gegenzug hatte das Gericht zugesagt, dass die Haftstrafe – das Urteil wird Mitte März erwartet – fünfeinhalb Jahre nicht übersteige. Die Einlassung des Angeklagten förderte gestern Details zutage, die bei den Zuschauern und Beteiligten des Prozesses mehrfach Kopfschütteln hervorriefen. B. gab an, dass er seit etlichen Jahren Alkoholiker sei. „Zehn Bier am Tag waren normal, eine Flasche Schnaps dazu kein Problem. Manchmal waren es auch zwei Granaten.“ Gearbeitet hat er seit dem Abbruch seiner Malerlehre nicht wieder. Heute ist der korpulente Mann Frührentner, er hat aufgrund des jahrelangen Alkoholkonsums eine schwere Leberzirrhose, Diabetes, Herzprobleme und eine kaputte Lunge. Vier Kinder hat er aus früheren Beziehungen, ein Sohn starb im Januar, während er in U-Haft saß, bei einem Autounfall. Mit der Mutter des missbrauchten Mädchens lebte er seit 2009 in einem Dorf im Klützer Winkel zusammen. Alkohol, so stellte es sich während seiner Einlassung heraus, bestimmte den Tagesablauf des Angeklagten. Während die Mutter arbeitete, kümmerte sich der 43-Jährige nach eigenen Angaben um den Haushalt und das Mädchen. „Aber es waren auch meistens immer ein paar Kumpel zum Trinken da.“ Einer von ihnen habe anzügliche Bemerkungen in Richtung des Mädchens gemacht, so Andy B. „Das fand sie nicht gut.“ Bei einem der Männer habe sie auch übernachtet. Was dort passierte, darüber gibt es mehrere Versionen. Laut Andy B. habe der Vater dort das Mädchen unsittlich berührt. Andy B. ging im Sommer 2017 zur Polizei und zeigte ihn an – zu einem Zeitpunkt, zu dem er die Zehnjährige selbst missbrauchte. Laut Anklage hatte er dem Mädchen gedroht, er würde ihre Katze töten, um sie gefügig zu machen. Andy B. schilderte die Situationen aus seiner Sicht als harmlose Spielerei. „Weil ich morgens getrunken habe, habe ich immer Mittagsschlaf gemacht, sie hat dann Playstation gespielt und ich habe mich an sie gekuschelt.“ Ob er denn geglaubt habe, dass das Mädchen das wollte, lautete die Frage des Gerichts gestern. „Nee, ich glaub’ nicht.“ Aber er habe sich auch keine Gedanken gemacht. „Ich hab’ ja immer getrunken.“ Die Mutter des Mädchens habe laut Andy B. über den Missbrauch Bescheid gewusst. Laut Aktenlage hat sie ihren Lebensgefährten im Schlafzimmer sogar dabei überrascht. „Sie hat gesagt, ich soll damit aufhören.“ Aber das tat er nicht. Bis zu seiner Festnahme im August musste das Mädchen, das inzwischen in einer Wohngruppe lebt, das Martyrium über sich ergehen lassen. Die 13 angeklagten Taten sind vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Doch das Gericht will dem Opfer und deren Mutter die Aussage im Zeugenstand ersparen. Die Angaben des missbrauchten Mädchens wurde per Videoaufzeichnung vor Gericht abgespielt – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. B. erklärte, dass er Sex mit seiner Lebensgefährtin gehabt habe. „Die andere Sache wollte ich nur mal ausprobieren“, antwortete er auf die Frage, weshalb er sich an der kleinen Tochter vergangen habe. Er habe mit dem Mädchen immer zusammen in der Badewanne gesessen. „Ihr hat das gefallen.“ Gedanken über die Folgen hat er sich offenbar nicht gemacht. Als er vor Gericht gefragt wird, wie weit entwickelt das Mädchen gewesen sei, antwortet er: „Sie hat schon alles, was eine Frau haben muss.“ Das Mädchen war zehn Jahre alt, als die Polizei Andy B. abholte. Jetzt drohen ihm mehr als fünf Jahre Gefängnis. Und eine Therapie. Nachdem er zum Verhandlungsauftakt noch erklärt hatte, dass er ohne medizinische Hilfe auskäme, räumte er gestern ein, dass er „es ja mal versuchen könnte mit einer Therapie“. Wie sich auf Nachfrage des Vorsitzenden Richters herausstellte, hatte ihm sein Zellenkollege dazu geraten. Der Grund: Eine Therapie wirkt sich auf die Haftzeit aus. Michael Prochnow

Schwerin - Geständnis im Missbrauchsprozess