senioren im grevesmühlener awo-heim - abgeschirmt aber beschützt

Manch einem der 72 Senioren, die im AWO-Heim in Grevesmühlen leben, machen die Nachrichten derzeit Angst. „Es sind aber nicht nur die Nachrichten.“, sagt Marlis Rackow, die das Seniorenzentrum leitet. „Es ist auch diese ungewöhnliche Ruhe und die fehlenden Verwandtenbesuche. Manche unserer Bewohner fühlen sich an Kriegszeiten erinnert.“ Eine Aufgabe der Heim-Mitarbeiter in diesen Wochen sei es, so Rackow weiter, die Sorgen der alten Menschen im persönlichen Gespräch zu entkräften. Ruhe ist das Beste in so einer Situation: Lilli Schmidt (91) lebt noch nicht lange in dem Heim am Wasserturm in Grevesmühlen. Sie hat keine Angst, sagt sie – und: „Es geht mir soweit gut.“ Sie gehört zu den Bewohnern, die andere Mitbewohner beruhigen. An Kriegszeiten fühlt sie sich nicht erinnert. „Das war doch noch eine ganz andere Situation damals.“, sagt sie. Dass es dennoch eine schwierige Zeit ist, ist ihr dabei klar. „Ich will anderen Mut zusprechen, weil wir im Moment keine Hektik brauchen. Ruhe ist das Beste in so einer Situation.“ Die Seniorin, deren Schwester auch im Seniorenheim lebt, verfolgt die Nachrichten aufmerksam. Besonders das tägliche Zeitungslesen, sagt sie, sei jetzt noch wichtiger als sonst. Froh sei sie, dass sich die Fallzahlen in Nordwestmecklenburg noch in Grenzen hielten, und dass noch keiner der Betreuer und Therapeuten im Seniorenzentrum von Corona betroffen ist. „So etwas, was in anderen Seniorenheimen im Süden passiert, das wäre das Schlimmste.“ Heimleitung, Pflegemitarbeiter und das Team der Ergotherapeuten, sagt Lilli Schmidt, bemühten sich in diesen Zeiten, wo vieles, was sonst normal ist, wegfällt, noch einmal besonders. Keine Friseurbesuche, kein selbstständiges Einkaufen für die, die es noch können, keine Pastorenbesuche, keine Gottesdienste, keine gemeinsamen Veranstaltungen aller Heimbewohner. „Dennoch, ich fühle mich auch jetzt gut betreut und beschützt.“, sagt sie. Kinder und Enkel riefen regelmäßig an. Dass das Kontaktverbot zu Angehörigen besteht, versteht die Seniorin. „Wenn hier etwas von außen hinein käme, wäre das eine Katastrophe.“ Heimleiterin Rackow berichtet, dass auch ihr Telefon in diesen Zeiten kaum stillsteht. Angehörige rufen an, fragen, was sie noch dürfen und was nicht. Viele gehen einkaufen für ihre Eltern oder Großeltern, bringen kleine Geschenke und Aufmerksamkeiten vorbei. Die werden am Eingang des Seniorenheims abgegeben und den Senioren und Seniorinnen überreicht. Marlis Rackow, Leiterin des AWO-Seniorenzentrums in Grevesmühlen, richtet eine Bitte an die Kinder und Jugendlichen im Landkreis, die zurzeit nicht in die Kitas und in die Schulen gehen: „Wenn ihr Langeweile habt, dann zeichnet doch ein schönes Bild, vielleicht vom Frühling oder vom Osterhasen, oder was auch immer euch selbst erfreut in diesen Tagen und schickt es mit einem lieben Gruß an unsere oder auch an andere Heimbewohner in der Region. Auch wer ein Gedicht schreiben möchte oder eine kleine Geschichte zu Ostern, – alte Menschen, die derzeit nicht besucht werden können, freuen sich über jeden ermunternden Zuspruch.“ Tulpen-Frühlingsgruß vom Blumenhaus Koth: Eine große Überraschung erzählt die Leiterin der Ergotherapie, Grit Dohme-Radtke, erreichte die Senioren kürzlich. Christina Schulz vom Blumenhaus Koth in Grevesmühlen sandte einen leuchtenden Frühlingsgruß in das Seniorenheim. „Wenn die Senioren jetzt schon im Haus bleiben müssen und nicht raus gehen können“, erklärte die freundliche Blumenhändlerin, „dann sollte doch der Frühling wenigstens zu ihnen kommen.“ 200 Tulpen, die überall im Heim verteilt wurden, erfreuen nun das Herz der AWO-Senioren. Komplett auf Frühling müssen die AWO-Senioren derzeit dennoch nicht verzichten. Zum Seniorenheim gehört ein abgezäuntes Freiluft-Areal hinter dem Haus. Dort können die Betagten tagsüber ein wenig spazieren gehen, allerdings jeweils immer nur ein Heimbewohner plus ein Betreuer. Abstand muss in Corona-Zeiten immer gewahrt bleiben. Auch innerhalb des Heimes wird darauf geachtet. Die Senioren müssen in ihren jeweiligen Wohnbereiche verbleiben. Dass im Falle eines Falles, – beim Auftreten einer Erkältung oder Corona-Infektion –, jeder sein eigenes Zimmer hat, sagt Ergotherapie-Chefin Grit Dohme-Radkte ist in diesen Zeiten auch von Vorteil. Eine Ablenkung wird den abgeschirmten Senioren derzeit auch durch einen Aufruf der Arbeiterwohlfahrt zuteil, der an die gesamte Bundesrepublik ging. Briefe schreiben in Corona-Zeiten, um alten Menschen, die sich einsam fühlen, Zuspruch zukommen zu lassen. „Wir haben bereits einige Briefe erhalten“, berichtet Dohme-Radkte. Diese Briefe zu lesen und zu beantworten, ist etwas, was die Senioren im Grevesmühlener AWO-Heim, die dazu noch in der Lage sind, derzeit auch auf gute Weise ablenkt und beschäftigt. Lesen Sie, wie es anderen Senioren in und außerhalb von Pflegeeinrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern in Corona-Zeiten geht: 100. Geburtstag in Zeiten von Corona – Zingster Pflegeheim ersetzt Familie Vorpommern-Greifswald: Erster Coronafall in Altenheim Wismarer Pflegedienstleiterin: Ältere Paare haben es schwer Die Alten isolieren? Was kommt nach dem Shutdown? Corona-Krise trifft alte Menschen besonders hart Von Annett Meinke

Corona-Krise - Senioren im Grevesmühlener AWO-Heim: Abgeschirmt – aber beschützt