Bad Oldesloe: Twittergewitter zum Tag des Notrufs in der Rettungsleitstelle Bad Oldesloe

Vor 30 Jahren wurde die Notrufnummer 112 in Deutschland eingeführt, mittlerweile gilt sie einheitlich in allen EU-Staaten. Und sie ist kostenlos. Das wollte sich am Donnerstag auch ein Mann zunutze machen, als er in der Rettungsleitstelle Bad Oldesloe anrief und mit Verweis auf sein Handy-Guthaben nach einer Telefonnummer fragte. Die rund 40 Mitarbeiter, die in Gebäude B der Stormarner Kreisverwaltung Rettungseinsätze in den drei Kreisen Stormarn, Herzogtum Lauenburg und Ostholstein koordinieren, sind jedoch natürlich keine Telefonauskunft. In diesem Fall blieb es bei einer Ermahnung, bei Missbrauch des Notrufs können jedoch auch – je nach Ausmaß – harte Strafen verhängt werden. Seit 2009 ist der 11. Februar (wegen der Nummer 112) der europäische Tag des Notrufs, am Donnerstag öffnete auch die Oldesloer Leitstelle virtuell ihre Türen und machte zwölf Stunden lang von 7 bis 19 Uhr beim sogenannten Twittergewitter mit. Das heißt, die Einsatzmeldungen waren bei Twitter und den anderen Digitalkanälen der Integrierten Rettungsleitstelle (IRLS) Süd – so der offizielle Name – frei zu lesen. Reanimation am Telefon angeleitet: Schon um 7 Uhr war dort nachzulesen, dass es allein in der Nacht 80 Einsätze in den drei Kreisen gegeben hatte. Über Tag stünden zudem 70 Krankentransporte an. Soweit der planbare Teil. Alle anderen Einsätze müssen in Sekundenschnelle erfasst und koordiniert werden. Dafür sind die Disponenten entsprechend geschult, viele haben langjährige Erfahrungen im Rettungsdienst. In Bad Oldesloe sitzen sie an Hightech-Arbeitsplätzen mit jeweils mehreren Bildschirmen. In Corona-Zeiten wird dort noch mehr Wert auf Sicherheit und Hygiene als ohnehin schon gelegt. Die Leitstelle ist an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr besetzt, gearbeitet wird im Drei-Schichten-Betrieb. Bereits früh am Tag wurde die ganze Bandbreite der Einsätze und die Vielseitigkeit des Jobs deutlich: In einem Hotel in Reinbek etwa fingen zwei Batterien eines Notstromsystems an zu qualmen, in Lauenburg blieb eine Person in einem Aufzug stecken, in Heiligenhafen klagte jemand über schwere Atemnot, in Bad Schwartau wurde eine hilflose Person hinter verschlossener Wohnungstür gemeldet, und in Geesthacht kam es zu einem Unfall von einem Pkw mit einem Radfahrer. Ein Anrufer meldete sogar eine leblose Person. Da leitete der Disponent am Telefon die Reanimation durch den Ersthelfer an, bis der Rettungsdienst vor Ort war. In Bliestorf gab es einen Verdacht auf einen Schlaganfall. „Time is brain“, hieß es dazu aus der Leitstelle und erinnerte daran, in so einem Fall unverzüglich den Notruf zu wählen. Da komme es auf jede Sekunde an. Einsatz in der Arztpraxis: Sogar in Arztpraxen kommen die Rettungsassistenten und -sanitäter zum Einsatz, am Donnerstagmorgen wurden sie unter anderem nach Fehmarn (internistischer Notfall), Großhansdorf und Nusse (Armfraktur) gerufen. Und in Timmendorfer Strand war jemand in einer Bäckerei gestürzt. „Das Frühstück fällt nun aus“, hieß es dazu etwas flapsig im Oldesloer Twittergewitter. Die Kollegen des Social-Media-Teams flochten – bei aller notwendigen Ernsthaftigkeit – auch mal einen lockeren Spruch ein. Zum Beispiel bei dem Mann, der nur mit einem Bademantel bekleidet durch den Schnee stapfte („bei dem Wetter sicher keine angemessene Kleidung“); oder bei dem Arbeiter, der stark schwitzend in einem Bauwagen in Bad Oldesloe saß („kann bei den Temperaturen nicht richtig sein“); oder bei dem Arbeitsunfall in Büchen, bei dem eine Ameise über den Fuß eines Mannes gelaufen war. Gemeint war die E-Ameise, ein Flurförderfahrzeug. 300 Anrufe in dreieinhalb Stunden: Allein bis 10.30 Uhr nahm die 4. Wachabteilung der Leitstelle innerhalb von dreieinhalb Stunden 300 Anrufe entgegen, aus denen dann 210 Einsätze resultierten. Bis zum Nachmittag waren gut 700 Anrufer bei 375 Einsätzen. Denn nicht alles waren Notfälle, „oft gibt es aber auch mehrere Anrufe zu einem Notfall oder Anfragen zu Krankentransporten“, erklärte Disponent Sebastian Wenk. Bis zum Nachmittag kamen unter anderem noch ein Autobahn-Unfall bei Barsbüttel hinzu, eine brennende Waschmaschine in Groß Grönau, tatsächlich mehrere Schlaganfälle, ein vom Baum gefallenes Kind in einem Ahrensburger Kindergarten, ein auf dem Ratzeburger See festgefrorener Schwan, von einem Kind verschlucktes Spülmittel, diverse piepende Rauchmelder sowie wetter- oder alkoholbedingte Stürze. Außerdem wurde nochmals dringend davor gewarnt, Eisflächen zu betreten. An jedem Einsatz beteiligt sind natürlich auch stets die vielen haupt- und ehrenamtlichen Rettungskräfte vor Ort. Darauf wies Stormarns Landrat Henning Görtz explizit hin, als er die Mitarbeiter der Leitstelle besuchte. „Wir beteiligen uns sehr gerne am Tag des Notrufs, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig die Nummer 112 ist. An 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche sorgen nicht nur die Mitarbeiter der Leitstelle, sondern auch die Kräfte des Rettungsdienstes und der Feuerwehren für unser aller Sicherheit.“ Für diese Einsatzbereitschaft wolle er einmal „danke“ sagen, so Henning Görtz. Mit dem Tag des Notrufes könne man den Bürgern deutlich machen, was hier jeden Tag geleistet wird. Neubau der Leitstelle in Bad Oldesloe: Im Jahr 2020 wurden von der Rettungsleitstelle rund 167 000 Einsätze disponiert. Sie ist zuständig für die Sicherheit von fast 670 000 Einwohnern. Weil auch 200 Kilometer Ostseeküste zum Einsatzgebiet gehören, werden im Sommer rund eine Million Menschen daraus. Da die Leitstelle aus allen Nähten platzt, wird in Bad Oldesloe an der A 1 für rund 21 Millionen Euro ein neues Gebäude gebaut. Von Markus Carstens