Sülsdorfer seit 65 Jahren verheiratet: „Auch Streit gehört zur Ehe“

Sie stammt aus dem Sudetenland, er aus Ostpreußen. Die Wirren der Nachkriegszeit führte die beiden nach Sülsdorf in Mecklenburg. Hier lernten sie sich kennen, hier fanden sie Gefallen aneinander, hier feierten sie ihre Hochzeit. Jetzt sind Annemarie und Franz Fuhrmeister seit 65 Jahren verheiratet. Ihre Eiserne Hochzeit feierten sie am Dienstag in ihrem Heimatort. 1976 kauften sie das Haus, in dem sie heute wohnen. Sie leben gerne in dem idyllisch gelegenen Ortsteil der Gemeinde Selmsdorf. „Von der Reisetruppe sind wir nicht.“: Was heute gang und gäbe ist, wäre den beiden nie eingefallen: nach kurzer Zeit wegziehen. „Von der Reisetruppe sind wir nicht“, sagt Franz Fuhrmeister. Er und seine Frau sind auch nicht von der Schauspieltruppe. Die beiden sind bodenständig, ungekünstelt, geradeaus und humorvoll. Der Wahlspruch für ihre Diamantene Hochzeit lautete: „Eine gute Ehe beruht auf dem Talent der Freundschaft.“ Tochter Christel Schlender ergänzt: „Die Liebe ist das Zauberwort für alles in der Ehe.“ Aber auch die beiden Sülsdorfer waren nicht das ideale Paar, das nur in Rosamunde-Pilcher-Filmen und Groschenromanen existiert. Franz Fuhrmeister sagt: „Streit gibt’s in jeder Ehe. Wer etwas anderes sagt, der lügt.“ Hinterher fand das Paar wieder zusammen. Vor allem für die Kinder waren die beiden immer da. Das Paar hat drei Töchter und einen Sohn. Zwei Kinder wohnen in der Gemeinde Selmsdorf, eines in Richtenberg (Landkreis Vorpommern-Rügen). Die älteste Tochter lebt in Baden-Württemberg. Geheiratet haben Annemarie und Franz Fuhrmeister am 25. Februar 1955. Es war eine Zeit, die noch geprägt war von den Folgen des Zweiten Weltkriegs und in der die Teilung zwischen Ost- und Westdeutschland immer klarer wurde. 1955 verhalf Bundeskanzler Konrad Adenauer 10 000 deutschen Soldaten, die sie sich immer noch in sowjetischer Gefangenschaft befanden, zur Rückkehr nach Hause. Im selben Jahr trat die BRD der NATO bei – und die DDR dem Warschauer Pakt. Die Deutschen in Ostpreußen, dem Sudetenland und anderen ehemaligen Ostgebieten hatten ihre Heimat 1955 längst verloren. Sie wurden vertrieben. 25 Einwohner eines Ortes in Ostpreußen kamen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Sülsdorf. Vor dem Zuzug von Vertriebenen hatte der Ort 149 Einwohner. 1946 waren es 279. Vom Standesamt in die Kirche: Franz und Annemarie Fuhrmeister heirateten am 25. Februar 1955 im benachbarten Selmsdorf. Fünf Jahre zuvor war Sülsdorf mit den Gemeinden Selmsdorf, Lauen, Teschow und Zarnewenz zur Gemeinde Selmsdorf zusammengelegt worden. Seinen ersten Hochzeitstermin hatte das Paar im Standesamt in der Hinterstraße – in dem Gebäude, das heute ein Kindergarten ist. Die Trauung war gleich auf der gegenüberliegenden Straßenseite in der Kirche. Werner Henning war damals Pastor in Selmsdorf. Er stammte aus Brunau, einem Dorf im westpreußischen Bezirk Danzig. Paare, die lange zusammenbleiben, können viele Jubiläen feiern. Hier eine Auswahl: erster Hochzeitstag – Papierne Hochzeit, zweiter Hochzeitstag – Baumwollene Hochzeit, dritter Hochzeitstag – Lederne Hochzeit, vierter Hochzeitstag – Seidenhochzeit, fünfter Hochzeitstag – Hölzerne Hochzeit, zehnter Hochzeitstag –Rosenhochzeit, 15. Hochzeitstag – Veilchenhochzeit, 20. Hochzeitstag – Porzellanhochzeit, 25. Hochzeitstag – Silberhochzeit, 30. Hochzeitstag – Perlenhochzeit, 40. Hochzeitstag – Rubinhochzeit, 50. Hochzeitstag – Goldene Hochzeit, 60. Hochzeitstag – Diamantene Hochzeit, 65. Hochzeitstag – Eiserne Hochzeit, 75. Hochzeitstag – Kronjuwelenhochzeit, 80. Hochzeitstag – Eichenhochzeit, 85. Hochzeitstag – Engelshochzeit. Bisheriger Rekord in Deutschland: 77 Jahre. Den Weltrekord stellte ein britisches Paar indischer Herkunft 2016 auf. Es war 90 Jahre verheiratet. Dann trennte der Tod das Paar. Nach der Trauung fuhr das Hochzeitspaar mit seinen Gästen zurück nach Sülsdorf. Franz Fuhrmeister erklärt: „Hier gab es ja eine Gaststätte.“ Der Sülsdorfer Johann Joachim Wiencke baute das Haus 1880, um das Lokal Schönhorst und einen Krämerladen zu betreiben. Von einem 15 Meter hohen Aussichtsturm aus konnten die Gäste bei klarem Wetter bis Travemünde sehen. 1948 erbte Elsa Blomberg das Haus. Ende der 50er-Jahre wurde das Lokal geschlossen. Eine Konsum-Verkaufsstelle blieb bis 1978 geöffnet. „Der Tisch war immer gedeckt.“: Bereits am 1. Mai 1953 gründete sich in Sülsdorf eine Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft. Annemarie Fuhrmeister arbeitete zehn Jahre für die LPG, ihr Mann bis kurz nach der Wende, als die Genossenschaft aufgelöst wurde. Ehrenamtlich engagierte er sich als Feuerwehrmann. Sie wollte eigentlich Schneiderin werden, er Bäcker. Doch die Umstände ließen es nicht zu. Arbeit in der Landwirtschaft war zu erledigen. Franz Fuhrmeister sagt: „Es ist doch ein schöner Beruf. Es wird geschaffen, was wir zum Leben brauchen.“ Nebenbei betrieb das Paar eine kleine eigene Landwirtschaft. „Der Tisch war immer gedeckt“, sagt Franz Fuhrmeister und schmunzelt. Über den Autor Lesen Sie auch: Grevesmühlen: 65 gemeinsame Jahre Elli und Günter Rohloff aus Wismar sind 65 Jahre verheiratet Von Jürgen Lenz

Jubiläen - Sülsdorfer seit 65 Jahren verheiratet: „Auch Streit gehört zur Ehe“