Autodisco wegen Corona: So feiert Ostholsteins Partyvolk auf dem Acker

Gut besucht war die erste Autodisco in Ostholstein am Sonnabend auf Gut Sierhagen. 120 Wagen parkten dafür auf der Wiese, die Gäste feierten – etwas verhalten und natürlich im Sitzen, aber sie feierten. Heute Abend soll die zweite Party dieser Art steigen. Korrekte Park-Reihen auf der grünen Wiese: „Wer als Erster links blinkt, bekommt eine Eintrittskarte für morgen!“: Es ist eine ungewöhnliche Verlosung, die DJ Florian Stolz lautstark per Mikrofon verkündet, aber an diesem Abend ist ohnehin nichts gewöhnlich. Stolz blickt von seinem DJ-Turm über eine weite Wiese, auf der 120 Wagen in korrekten Reihen stehen. Darin sitzen Menschen und wippen zur Musik. Draußen spazieren unentwegt Ordner übers Gras und passen auf, dass keiner einfach so aussteigt und herumsteht. Willkommen zur ersten Autodisco auf dem Gut Sierhagen im Kreis Ostholstein. Die erste Veranstaltung dieser Art stieg in Schleswig-Holstein an Himmelfahrt im Trittauer „Fun-Parc“. Zu diesem Zeitpunkt war auch die Idee zur Pkw-Party auf Gut Sierhagen nahe Neustadt längt geboren, berichten die Organisatoren. Neben Florian Stolz, der im Mai normalerweise auf Hochzeiten auflegen würde, sind das der Club-DJ Johannes Stauch, der Veranstaltungstechniker René Becker und Alexander Seher, Inhaber der Disco „Basement“ in Plön. Bei „Johnny Däpp“ kommt die Auto-Gemeinde in Schwung: „Hupt nicht zu viel, sonst dürfen wir morgen nicht mehr aufmachen“, ermahnt der DJ seine Gäste. Die haben zunächst etwas ratlos aus den Autofenstern geblickt, als dächten sie darüber nach, was ihnen die Corona-Krise genommen hat. Aber jetzt werden sie langsam warm. Schnelle House-Klänge hämmern über die Wiese, ein Wäldchen und Felder – und aus den Autoradios, die entsprechende Frequenz ist beim Einlass verteilt worden. Bunte Scheinwerfer funkeln, als Spezialeffekte schießen vom Turm aus regelmäßig Feuer und Kunstnebel in den sanftblauen Himmel. Mallorca-Hits bringen die im Sitzen Feiernden weiter in Wallung, bei Lorenz Büffels „Johnny Däpp“ grölen die meisten mit, ebenso bei „Mama Laudaa“ vom Almklausi. „Macht schon Spaß“, sagen Luna und Jona, die ihren Kleinwagen mit Lichterketten geschmückt haben. Natürlich sei der Abend im Auto nicht mit einer normalen Disco-Nacht zu vergleichen, „aber besser als nichts“. Und tanzen könnten sie immerhin auf dem Weg zum Toilettenwagen, denn für dessen Besuch dürfen die Gäste ihre Fahrzeuge verlassen – mit Nasen-Mund-Schutz. „Ist doch gemütlich hier“, findet Fabian, der sich mit seinem Kumpel Tim im großzügig geschnittenen Camper eingerichtet hat: Klappstühle, Füße hoch, Erfrischungsgetränke, und Pizza gab es auch. „Besser, als nur zu Hause vor dem Fernseher zu sitzen“, stellt Tim fest. Ein Querschnitt durch den internationalen Fahrzeugmarkt: Getränke können sich die Besucher bei einer Dame mit klassischem Bauchladen auch ans Auto bringen lassen. Die Cocktails – alkoholfreie sind auch dabei – schimmern fertig abgefüllt in Glasflaschen. Anna Kleinschmidt zieht mit einem Bollerwagen umher und verkauf Bling-Bling-Accessoires: Papphüte, Haarkränze, Leuchtstäbe. Üblicherweise macht sie das auf Festivals von Wacken bis „Ostsee in Flammen“. Heute ist sie froh, „dass ich etwas zu tun habe“. Die Gäste greifen gern zu, dekorieren sich und ihre Fahrzeuge, bei denen vom abgerockten Kleinwagen bis zum aufgemotzten Poser-Schlitten alles vertreten ist, was der internationale Fahrzeugmarkt zu bieten hat. Nur die Klasse der sehr teuren Sportwagen fehlt. Dabei ist die Autodisco doch die seltene Gelegenheit, mal zu zeigen, was man so fährt, ohne am Tresen aufwendig-auffällig mit dem Autoschlüssel herumhantieren zu müssen. Aber zum Angeben ist offenbar niemand hergekommen, eher schon, um endlich mal wieder in der „Disco“ zu rauchen, denn das kann einem auch in der Corona-Krise im eigenen Gefährt keiner verbieten. Jetzt erklingt passenderweise Herbert Grönemeyers Stau-Hymne „Mambo“, die Pkw schaukeln. Veranstalter wollen zumindest kostendeckend arbeiten: Bis zu 350 Wagen können auf der Disco-Wiese Platz finden. Um die 10 000 Euro kosten die beiden Abende des Sitz-Spektakels die Veranstalter, sagen sie, vor allem Bühne und Equipment seien teuer. „Wir wollen kein Geld verdienen, aber diese Kosten decken“, erklärt Florian Stolz. Möglich gemacht hätten das Ganze vor allem die vielen freiwilligen Helfer, die den Ordner-Dienst übernehmen, einige Sponsoren und der Eigentümer des Gutes, Carl-Christian Graf von Scheel-Plessen, der bereitwillig den „Acker“ zu Verfügung gestellt habe. Diese Fläche hätte im Mai auch ohne Corona als Parkplatz gedient, und zwar während des Frühlingsfestivals „Ambienta“, das vom 21. bis 24. Mai hätte stattfinden sollen. „Lasst uns Corona für ein paar Stunden vergessen“, fordern die DJs immer wieder, aber das ist schwer, denn ohne Corona würde wohl niemand die Autodisco feiern. „Überraschend gut“ finden das trotz allem Yannick und Max, auf deren Armaturenbrett sich bereits eine stattliche Anzahl leerer Schnapsfläschchen befindet. Nein, keiner von ihnen werde noch fahren: „Einer von den Ordnern parkt das Auto nachher um, und wir schlafen im Wagen.“ Irgendetwas von Scooter wummert aus den Lautsprechern, Yannick und Max recken die Arme aus den Fenstern. „Morgen kommen wir wieder!“ Karten für die Autodisco am Pfingstsonntag, 31. Mai, auf Gut Sierhagen kosten im Vorverkauf 24 Euro und an der Abendkasse 30 Euro. Erhältlich sind die Tickets über die Internetseite www.oneunite.de. Lesen Sie auch: Alles Wichtige rund um Ostholsteins erste Autodisco an Pfingsten Auto-Disco lockte Partygänger nach Trittau Trotz Corona: Neustädter DJs planen Autodisco zu Pfingsten Von Sabine Latzel

Gut Sierhagen - Autodisco: So feiert Ostholsteins Partyvolk auf dem Acker