Brexit: Immer mehr Briten lassen sich einbürgern

Der Countdown läuft: Am Freitag, 31. Januar, wollen die Briten die EU verlassen. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und ihr Kollege, Ratspräsident Charles Michel, haben das Austrittsabkommen Großbritanniens bereits unterzeichnet. Aber: Wird es letztlich ein geregelter oder ungeregelter Austritt? Das fragen sich zurzeit auch rund 100 Briten, die bisher ohne deutschen Pass im Sinne der EU-Freizügigkeit in Ostholstein leben. Die Kreisverwaltung hat sie jetzt angeschrieben, sich in Eutin zu melden. Der Auftrag des Bundesministeriums des Innern (BMI) erreichte die Kreisverwaltung Ostholstein Ende Dezember und beinhaltete eine Fristsetzung für britische Staatsbürger. Bis Ende Januar, so hieß es, müssten sich alle in Ostholstein lebenden Engländer, Schotten, Nord-Iren und Walliser in der Eutiner Kreisverwaltung melden, um ihren künftigen Aufenthaltsstatus klären zu lassen. „Gleich Anfang Januar haben wir diesen Personenkreis angeschrieben“, erklärt Detlef Wohlert, Fachdienstleiter Sicherheit und Ordnung bei der Kreisverwaltung. Mehr lesen: Immer mehr Briten im Norden flüchten in den deutschen Pass Denn für den Fall, dass es doch ein ungeordneter Brexit würde, verlieren die im Kreis lebenden Briten ihr Freizügigkeitsrecht als EU-Bürger in Deutschland. Zwei Möglichkeiten gäbe es dann: Entweder sie beantragen umgehend die deutsche Staatsbürgerschaft oder einen Aufenthaltstitel. „Das ist ein Ausweis-Dokument in Scheckkartengröße, das in der Regel drei Jahre gültig ist und danach erneuert werden muss“, erklärt Wohlerts Kollege Dennis Radestock. Machtkampf in Timmendorf: Politik beschneidet Wagners Kompetenzen Geld lag auf der Straße: Polizei sucht Eigentümer Scharbeutz: Der Boom und das Gleichgewicht Wegen Coronavirus: Fällt die China-Reise für Eutiner Schüler aus? Millionen-Investitionen für Großenbrode: Diese Bauprojekte sind geplant So viele Briten ließen sich bereits einbürgern: Soweit wollen es viele Briten offenbar gar nicht erst kommen lassen. Seitdem Großbritannien erklärt hat, die EU verlassen zu wollen, ist die Zahl der Einbürgerungen durch die Eutiner Behörde sprunghaft angestiegen. „Während es in den Jahren 2014 bis 2016 lediglich eine Einbürgerung eines britischen Staatsangehörigen gab, wurden in den Jahren 2017 und 2018 jeweils 17 Personen und im vergangenen Jahr 2019 sogar 28 Personen aus Großbritannien eingebürgert“, rechnet Dennis Radestock vor. Aktuell seien es aber trotzdem noch rund 100 Engländer, Schotten, Nord-Iren und Walliser, die in Ostholstein mit britischem Pass leben. Sie haben ihren Lebensmittelpunkt zwischen Puttgarden und Bad Schwartau, gehen hier ihrer Arbeit nach. Im Fall eines ungeregelten Brexits würden sie dann wie jeder andere aus einem Drittstaatenland behandelt. „Da die Fristsetzung aber sehr kurz gewählt ist, könnte es aus Berlin noch eine Verlängerung geben“, schätzt Wohlert die Lage ein. Voraussetzungen für die Einbürgerung: Erforderlich für eine Einbürgerung wäre dann der Nachweis über das Beherrschen der deutschen Sprache und ein Einbürgerungstest. Den nehmen unter anderem die Volkshochschulen im Kreis vor. Michael Kümmel, Chef der Oldenburger Volkshochschule, sagt: „Beim Einbürgerungstest für Briten haben wir im vergangenen Halbjahr auch schon einen sprunghaften Anstieg verspürt.“ Der Nachweis über Deutsch-Kenntnisse sei bei ihnen aber kaum erforderlich, sie würden die deutsche Sprache in aller Regel gut beherrschen. Auch Ross Brown aus Bad Schwartau hat Post aus der Kreisverwaltung Eutin bekommen. „Die Situation beunruhigt mich nicht“, sagt der 55-Jährige, der über die Hälfte seines Lebens in Deutschland verbracht hat. „Ich lebe seit 29 Jahren hier, meine Frau ist Deutsche und unsere gemeinsame Tochter ist hier geboren“, sagt Brown, der aber weiterhin seinen britischen Pass behalten möchte – aus Verbundenheit zu seinen Eltern und seiner Schwester, die in Sevenoaks in der Grafschaft Kent leben. „Ich habe mit der Verwaltung in Eutin bereits telefoniert. Es wird wohl kein Problem geben, dass ich eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung bekomme“, erklärt der Tennistrainer. Brexit-Besonderheit bis 31. Januar: Zwei Pässe: Der Schotte Calum Donald, der mit seiner Frau Ferienwohnungen auf Fehmarn vermietet, ist ein scharfer Brexit-Kritiker. „Das, was die Briten da machen, ist eine riesige Katastrophe“, sagte er vor einem Jahr den LN. Deshalb hatte er sich im Herbst 2019 auch entschlossen, die Sprach- und Einbürgerungstests abzulegen – mit Erfolg. Sein Antrag auf Einbürgerung läuft gerade. Für ihn greift auch noch eine Besonderheit im Brexit-Verfahren: Denn wer beide Tests vor dem 31. Januar absolviert hat, der darf neben dem neuen auch seinen alten Pass behalten. Somit hat der EU-Ausstieg für Brexit-Gegner Calum Donald am Ende doch noch etwas Gutes: Der Schotte kann sich künftig mit zwei Reisepässen ausweisen: dem neuen deutschen und dem alten britischen Pass. Lesen Sie auch: Brexit: Von der Leyen und Michel unterzeichnen Austrittsvertrag Brexit: Ostholsteiner Briten besorgt Bremst der Brexit in Ostholstein? Von Louis Gäbler und Sebastian Prey

EU-Austritt - Brexit: Briten lassen sich in Ostholstein einbürgern