Blick nach vorn: Ostholsteins Kaufhäuser trotzen der Krise

Die Nachricht, dass das Eutiner Traditionskaufhaus LMK nach 207 Jahren zum Jahresende schließt, ist in der Stadt und im Umland zwar mit Bedauern aufgenommen worden. Entmutigen lässt sich der Handel davon aber nicht. Einige Unternehmer sehen gerade im Modell „Kaufhaus“ ihre Zukunftsperspektive. „Eine Chance für kleine Fachgeschäfte“: „Ich glaube nicht, dass deswegen in Eutin das Licht ausgeht. Jede Veränderung bietet auch Möglichkeiten“, sagt Jan Hoffmann von der gleichnamigen Buchhandlung. Er spricht auch für die mit ihm 33 „Händler mit Herz“, eine Initiative von inhabergeführten Fachgeschäften in Eutin. „Wenn sich jemand verkleinert oder schließt, eröffnet das für einen anderen durchaus Chancen.“ Als Beispiele nennt Jan Hoffmann die Eröffnungen der Geschäfte für Haushaltswaren und Wohnaccessoires Anfang 2020 in der Eutiner Peterstraße, nachdem die LMK-Einkaufswelt sich von ihren entsprechenden Abteilungen getrennt hatte. „Sie haben Lücken erkannt und genutzt.“ Kleine Textilgeschäfte wie Piconaja hätten künftig auch die Chance, dass ihre Marken exklusiv seien, sagte Hoffmann weiter. Die anstehende Eröffnung des Kaufhauses Woolworth im Herbst sieht der Buchhändler als „Bereicherung für die Peterstraße“. Hoffnung auf Ansiedlung von Markenherstellern: Harry Heinsen, Ortsverbandsvorsitzender des Dehoga (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband) Eutin/Malente nennt LMK „einen Magneten in Eutin“. Wenn das angekündigte künftige Shop-in-Shop-System namhafte Marken biete, werde das auch ein anderes Publikum nach Eutin locken, meint Heinsen. Seine Prognose: „Die kleinen Geschäfte in der Stadt werden von der Schließung profitieren.“ Der Vorsitzende der Wirtschaftsvereinigung Eutin, Hans-Wilhelm Hagen, spricht von „einem Einschnitt für Eutin. Von LMK-Besuchern haben auch die Fachgeschäfte und die Gastronomie profitiert.“ Hagen begrüßt es, dass Thomas Menke daran arbeite, attraktive Firmen als Mieter für sein angestrebtes Shop-in Shop-System zu gewinnen. „Das ist wichtig für die Mitarbeiter, die dort eine neue Anstellung finden können und für die Stadt selbst als Frequenzbringer.“ Bürgermeister: Langfristig positive Aussichten: Er bedaure die Schließung außerordentlich, sagt Bürgermeister Carsten Behnk (parteilos). Corona habe die Lage des ohnehin bereits durch den Online-Handel getroffenen Einzelhandels in den Städten noch einmal verschärft. „Das neue Konzept für das Haus im Herzen der Stadt mit Shops, Büros und später auch Wohnungen finde ich gut und zukunftsfähig“, sagt Behnk. In Kombination mit beispielsweise Woolworth werde es ein neuer Anziehungspunkt in der Innenstadt sein. Insgesamt sieht der Bürgermeister „langfristig positive Aussichten“ für die Stadt. Schwartauer Unternehmer hält Kaufhaus-Idee für überholt: Dass LMK die Segel streicht, kommt für Lars Matzen nicht überraschend. Der Bad Schwartauer Unternehmer betreibt unter anderem zwei große Modehäuser in Bad Schwartau und Travemünde. Vor einigen Jahren war Matzen auch in Eutin mit einem Geschäft aktiv. „Es ist ein schwieriger Standort“, erklärt Matzen. Er sieht sich trotz Corona-Krise mit seinen Geschäften gut aufgestellt. „Corona ist eine bittere Pille, aber die Lage ist nicht existenzbedrohlich. Wir haben in den letzten Jahren viel investiert – die Kunden haben das entsprechend honoriert“, sagt Matzen. Allein 2019 wurde der Bad Schwartauer Standort für rund eine Million Euro modernisiert. Zudem wurde auf den Strukturwandel im Einzelhandel frühzeitig reagiert und auf den Verkaufsflächen einzelne Shops eingerichtet. Von der Kaufhaus-Idee, alles unter einem Dach anzubieten, hat Matzen sich schon seit Jahren verabschiedet. „Dieses Angebot ist definitiv überholt.“ Martin Stolz: Kaufhaus ist ein Zukunftsmodell: Alles unter einem Dach anzubieten: Das hält hingegen Martin Stolz für das Erfolgsrezept der großen Kaufhäuser. „Deshalb werden sie Bestand haben“, ist der Inhaber der Kaufhauskette Stolz, bei der 800 Mitarbeiter beschäftigt sind, überzeugt. 33 Filialen gibt es in Norddeutschland, davon fünf in Ostholstein. „Wir haben jedes Sortiment, insgesamt 300 000 unterschiedliche Artikel“, berichtet Martin Stolz. Den Bedarf mit günstigen Preisen zu decken, sei entscheidend: „Deswegen hat kein System eine größere Chance auf die Zukunft als das Kaufhaus.“ Mit breitem Sortiment punkten: Das Kaufhaus sei ein Erfolgsmodell, sagt auch Jürgen Mohr, Chef des Neustädter Eska-Kaufhauses. „Man kann diese Häuser auch in kleineren Orten erfolgreich führen – und für die Orte sind die Kaufhäuser als Magneten wichtig“, erklärt er. Auch er hält ein breites Sortiment für entscheidend: „Es ist wichtig, dass die Kunden am Ort alles bekommen, und dafür zu sorgen ist wiederum eine Aufgabe des Kaufhauses.“ Eska hat eine Verkaufsfläche von 3500 Quadratmetern und 40 Mitarbeiter. Aufwärtstrend in Tourismus und Handel im Nordkreis: Positiv blickt auch Lorenz Harms in die Zukunft. Der Geschäftsführer des Modehauses Johannsen in Oldenburg berichtet von einem Aufwärtstrend seit Himmelfahrt: „Der Tourismus kommt wieder in Gang.“ Die Corona-Krise sei zwar eine besondere Herausforderung, „aber der Handel kennt Krisen, und ich räume uns gute Chancen ein“, sagt Lorenz Harms. Das Modehaus Johannsen beschäftigt insgesamt 64 Mitarbeiter – im Haupthaus mit seinen 4000 Quadratmetern Verkaufsfläche und in den vier Boutiquen in Oldenburg, Weißenhäuser Strand, Heiligenhafen und auf Fehmarn. Die LN-Themenseite mit allen Artikeln zum Thema Corona Coronavirus in SH: Das ist die aktuelle Zahl der Infizierten Liveblog zur Corona-Krise: Das ist die Lage in Lübeck und Schleswig-Holstein Schutzmasken richtig tragen: So geht’s! 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Eine große Rolle spielt seiner Einschätzung nach der jeweilige Standort. „Einige Innenstädte haben es deutlich schwerer als beispielsweise die Ostseebäder“, meint er. So habe Heiligenhafen eine Super-Entwicklung durchlebt, gerade in Bezug auf den Tourismus. „Grundsätzlich haben die großen Kauf- und Modehäuser trotz aller Probleme durchaus eine Überlebenschance“, sagt Rohde. Lesen Sie auch: Eutiner Traditionskaufhaus LMK wird Ende 2020 geschlossen Wegen Corona: Umsatz im Einzelhandel in Schleswig-Holstein bricht ein Bad Schwartau: Kaufhaus Matzen baut um Eutins Innenstadt wird attraktiv – für Händler und für Kunden Von Ulrike Benthien, Sabine Latzel, Sebastian Prey

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