Bestattungen während Corona: Pastoren trösten trotz Auflagen Angehörige

Vom Büro aus versucht die Bosauer Pastorin Heike Bitterwolf den engen Kontakt zu ihrer Gemeinde aufrecht zu halten. „Im Kern konzentriert sich meine Arbeit auf das Telefon“, sagt sie. Vor allem ältere Mitbürger hätten sich, im Bewusstsein zur Risikogruppe zu gehören, eingeigelt und wagten sich nicht mehr für die Tür, erzählt Bitterwolf. Aus diesem Grund habe sie auch begonnen, nicht nur gesprächsbereit am Telefon zu warten, sondern aktiv zum Hörer zu greifen. Denn gerade diese Generation scheue sich, um Unterstützung zu bitten, weil sie anderen nicht zur Last fallen wolle. „Da ist ein Anruf besonders wichtig. Wir müssen unseren Mitmenschen sagen: Wir sind für Euch da, wir helfen Euch“, sagt Bitterwolf. Und so vermittle sie Nachbarschaftshilfe oder gebe Tipps, welche Betriebe mal ein Mittagessen oder ganze Einkäufe liefern. Manchmal gehe es dann auch um seelsorgerische Nöte. Meist überwiege bei den Großeltern die Sorge um ihre Kinder und Enkel. Auch hier lautet ihre Empfehlung, einen regelmäßigen Telefonkontakt aufzubauen. „Miteinander reden hilft.“ Aktuell sind alle Amtshandlungen wie Gottesdienste ausgesetzt – Konfirmationen, Hochzeiten und Taufen werden verschoben. Die Verunsicherung ist groß. „Einige lassen den Hochzeitstermin für Mai stehen, andere sagen die Hochzeit für September ab, das müssen Braut und Bräutigam entscheiden“, sagt Bitterwolf. Das LN Corona-Update als Newsletter Alle News zum Coronavirus in Lübeck dienstags bis samstags gegen 7 Uhr im E-Mail-Postfach Stiller Abschied statt Trauerfeier in der Corona-Krise: Deutlich schwieriger ist es mit Bestattungen: Die Trauerfeiern sind ebenfalls von starken Beschränkungen betroffen. Statt einer Aussegnung in der Kirche oder der Kapelle ist derzeit nur ein stiller Abschied im engsten Familienkreis mit maximal fünf Personen am offenen Grab gestattet. Für Bitterwolf selbst ist es eine grausame Vorstellung, dass Verwandte zweiten Grades und enge Freunde dem Verstorbenen kein letztes Geleit geben können. „Da müssen wir würdevolle und warmherzige Angebote entwickeln, um den Hinterbliebenen zu helfen, den Trauerprozess zu bewältigen und abzuschließen“, sagt Bitterwolf. Auch der Fissauer Pastor Philipp Bonse, der aktuell sechs bis acht Stunden täglich am Telefon verbringt, um den Kontakt zu seiner Gemeinde zu halten, fürchtet die Vorstellung, in kleinster Runde eine Beisetzung gestalten zu müssen. „Es tut uns in der Seele weh, in dieser Situation so wenig Trost spenden zu können“, sagt er. Predigt zum Nachlesen: Pastorin Angelika de Oliveira Gloria hat diese Erfahrung bereits zwei Mal gemacht. Die Hinterbliebenen hätten dabei großes Verständnis für die aktuelle Situation gezeigt. Nach intensiven Vorgesprächen sei man sich einig gewesen, dass man die Zeremonie brauche, um die Trauerphase abschließen zu können. „Und der Gang ans offene Grab ist die intensivste Form des Abschiednehmens“, sagt de Oliveira Gloria. Die Predigt und das Gebet, die sie dabei spreche, gebe sie zum Nachlesen mit. Und damit könnten auch weitere einzelne Trauergäste zu einem späteren Zeitpunkt vor Ort ein stilles Gedenken nachvollziehen. Digitale Angebote schaffen: Aber auch über technische Lösungen wird nachgedacht. „Mit einer Videoaufzeichnung könnten wir einer größeren Gruppe von Trauergästen ermöglichen, per Bild und Ton dabei zu sein“, sagt Pastor Stefan Grützmacher aus Eutin-Neudorf. Eine solche Aufnahme dürfe natürlich die Würde des Moments vor Ort nicht stören. „Da ist viel Fingerspitzengefühl gefordert und ich bin mir nicht sicher, ob wir uns zu einer solchen Lösung durchringen werden“, erläutert Grützmacher. Andererseits habe man positive Rückmeldungen für die Übertragung des Gottesdienstes aus der Michaliskirche bekommen. „Da stand uns allerdings auch ein kleines Technikerteam des Kirchenkreises zu Seite.“ Lesen Sie auch: Ostholsteiner Kirchen streamen Gottesdienste jetzt im Internet Nähe zu den Menschen über Technik bewahren: Für Eutins Pastorin Maren Löffelmacher, die zusammen mit Grützmacher vor der Kamera stand, war dies ein merkwürdiges Gefühl. „Für uns Pastoren ist die Nähe zu den Menschen das wesentliche Merkmal der Arbeit“, sagt die Pastorin. Jetzt in der Stunde der Not auf Abstand gehen zu müssen, fühle sich falsch an, obwohl sie wisse, dass es richtig sei. Gut eingesetzt könnten die Neuen Medien dabei helfen, diese Nähe wieder herzustellen. „Es war für mich aber nicht einfach, in einer fast leeren Kirche, einen Gottesdienst zu feiern“, erzählt Löffelmacher. Vor allem habe ihr die direkte Rückmeldung wie beim gemeinsamen Singen und dem Beten des Vaterunser gefehlt. Eine Reaktion darauf sei nun, noch mehr Angebote ins Netz zu stellen und die Homepage einschließlich des Instagram-Accounts und des Youtube-Kanals weiter ausbauen, ergänzt Bonse. Dennoch – sind sich alle vier Pastoren einig – sei das Telefon derzeit das Kommunikationsmittel Nummer eins. Denn bei aller Begeisterung für die moderne Technik bleibe das persönliche Gespräch von Mensch zu Mensch die beste Form der Verständigung – in guten wie in schlechten Tagen. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in und um Lübeck: Diese Texte sollten Sie gelesen haben Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Alle aktuellen Informationen aus Deutschland und der Welt im Live-Blog Lübecks Corona-Chronik: Eine Stadt legt sich still #supportyourlocal: Machen Sie Ihr Angebot bei uns bekannt #supportyourlocal: So können Sie Geschäften, Restaurants und Freiberuflern in Lübeck jetzt helfen LN-Live-Interview: Lübecks Bürgermeister antwortet auf die wichtigsten Fragen zu Corona in Lübeck Hoffnung im Norden: Quote der Corona-Neuansteckungen sinkt Wegen Corona: Schleswig-Holstein verschärft die Vorschriften für Pflegeheime Sparkasse zu Lübeck liefert Bargeld nach Hause Zweitwohnungen: Wer schon da ist, darf bleiben Mecklenburg-Vorpommern riegelt Grenze zu Schleswig-Holstein ab Coronavirus: Schleswig-Holstein macht zu – Touristen müssen draußen bleiben Home-Office und Co.: So reagieren Lübecker Unternehmen In der Krise zusammenhalten: So helfen sich Nachbarn in Lübeck gerade gegenseitig Quarantäne – was bedeutet das für mich? Von Dirk Schneider

Corona - Bestattungen während Corona: Wie Pastoren trotz Auflagen Angehörige trösten