Bad Schwartau/Ostholstein: Wildschweine verbreiten Angst auf Wanderwegen und Straßen

Spaziergänger in den Schwartauwiesen sind besorgt. Die Spuren von Wildschweinen entlang der Wanderwege sind nicht zu übersehen. Das Ausmaß der Verwüstung links und rechts der Pfade nimmt täglich zu. „Das ist alles ganz frisch. Das war vor zwei Tagen noch nicht“, sagt Umweltbeirat Rudolf Meisterjahn, als er auf dem Bohlenweg unterwegs ist. Auch Stadtjäger Wolfgang Scharf zeigt sich von der Spurenlage überrascht. Mit einem speziellen Granulat will er nun verhindern, dass sich die Wildschweine noch weiter in Richtung Kurpark ausbreiten. Auch anderswo in Ostholstein finden Spaziergänger auf beliebten Routen immer wieder frische Wildschweinspuren. Jagd ist in dem Gebiet nicht möglich: Die Spuren der Wildschweine in den Schwartauwiesen sind unübersehbar – am Bohlenweg, am Hauptwanderweg und rund um den Minigolfplatz. „Wir vermuten, dass es sich um eine Rotte mit zehn Wildschweinen handelt“, berichtet Scharf. Die Rotte lebe vermutlich in einer hoch zugewachsenen Wiese zwischen Grünem Klassenzimmer und Minigolfplatz. „Der Kurpark ist nicht weit weg. Wir müssen verhindern, dass sich die Tiere auch noch dorthin bewegen“, erklärt Scharf. Der Stadtjäger kann die Tiere aber nicht bejagen. Zum einen fällt das Areal in den Zuständigkeitsbereich der Landesforsten und zum anderen ist es viel zu gefährlich. „Hier sind immer viel zu viele Menschen unterwegs. Da kann nicht geschossen werden“, stellt Scharf klar. Er setzt nun auf Vergrämung, um die Tiere von der Liebesbrücke und dem dahinter liegenden Kurpark fernzuhalten. Wildschweine durch Spezial-Granulat vergrämen: Mit zwei Eimern mit Granulat und Harken schreiten Scharf und sein Stadtjäger-Kollege Rasmus Fink die jüngsten Spuren der Wildschweine ab. Sie verteilen das Spezial-Granulat namens „Repelan“ – es soll helfen, Schwarzwild fernzuhalten. Die Mischung soll bei den Wildschweinen ordentlich Wirkung zeigen. „Es schmeckt wohl ein wenig nach Chili“, berichtet Scharf. Das Granulat hat nicht nur einen unangenehmen Nachgeschmack, sondern soll laut Hersteller auch zur Desorientierung in der Rottenordnung führen. Ob dieses Erlebnisses sollen die Tiere die behandelte Fläche über einen längeren Zeitraum meiden. „Die Flächen müssen aber auch über mehrere Wochen behandelt werden“, sagt Scharf, der jüngst mit dem Ausbringen des Granulats begonnen hat. Hunde müssen angeleint werden: Aus Sicht des Stadtjägers seien die Sorgen der Spaziergänger vor einem Angriff der Wildschweine allerdings unbegründet. „Die greifen nicht einfach an“, sagt Scharf. Er rät aber dringend dazu, Hunde anzuleinen. „Wenn die Wildschweine aufspüren und aufscheuchen, dann gewinnt in der Regel das Schwein“, warnt Scharf. Sollte es dennoch mal zu einer Begegnung mit einem Wildschwein kommen, rät Scharf Spaziergänger zu äußerster Vorsicht. „Das Muttertier mit Frischlingen sollte man weiträumig umgehen und sich langsam und möglichst geräuschlos zurückziehen.“ Wildschweine verstecken sich in ungemähten Wiesen: Dass sich die Wildschweine in den Schwartauwiesen so wohl fühlen, liegt laut Stadtjäger Scharf auch daran, dass die Flächen so wunderbar zugewachsen sind. „Das ist natürlich der beste Schutz für die Tiere“, sagt Scharf. Für Umweltbeirat Rudolf Meisterjahn ist der Anstieg der Wildschwein-Population dann auch ein wenig hausgemacht. „Die Wiesen müssen regelmäßig gemäht werden. Ohne die Verbuschung könnten sich die Wildschweine nicht so gut verstecken und zudem würde das auch dem Artenreichtum gut tun“, sagt Meisterjahn. Carolin Welchert, die im Bauamt der Stadt Bad Schwartau für den Bereich Grünplanung verantwortlich zeichnet, glaubt nicht, dass zusätzliches Mähen die Wildschweine vertreiben wird. „Wir werden an einigen Stellen auch wieder mähen lassen. Der Auftrag ist schon vergeben. Die Situation wird sich aber nicht entscheidend verändern“, sagt Welchert, die die Schwartauwiesen und das Wildschweinaufkommen im Blick hat. „Sollte es dort zu gefährlichen Begegnungen kommen, werden wir auch über eine Sperrung der Wege im inneren Bereich der Schwartauwiesen nachdenken“, kündigt Welchert an. Elektrozaun schützt Minigolfplatz: Als wirklich wirksamer Wildschweinschutz hat sich ein Elektrozaun um den Minigolfplatz bewährt. Das Areal wurde vor zwei Jahren von einer Rotte komplett umgepflügt. In der Folge wurde der Zaun errichtet, den die Tiere seitdem meiden. Scharf: „So ein Zaun ist in der Tat ein sehr wirksames Mittel.“ In Bad Schwartau und den angrenzenden Revieren werden im Jahr rund 80 Wildschweine zur Strecke gebracht. Dennoch nimmt die Wildschwein-Population in den Schwartauwiesen zu. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die zunehmend wärmeren Jahreszeiten sorgen dafür, dass das Nahrungsangebot für die Tiere groß ist. Dazu trägt auch der verstärkte Anbau von Mais in Bad Schwartau und Umgebung bei. Ob der guten Nahrungssituation bekommen die Wildschweine mehr Nachwuchs. Im Durchschnitt bekommt jede Bache in der Zeit von Februar bis Mai fünf Frischlinge. Neben dem großen Nahrungsangebot bieten die Schwartauwiesen mit ihren hohen Schilfgürteln eine hervorragende Deckung. Wildschwein-Spuren an vielen Ostholsteiner Seen: Nicht nur in Bad Schwartau tummeln sich die Wildschweine gerne. Überall, wo das Schwarzwild gute Deckung und Ruhe finde, sei es zu Hause, erzählt Jan-Pieter Frick von der Kreisjägerschaft Oldenburg. In den Niederungen des Oldenburger Grabens, bei Testorf und vor allem im Dreieck von Hohenstein, Ehlerstorf und Weissenhäuser Strand rund um den Wesseker See fühle sich das Wildschwein „sauwohl“. Dies bestätigt auch Otto Witt von der Kreisjägerschaft Eutin: „Vor allem an den Schilfkanten der Seen sind sie zu finden.“ So könnten Spaziergänger unter anderem am Großen Eutiner aufgewühlte Stellen entdecken. „Besonders viele Wildschweine gibt es aber auch am Barkauer See bei Gothendorf oder am Redingsdorfer See bei Bujendorf“, sagt Witt. „Das Wildschwein wühlt an den Wegesrändern nicht nach Lust und Laune“, erläutert Förster Alexander Decius von der Försterei Wüstenfelde in Sielbeck. Es sei auf der Suche nach eiweißhaltiger Nahrung wie Regenwürmer, Engerlinge und Larven. Große Unfallgefahr an der B 202: Nicht nur für Hunde, auch für Autofahrer können Wildschweine gefährlich werden. Die Bundesstraße 202 im Kreisnorden sei dabei die unfallträchtigste Strecke der Region, erläutert Jan-Pieter Frick. So ein Tier könne bis zu 120 Kilogramm schwer sein, ein Zusammenstoß würde brandgefährlich werden. Lesen Sie auch Wildtiere erobern mehr und mehr die Stadt Ostholsteins Jäger werden Wildschweinfleisch nicht mehr los So läuft die Drückjagd in Zeiten von Corona Westen schützen Jagdhunde vor dem Schwein: Wie Stadtjäger Scharf macht auch Frick klar: „Eigentlich gibt es bei Schwarzwild keine Probleme mit dem Menschen.“ Es sei eher selten, dass sie, wie aus Großstädten gemeldet, in Vorgärten auftauchen würden. Das Schwein halte in der Regel großen Abstand. „Wenn allerdings eine Bache mit Frischlingen überrascht wird, kann sie auf Krawall gebürstet sein.“ Daher würden Hunde bei der Jagd auch mit Kevlar (einer synthetischen Faser, Anm. d. Red.) verstärkte, bunte Schutzwesten tragen. „Die Hunde hätten sonst keine Chance“, betont der Jäger. Bejagung als Schweinepest-Prophylaxe: Anders als in Bad Schwartau setzen die Kreisjägerschaften im ländlichen Raum auf intensive Bejagung der akut hohen Bestände. Das sei auch als Prophylaxe vor der Afrikanischen Schweinepest (ASP), die bisher nur im Osten Deutschlands aufgetreten ist, wichtig. „Wir müssen die Verbreitung der Wildschweinpopulation eindämmen. Wenn die ASP hier auftaucht, sind die landwirtschaftlichen Betriebe extrem gefährdet. Dann haben wir hier plötzlich eine ganz andere Welt.“, mahnt Otto Witt. Von Sebastian Prey und Markus Billhardt