Corona-Bilanz: Treue Seele im Supermarkt auf Fehmarn vermisst das Lächeln

Die Worte der TV-Ansprache von Angela Merkel am 18. März 2020 zum ersten Corona-Lockdown hallen auch im zweiten harten Shutdown nach. „Wer in diesen Tagen an einer Supermarktkasse sitzt oder Regale befüllt, der macht einen der schwersten Jobs, die es zurzeit gibt. Danke, dass Sie da sind für Ihre Mitbürger und buchstäblich den Laden am Laufen halten“, hatte die Bundeskanzlerin seinerzeit gesagt. Dabei durfte sich auch Sigrid Dulk-Meeß angesprochen fühlen – und darf es auch heute noch. Die 60-jährige Fehmaranerin arbeitet seit 1992 im Edeka-Markt Guttkuhn in Burg und ist dort längst mehr als nur eine „treue Seele“. Als Einzelhandelskauffrau, die ihre Ausbildung in einem kleinen Edeka-Laden in Burgstaaken absolvierte, ist sie am Landkirchener Weg mittlerweile für ein Drittel des über 30 000 Artikel umfassenden Sortiments zuständig und leitet die Abteilungen Wein & Spirituosen, Süßwaren und „Knabberkram“ sowie Tiernahrung – im Sommer in Vollzeit, im Winter auf wöchentlicher 30-Stunden-Basis. „Frau Meeß ist einfach toll und irgendwie noch vom alten Schlag – natürlich ohne alt zu sein“, lobt Marktinhaber Andreas Guttkuhn „eine meiner Besten“ aus seiner 85-köpfigen Crew. Warme Worte sind der „Edekanerin“ fast schon zu viel: Doch Sigrid Dulk-Meeß sind die warmen Worte der Kanzlerin und ihres Chefs fast zu viel des Guten. Sie sagt: „Ich fühle mich als ,Edekanerin’ einfach wohl hier in meinem Reich, bin ein total positiver Mensch und arbeite gern möglichst nah an und mit meinen Kunden. Daran hat auch die Corona-Krise grundsätzlich nichts geändert.“ Allerdings schränkt sie im Rückblick auf die letzten Monate ein: „Mich stört und irritiert es wirklich immer noch, dass Kunden nicht sehen können, wenn ich hinter meiner Maske lächele.“ Rührende Kunden-Frage in turbulenter Corona-Zeit: Wenn sie die mitunter turbulente Corona-Zeit nach der Kanzlerinnen-Ansprache Revue passieren lässt, fallen ihr vor allem zwei Szenen ein: „Einmal hatte ich fast Tränen in den Augen, als eine Stammkundin danach fragte, wie es uns hier gehe und sagte, wie schön es sei, dass es uns gebe. Und ein anderes Mal hatte ich beim Regal-Einräumen gar nicht bemerkt, dass ein sehr vorsichtiger Kunde geduldig am Ende des Ganges ausharrte, weil ich ihm offenbar den Weg zu seiner Schokolade versperrte, und mich nicht bei der Arbeit stören wollte – ich hab’ ihm natürlich sofort Platz gemacht.“ Maskenbefreiung beim Einkaufen zelebriert: Allerdings gab und gibt’s auch aus dem Arbeitsbereich der 60-Jährigen mitunter „Befremdliches“ zu berichten. Dulk-Meeß, die „gerade bei der Weinberatung natürlich oft im direkten Kundenkontakt“ ist, erzählt immer noch mit ungläubigem Kopfschütteln: „Tatsächlich hat ein junger Mann – wahrscheinlich ein Tourist – seine offizielle Maskenbefreiung beim Einkaufen regelrecht zelebriert und mich barsch darauf hingewiesen, dass ich ja Abstand halten könnte, wenn’s mir missfällt.“ „Rücksicht wird nicht überall großgeschrieben“: In diesem Zusammenhang springt der Chef ihr bei und merkt auch in der Nachschau speziell auf den ersten großen Urlauber-Ansturm nach „Insel-Wiederöffnung“ im vergangenen Mai an: „Das Wort Rücksicht wurde und wird leider nicht überall großgeschrieben. Es gilt bei einigen Kunden in der Schlange vor der Fleischtheke oder an der Kasse immer noch vor allem das Ich, das Jetzt und das Sofort. Dabei wollen natürlich auch unsere Mitarbeiter zu allererst als Menschen wahrgenommen werden.“ Auch deshalb bedauert seine „treue Seele“: „Es ist extrem schade, wenn die allgemeine Unzufriedenheit an uns ausgelassen wird und wir die Situation nicht mit einem einfachen Lächeln entschärfen können.“ Lesen Sie auch 109-Jährige aus Neustadt gegen Corona geimpft: „Wat mutt, dat mutt“ Bürgerbus-Fahrer kämpft für Impfstation auf Fehmarn Run auf Masken: Hier gibt es die Mund-Nasen-Bedeckungen in Ostholstein Lachen hält gesund – auch unter der Maske: Ansonsten hat sich die Abteilungsleiterin aber „selbst mit Brille längst ans Maskentragen gewöhnt“, auch wenn sie natürlich hofft, „dass die jetzt angelaufenen Impfungen irgendwann dafür sorgen, dass es bergauf geht und wir uns alle wieder offen begegnen können“. Nach dem zuletzt coronabedingt schweren Herzens abgesagten Silvester-Sektausschank, „der für uns und die treue Kundschaft immer ein Jahreshighlight ist“, hoffen Dulk-Meeß, Guttkuhn & Co. um so mehr darauf, dass der ursprünglich für März geplante und ebenfalls gecancelte Comedy-Abend am Landkirchener Weg „möglichst noch in diesem Herbst nachgeholt werden kann“. Schließlich halte gemeinsames Lachen bekanntlich gesund – notfalls auch unter der Maske. Von Andreas Oelker