Abenteuer: Was Haffkrug und Venezuela verbindet

Ein abenteuerlustiger Ingenieur, eine Eisenbahnlinie, die Natur und eine große Liebe: Das sind die Zutaten zu einer Geschichte über besondere Beziehungen zwischen Haffkrug und Venezuela. Sie beginnt mit dem Haffkruger Gustav Knoop (1855 – 1925), und zu erzählen weiß sie heute sein Urenkel, der Haffkruger Dorfvorsteher Helmut Kurth. Vom Fischerdorf nach Südamerika: Von Reisen in ferne Länder können die meisten Zeitgenossen derzeit nur träumen, aber das ist ja immerhin etwas. Zum Beispiel von Venezuela. Auch dort sind Januar und Februar die kältesten Monate – mit einer Tagestemperatur von etwa 26 Grad, acht bis neun Sonnenstunden täglich und drei bis vier Regentagen monatlich. Gerade für Menschen aus Haffkrug ist das Land im Norden Südamerikas aber noch aus einem anderen Grund interessant: Ein Ingenieur aus dem ostholsteinischen Fischerdorf hat dort deutliche Spuren hinterlassen. 1855 kam Gustav Adolf Knoop in Haffkrug zur Welt. Seine Familie betrieb das bekannte Elisabethbad auf dem heutigen Gelände des Senioren-Ferienhauses, wo ab 1813 mit dem Aufstellen von Badekarren der Badebetrieb eingeläutet wurde. Gustav Knoop hatte jedoch anderes im Sinn, berichtet sein Urenkel Helmut Kurth, heute Dorfvorsteher von Haffkrug. „Nach jahrelangen, vergeblichen Bemühungen um eine direkte Bahnverbindung für Haffkrug verließ er nach seinem Ingenieurstudium in Dresden und einigen Jahren beim Bauamt in Chemnitz seine Heimat“, sagt Helmut Kurth über seinen Urgroßvater. „Don Gustavo“ baute die Eisenbahnlinie Caracas-Valencia: Zunächst ging Gustav Knoop nach Mexiko, 1891 dann nach Venezuela. Dort sollte er für die erste Eisenbahnlinie zwischen der Hauptstadt Caracas und der westlich davon gelegenen Stadt Valencia bauen. „Eine schwierige Aufgabe“, erklärt Helmut Kurth. „Über 25 Stationen und 80 Tunnel mussten auf der 178 Kilometer langen, gebirgigen Strecke errichtet werden.“ Doch es gelang, und nach der Fertigstellung wirkte „Don Gustavo“ 27 Jahre lang als Direktor der venezolanischen Eisenbahngesellschaft „Gran Ferrocarril“. „Er nutzte diese lange Zeit, um entlang der Bahnstationen zwischen Valencia und Caracas größere Ländereien aufzukaufen“, sagt der Haffkruger Dorfvorsteher. Gustav Knoop habe einerseits Gewerbegebiete, andererseits aber auch Grünflächen mit seltenen tropischen Pflanzen und Bäumen anlegen lassen, um die von den Bauarbeiten betroffenen Gebiete wieder aufzuforsten. „So entstand um die Bahnstation Los Teques, etwa eine Autostunde von Caracas entfernt, ein wunderbarer Park, der den Namen ,Parque de Knoop’ erhielt“, erläutert Helmut Kurth. 1923 wurde der „Parque de Knoop“ eingeweiht: Den Park gibt es noch heute, laut einem Wikipedia-Eintrag ist er zwölf Hektar groß und 1923 eingeweiht worden – in dem Jahr, in dem Gustav Knoop nach Haffkrug zurückkehrte. Für seinen Einsatz für die Natur und für seine Bemühungen um die deutsch-venezolanischen Beziehungen habe Gustav Knoop zahlreiche Auszeichnungen erhalten, berichtet Helmut Kurth. „Leider blieben ihm nach seiner Rückkehr nach Haffkrug nur noch zwei Jahre bis zu seinem Tod.“ Doch auch Jahrzehnte später wollten Gustav Knoops Weggefährten die Erinnerung an ihn wachhalten und stellten deshalb 1972 in „seinem“ Park eine Bronzebüste für den „Naturschützer und Freund der Bäume“ auf. Im Park wachsen unter anderem zahlreiche Honigpalmen, deren Früchte, die „Mini-Kokosnüsse“, begehrt sind und die dem Areal den Beinamen „Parque Los Coquitos“ eingebracht haben. Auf dem Video-Portal Youtube findet sich sogar ein sechsminütiger Film, der bei einem Spaziergang im Park vor 48 Jahren gedreht wurde: Und damit endet die Geschichte der besonderen Beziehungen zwischen Haffkrug und Venezuela auch noch nicht. Denn Urenkel Helmut Kurth lernte an der Hamburger Universität die Venezolanerin Marisela Consolani kennen. Sie heirateten 1978 – standesamtlich in Scharbeutz und kirchlich in Caracas. Nach der kirchlichen Trauung in Caracas habe das junge Paar damals das Eisenbahnmuseum besucht, wo Gustav Knoop einen festen Platz als „Gründungsvater der deutsch-venezolanischen Beziehungen“ habe, berichtet Helmut Kurth. Die frisch Verheirateten fuhren auch in den „Parque de Knoop“ nahe Los Teques, besichtigten dort ein Teilstück der alten Eisenbahntrasse. Das Ehepaar Kurth wohnt heute im Haffkruger Knoopsweg: In Haffkrug erinnert der Knoopsweg, der von der Bahnhofstraße abzweigt, an die Familie. Dort wohnen auch, wie sollte es anders sein, Marisela und Helmut Kurth, nachdem sie mehrere Jahrzehnte im Ausland lebten. Marisela Kurth hat sich längst einen Namen als Künstlerin weit über die Ostseeküste hinaus gemacht, und Helmut Kurth setzt sich als Dorfvorsteher für die Belange der Haffkruger ein. Mit der Geschichte seines Urgroßvaters hat sich Helmut Kurth jetzt anlässlich der schweren Krise in Venezuela noch einmal auseinandergesetzt. „Ein Autokrat stürzt Venezuela täglich tiefer in den Abgrund, Millionen Flüchtlinge haben das Land verlassen“, sagt Helmut Kurth. „Da könnte die Geschichte zeigen, dass es auch noch andere Bilder dieses Landes gibt.“ So erinnert er an einen Artikel in der Tageszeitung „El Universal“ anlässlich seiner Hochzeit: Darin stand, dass diese Ehe kein Zufall, sondern auf das Wirken der Vorfahren der jungen Leute zurückzuführen sei. „Wenn dem so sein sollte, ist die Erinnerung an ,Don Gustavo’ doppelt wertvoll“, meint Helmut Kurth. Von Sabine Latzel