Bürgerbegehren und Bürgerentscheid: Dagegen wird in Ostholstein gekämpft

Die Landesgesetzgebung gibt Bürgern das Recht, unter bestimmten Voraussetzungen Bürgerbegehren zu beantragen und somit Bürgerentscheide herbeizuführen. In Angelegenheiten, die die Menschen vor Ort betreffen, haben Ostholsteiner dieses demokratische Instrument der direkten Mitbestimmung zuletzt sehr rege in Anspruch genommen. Sie wollen mitreden, wenn es um Veränderungen geht. Anzahl der Bürgerbegehren nimmt zu: Mit einem guten halben Dutzend von Bürgerbegehren hat es die Kommunalaufsicht des Kreises Ostholstein als verantwortliche Behörde 2020 zu tun bekommen. „Die Zahl der Bürgerbegehren nimmt deutlich zu“, bestätigt Kreissprecherin Carina Leonhardt. Es sei eine sinnvolle Ergänzung der im Wesentlichen zuständigen kommunalen Vertretungen in den Gemeinden und Städten. So wollen viele Bürger nicht mehr nur indirekt durch die Wahl ihrer Vertreter in politischen Gremien mit entscheiden, sondern nehmen die Zukunft ihrer Kommunen vermehrt selbst in die Hand. „Gegenstand eines solchen Verfahrens dürfen nur Selbstverwaltungsangelegenheiten der Gemeinde beziehungsweise des Kreises sein“, so Leonhardt. Fehmarn: Bürgerbegehren in vollem Gange: Überwiegend geht es bei den Bürgerbegehren in Ostholstein um den Ausbau oder die Errichtung von Gebäuden mit einem gewissen touristischen Nutzen. Jüngst auf Fehmarn ist ein geplantes Hotel am Meeschendorfer Strand zum Streitpunkt geworden. Ulrike Hübner, die sich sehr für Natur- und Klimaschutz einsetzt, hat zusammen mit Swen Geiss ein Bürgerbegehren gegen den Bau beantragt. „Wir wurden sehr gut und professionell von der Kommunalaufsicht unterstützt. Die Mitarbeiterin hatte immer ein offenes Ohr für uns“, so Hübner. Die Aufsichtsbehörde steht für eine Erstberatung über das Verfahren, das Anfertigen von Unterschriftenlisten und weitere wichtige Formalien zur Verfügung. Sie übernimmt auch die Vorprüfung der Fragestellung des Bürgerbegehrens, ob diese rechtssicher und damit zulässig ist. Nach über 2000 gesammelten Unterschriften prüft die Behörde derzeit nun die Zulassung eines Bürgerentscheids. Erfolgreiches Bürgerbegehren in Großenbrode: Rückenwind hätten im Vorfeld auch die anderen Bürgerbegehren gegeben, betont Hübner. „Wir haben uns natürlich angeschaut, wie es in Großenbrode gemacht wurde.“ Dort wurde aus den Reihen der Bürgerinitiative „MeerTransparenz“ ein Bürgerbegehren gegen ein neues Familienhotel am Binnensee erfolgreich initiiert. Innerhalb kurzer Zeit waren genug Unterschriften von Großenbrodern eingesammelt. Es müssen immer mindestens zehn Prozent der Wahlberechtigten sein. Die Gemeinde Großenbrode schloss sich Anfang Dezember einstimmig dem Begehren an, sodass das Grundstück nicht weiter überplant werden darf. „Wir sind glücklich über unseren Erfolg. Es war aber auch viel bürokratischer Aufwand“, erzählt Markus Jordan. Er würde daher als Vertretungsberechtigter eines Bürgerbegehrens wohl kein weiteres Mal mehr zur Verfügung stehen. Er wäre aber bereit, anderen mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. In Heiligenhafen kommt ein Bürgerentscheid: In der Nachbarschaft in Heiligenhafen ist man ein Stück weiter. In der Warderstadt kommt es am 14. Februar zu einem Bürgerentscheid. Ein Bündnis kämpft dafür, dass es keine weitere Bebauung auf dem Steinwarder gibt, und möchte ein Erlebnisbad samt Hotel und Parkraum verhindern. Abwahl eines Bürgermeisters in Timmendorf: Bereits abgeschlossen ist das gesamte Prozedere in Timmendorfer Strand. Doch hier waren nicht Beton und Stahl der Grund: Die Abwahl von Bürgermeister Robert Wagner war das Ziel der Initiatoren. Dies wurde beim Bürgerentscheid im November mit 60 Prozent der Stimmen bei einer Wahlbeteiligung von rund 52 Prozent erreicht. Eine weitere Hürde des gesamten Verfahrens wurde dabei deutlich übersprungen. Es müssen wenigstens 20 Prozent der Wahlberechtigten der Fragestellung beim Entscheid zustimmen. In Timmendorf hat man auch schon Erfahrungen mit Bürgerentscheiden. Zuletzt im Mai 2019 ging es um die Sanierung der Eishalle, die Pläne dazu wurden gerade erst vorgestellt. Dahme stimmte für das Schwimmbad: Ein Bürgerentscheid, der auch schon fast 15 Monate her ist und immer noch die Gemeinde und die Kommunalaufsicht beschäftigt, ist eine Abstimmung in Dahme. Knapp 59 Prozent stimmten damals für die Sanierung und Wiedereröffnung des Schwimmbeckens im Strandspa. In diesem Fall wurde jetzt zumindest ein Ausschreibungsverfahren für die Maßnahme auf den Weg gebracht. „Es hat sich alles zu lange hingezogen“, sagt Marion Haeger, die mit zwei Mitstreiterinnen das vorgeschaltete Bürgerbegehren auf den Weg gebracht hatte. Sie erinnert sich: „Es war mit sehr viel Vorarbeit verbunden. Es lässt sich nicht mal eben aus dem Ärmel schütteln.“ Marion Haeger zieht aber auch noch ein anderes Fazit: „Man macht sich nicht nur Freunde in der Gemeinde damit. Es wurde sehr schnell alles sehr persönlich. Das finde ich schade.“ Dennoch halte sie Bürgerbegehren für eine gute Möglichkeit, sich einzubringen. Dass überall in Ostholstein Bürgerbegehren angestrebt werden, erklärt sie sich mit einer gewissen Unzufriedenheit über den Bauboom und das Haschen nach Investoren. Neues Bürgerbegehren in Dahme gestartet: In die gegensätzliche Richtung zielt allerdings ein Bürgerbegehren ab, das im Dezember ebenfalls in Dahme in Gang gesetzt wurde. Dabei wird gerade für den Verkauf des „Haus des Gastes“ als perspektivische Entwicklung im Tourismus geworben. Das Gebäude ist stark sanierungsbedürftig, teilweise gesperrt und wird seit Jahren kaum genutzt. Lesen Sie auch Fehmarn: Bürgerbegehren gegen neues Hotel in Meeschendorf Großenbrode: Pläne für Hotel vom Tisch – auch ohne Bürgerentscheid Timmendorfer Bürgermeister mit knapp 60 Prozent abgewählt Bürgerentscheid: Dahmer sagen Ja zum Schwimmbad ETC Timmendorfer Strand: Sanierung der Eishalle kostet 11 Millionen Heiligenhafen: Bürger entscheiden am 14. Februar über Schwimmbad-Neubau Das Haus des Gastes sollte im Zusammenspiel mit einem Hotel-Neubau für die Errichtung eines öffentlichen Restaurants veräußert werden, was die Politik mehrheitlich ablehnte. „Wir setzen in Übereinstimmung mit der CDU auf den Verbleib des Gebäudes in gemeindlicher Hand, um eine Überplanung der Immobilie zu erstellen, die einen touristischen Mehrwert besitzt“, so DWG-Sprecher Sven Rohr. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens, Stefanie Friedrich-Suhr und Christian Friedrich, wollen hingegen, dass die Dahmer selbst entscheiden, was aus dem Gebäude wird und hatten Unterschriftenlisten ausgelegt. Fazit: Immer mehr Bürger begehren auf. Sie greifen in die lokale Politik ein, um nicht nur über Sachfragen abzustimmen, wenn sie mit einer kommunalen Maßnahme nicht einverstanden sind. Von Markus Billhardt