Bürgermeister-Frage in Timmendorf: So läuft die Abstimmung über Robert Wagners Zukunft

Monatelang haben Politiker und Einwohner von Timmendorfer Strand diskutiert, jetzt steht die Entscheidung an: Der Bürgerentscheid zum Abwahlverfahren gegen Bürgermeister Robert Wagner geht am Sonntag, 22. November, über die Bühne. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten. Worum geht es? Die Frage, die beim Bürgerentscheid mit „Ja“ oder „Nein“ zu beantworten ist, lautet: „Soll der im Amt befindliche Bürgermeister vor Ablauf seiner Wahlzeit vorzeitig aus dem Amt gewählt werden?“ Damit entscheiden die Abstimmungsberechtigten, ob der parteilose Robert Wagner (42) weiterhin Bürgermeister der Gemeinde Timmendorfer Strand bleibt oder nicht. Wagner hat sein Amt im Juli 2018 angetreten, seine reguläre Amtszeit beträgt sechs Jahre, also bis Mitte 2024. Wer hat für den Bürgerentscheid gesorgt? Die Einleitung des Abwahlverfahrens durch die Gemeindevertretung ist Anfang Juni gescheitert, weil zur nötigen Zweidrittel-Mehrheit eine Stimme fehlte. Daraufhin haben die Mitglieder einer Bürgerinitiative über 1600 Unterschriften für einen Bürgerentscheid über das Abwahlverfahren gesammelt und diese bei der Kommunalaufsicht eingereicht. Was sagen die Befürworter der Abwahl? Ihr Hauptvorwurf an Wagner: Aufgrund seines schlechten Führungsstils gebe es im Rathaus eine Kündigungswelle und einen hohen Krankenstand. Er kommuniziere zu wenig bis gar nicht mit den politischen Gremien und habe schwere Fehler gemacht. Dazu zählen seine Gegner eine fehlerhafte Unterschrift, die die Dimensionen des Neubaus am Niendorfer Balkon erst möglich gemacht habe, und eine mangelnde Kommunikation bezüglich der Asbest-Funde an der Gemeinschaftsschule Strand Ende 2019. Was sagen der Bürgermeister und die Gegner der Abwahl? Wagner kritisiert die seiner Ansicht nach verkrusteten Strukturen in der Verwaltung. In seiner jüngsten Stellungnahme erklärt er, „das Verwaltungspersonal hätte am liebsten gar keinen Chef gehabt“. Er und seine Befürworter sehen ihn als Veränderer, der frischen Wind nach Timmendorf bringe und unabhängig von alten Seilschaften sei. Die Unterschrift im Zusammenhang mit dem Niendorfer Neubau hat Wagner als „Verfahrensfehler“ bezeichnet. Für einen Teil der mangelhaften Kommunikation zum Asbest-Fall hat Wagner Abläufe innerhalb der Verwaltung verantwortlich gemacht. Wie stehen die politischen Parteien in Timmendorfer Strand zum Abwahlverfahren? Fünf der sechs Fraktionen haben sich gegen den Bürgermeister gewandt und sind für das Abwahlverfahren: WUB, BBNP, SPD, Grüne und FDP. Sie stellen zusammen 19 von insgesamt 28 Gemeindevertretern. Die CDU, die neun Gemeindevertreter stellt, hat sich lange gegen das Abwahlverfahren ausgesprochen, erklärt sich jedoch seit einiger Zeit für neutral in dem Sinne, dass die Bürger entscheiden mögen. Was soll oder könnte die Abwahl kosten? Der Bürgerentscheid am Sonntag kostet etwa 20 000 Euro. Eine Neuwahl und eine mögliche Stichwahl schlügen demnach zusammen mit 40 000 Euro zu Buche. Zu den Folgekosten einer Abwahl des – derzeit beurlaubten – Bürgermeisters gibt es unterschiedliche Angaben. Wagner hätte Anspruch auf Fortzahlung von 71,5 Prozent seiner Bezüge bis zum Ende der regulären Amtszeit Mitte 2024. Das wären um die 300 000 Euro, hieß es bisher. Sollte Wagner jedoch auf seinen vorherigen Posten im Bundeswehr-Dienstleistungszentrum zurückkehren, müsste die Gemeinde nur die Gehaltsdifferenz zahlen. Wagner-Befürworter finden, dass eine Abwahl die Gemeinde zu teuer zu stehen kommen würde. Seine Gegner meinen, dass Wagner beim Verbleib im Amt einen finanziell höheren Schaden anrichten könnte. Wann wird wo abgestimmt? Abstimmen können die Abstimmungsberechtigten am Sonntag zwischen 8 und 18 Uhr in neun Abstimmungslokalen in Timmendorf (Bahnhof 1 und 2, Pastor-Pfeiffer-Haus, GGS Strand Gebäude A und B), Niendorf (Hafen-Information und Feuerwehrgerätehaus), Hemmelsdorf (Feuerwehrgerätehaus) und Groß Timmendorf (Dorfgemeinschaftshaus). Wer darf abstimmen, und wie viele Stimmen sind für eine Mehrheit nötig? Von den 7545 Abstimmungsberechtigten in der Gemeinde Timmendorfer Strand müssen mindestens 20 Prozent, also 1509 Personen, abstimmen, damit der Bürgerentscheid Gültigkeit hat. Für ein „Ja“ oder „Nein“ als Ergebnis reicht die einfache Mehrheit, also mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen. Gibt es bei der Abstimmungen besondere Regeln aufgrund der Corona-Pandemie? Ja. Es gelten die allgemeinen Abstands- und Hygieneregeln inklusive Maskenpflicht. Fürs Desinfizieren und die Eingangskontrolle sind jedem Abstimmungslokal zwei zusätzliche Helfer zugeteilt worden. Die Abstimmenden werden gebeten, eigene, „nicht radierfähige“ Stifte mitzubringen, also am besten Kugelschreiber. Dürfen Masken-Verweigerer das Wahllokal betreten und abstimmen? Nein. Im „Handlungsleitfaden Wahlvorstand“ steht, dass Personen, die gegen die Maskenpflicht verstoßen, „die öffentliche Ordnung und den geordneten Ablauf des Wahlgeschäfts stören. Ihre Weigerung ist grundsätzlich dazu geeignet, andere Wählerinnen und Wähler zu stören oder gegebenenfalls von der Wahl abzuschrecken. Sie können daher des Raumes verwiesen werden, bis sie bereit sind, einen Mund-Nasenschutz zu tragen“. Werden die Briefwahl-Stimmen schon vor 18 Uhr ausgezählt? Nein. Die eingegangenen Briefwahl-Unterlagen werden aber schon am Nachmittag im Abstimmungslokal Groß Timmendorfer geöffnet und auf Vollständigkeit und Gültigkeit geprüft. Die Stimmzettel landen dann in der Abstimmungsurne für Groß Timmendorf und werden nach 18 Uhr zusammen mit den Stimmzetteln aus diesem Bezirk gezählt. Die Zahl der Briefwähler ist bei diesem Bürgerentscheid hoch, bereits am Freitag berichtete Wahlleiter Michèl Soltmann von über 1200 Rückläufern. Wie geht es nach der Abstimmung weiter? Nach der Auszählung und der Bekanntgabe des vorläufigen Ergebnisses werden sämtliche Stimmzettel ins Timmendorfer Rathaus gebracht. Am Montag, 23. November, tagt dort um 18 Uhr öffentlich der Gemeindeabstimmungsausschuss und stellt das Ergebnis offiziell fest. Was passiert, wenn die Mehrheit mit „Ja“ für die Einleitung des Abwahlverfahrens stimmt? Dann müssen die Einwohner der Gemeinde innerhalb von sechs Monaten eine/n neue/n Bürgermeister/in wählen. Als „klassischer Wahltag“ gilt ein Sonntag im Mai. Bis dahin führen die drei Stellvertreter des Bürgermeisters die Geschäfte im Rathaus weiter. Was passiert, wenn die Mehrheit mit „Nein“ gegen die Einleitung des Abwahlverfahrens stimmt? Dann kann der Amtsinhaber die Dienstgeschäfte wieder aufnehmen, und zwar nach der Veröffentlichung des Abstimmungsergebnisses, also vermutlich spätestens am Freitag, 27. November. Wie erfahre ich von den Ergebnissen der Abstimmung? Aufgrund der Corona-Einschränkungen hat das Rathaus am Sonntag für die Öffentlichkeit nicht geöffnet. Die Gemeinde stellt die Ergebnisse aus den einzelnen Bezirken ab etwa 18.30 Uhr auf ihre Internet-Seite. Im Internet berichtet LN.online.de am Sonntag ab 17 Uhr in einem Live-Ticker über die Abstimmung und über alle Ergebnisse. Lesen Sie auch: Timmendorf: Richter weisen Eilantrag von Robert Wagner ab Timmendorfer Strand: Warum Wagner abgewählt werden soll Robert Wagner: „Ich will Timmendorfer Bürgermeister bleiben“ Von Sabine Latzel