Dutzende Ostholsteiner wollen sich selbstständig machen: Die EGOH berät Gründer

Chef sein statt angestellt: Mit diesem Gedanken beschäftigen sich zahlreiche Ostholsteiner. Nach Angaben des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein gab es im Jahr 2018 kreisweit 1813 Gewerbeanmeldungen (siehe Infostück). Einige der Fälle hat Stefanie Bauzus begleitet. Die Mitarbeiterin der Entwicklungsgesellschaft Ostholstein (Egoh) berät Existenzgründer. Sie erlebt, wie Träume zu Realität und Ideen verworfen werden. Ideen müssen strukturiert werden: „Wer sich selbstständig machen möchte, benötigt unbedingt einen Businessplan. Die Vorbereitung ist enorm wichtig“, sagt Bauzus. Bevor ein Geschäft die ersten Gäste begrüßt, ein Handwerker die ersten Kunden besucht und ein Trainer die ersten Kurse gibt, gilt es zahlreiche Dinge zu beachten. „Es reicht nicht aus, in seiner Fachrichtung gut zu sein“, betont Stefanie Bauzus. Preise und Leistungen müssen festgelegt, Zielgruppen ausgewählt und Mitbewerber bedacht werden. „Der Gründungsinteressent hat ganz viele Ideen. Das muss strukturiert werden“, sagt die Beraterin. Die Zahl der angemeldeten Gewerbe war im Jahr 2018 – verglichen mit 2017 – leicht rückläufig. Laut den Daten des Statistischen Amtes für Hamburg und Schleswig-Holstein wurden im vergangenen Jahr 1813 Anmeldungen registriert, was 3,9 Prozent weniger als 2017 waren. 1314 der 1813 Anmeldungen waren Neugründungen. Hinzu kamen unter anderem Wiedereröffnungen nach Verlegung, Wechsel der Rechtsformen sowie Gesellschaftereintritte. Das Amt weist darauf hin, dass die Anmeldung nichts über eine tatsächliche Eröffnung eines Betriebs aussagt, sondern lediglich eine Absichtserklärung darstellt. „Da aus den Gewerbeanzeigen zudem nicht immer eindeutig herausgelesen werden kann, ob es sich um eine erstmalige Gründung eines Gewerbes handelt, können dieser Statistik keine Angaben über Existenzgründungen entnommen werden“, heißt es. 2018 gab es zudem 1714 Gewerbeabmeldungen, was im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang von 1,8 Prozent entspricht. Die Egoh selbst versteht sich als Wirtschaftsförderer und hat die Aufgabe, Arbeitsplätze zu sichern und zu schaffen. Die Beratung von Neuunternehmern ist ein kostenloses Angebot, das seit Jahresbeginn von 60 Personen in Anspruch genommen worden ist. Seit einigen Monaten werden nicht nur in Eutin und Oldenburg, sondern auch auf Fehmarn, in Neustadt und Stockelsdorf Beratungstermine angeboten. Darum wollen Ostholsteiner selbstständig sein: Auffällig ist laut Stefanie Bauzus, dass mehr Männer (60 Prozent) als Frauen Interesse an Selbstständigkeit zeigen und das Angebot der Egoh nutzen würden. Als mögliche Motive, ein Angestelltenverhältnis hinter sich zu lassen, nennt sie unter anderem Unzufriedenheit mit der bestehenden Situation sowie Mütter und Väter, die einen eigenen Betrieb haben. „Viele wollen ihr eigener Chef sein. Teilweise geht es nur um ein Nebenerwerb. Andere planen die Übernahme des elterlichen Unternehmens“, berichtet die Egoh-Mitarbeiterin und ergänzt, dass in machen Fällen auch Angestellten einen Betrieb fortführen. Diese Betriebe wollen Gründer: Die Art der Geschäftsideen ist vielfältig und reicht vom Imbisswagen bis zum Auto-Service, vom Erzieher bis zum Fitnesstrainer sowie zu zahlreichen Handwerksberufen. Stefanie Bauzus rät, unbedingt darauf zu achten, ob es eine Meisterpflicht gibt. Sollte dies der Fall sein, muss entweder der Gründer, oder aber ein Angestellter über die entsprechende Qualifikation verfügen. Außerdem rät sie, einen Steuerberater zu engagieren und eine Betriebshaftpflichtversicherung sowie eine Krankenversicherung abzuschließen. Im Fokus der Beratung, die sich meist über vier bis sechs Termine erstreckt (auch telefonisch und per E-Mail) steht das Gründungskonzept. „Es handelt sich immer um Planzahlen. Es geht, darum realistisch darzustellen, wie sich das Unternehmen entwickeln könnte“, sagt Stefanie Bauzus. Sollte ein Handwerker im ersten Monat mit 50 Kunden und einem Umsatz von je 1000 Euro planen, sei das kaum realistisch. „Ich höre mir jede Geschäftsidee an und erlaube mir erst ein Urteil, wenn ich den Businessplan sehe“, sagt sie. Wobei es Geschäftsmodelle wie Back-Shops gebe, die in Ostholstein einfach nicht funktionieren würden. Keine Selbstständigkeit ist kein Scheitern: Eines ist Stefanie Bauzus ganz wichtig: „Sollte sich jemand im Verlauf der Beratung dazu entscheiden, sich nicht selbstständig zu machen, ist das kein Scheitern.“ Vielmehr sei es ein Erfolg, sich gegen den Schritt zu entscheiden, wenn eine Umsetzung zu unsicher sei. Ein großer Schritt mit Risiko: Jedoch könne es auch sein, dass sich jemand selbstständig mache und nach kurzer Zeit wieder aufgebe. Die Gründe hierfür seien eine Insolvenz, Umsätze, die geringer ausfallen würden als erwartet, sowie Preissteigerungen. „Es reicht nicht fachlich top zu sein, man muss auch kaufmännisch versiert sein“, verdeutlicht Bauzus und ergänzt: „Der Weg in die Selbstständigkeit ist ein großer mutiger Schritt. Davor habe ich Respekt.“ Zugleich betont sie, dass die Beratung der Egoh für Gründungen in sämtlichen Branchen gedacht sei und sowohl Menschen aus einem Angestelltenverhältnis als auch Arbeitslosengeld-Bezieher ein Unternehmen gründen können und es verschiedene finanzielle Möglichkeiten zur Unterstützung gebe. Von Sebastian Rosenkötter

Hilfe für Unternehmer - Endlich Chef sein: Darauf sollten Existenzgründer in Ostholstein achten