Eutin: Einzelhandel will Öffnungsperspektiven

Das Online-Meeting von Eutiner Einzelhändlern mit Vertretern der IHK zu Lübeck und Politikern lief parallel zum Videogipfel zur Corona-Krise von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Branchenverbänden: Die Klagen aus der Wirtschaft sind hier wie dort dieselben. Den Betrieben fehlen Öffnungsperspektiven, und sie leiden darunter, dass staatliche Hilfen nur langsam fließen. Online-Meeting mit 62 Teilnehmern: Beim von der Wirtschaftsvereinigung Eutin (WVE) initiierten Online-Meeting hatten sich 62 Teilnehmer eingeloggt. Den Einzelhändlern um den WVE-Vorsitzenden Hans-Wilhelm Hagen standen unter anderem IHK-Vertreter, aber auch Politiker für Fragen zur Verfügung, so die Landtagsabgeordneten Regina Poersch (SPD) und Jörg Hansen (FDP). Ebenfalls zugeschaltet war Bettina Hagedorn, SPD-Bundestagsabgeordnete und Parlamentarische Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen. Staatliche Finanzhilfen kommen stockend: „Warum kommen die Finanzhilfen nicht an?“ – mit dieser drängenden Frage eröffnete WVE-Chef Hagen die eineinhalbstündige Konferenz. Rolf Matzanke, Steuerberater in Eutin und Vorstandsmitglied des Steuerberaterverbandes SH, gab die Antwort: In der vergangenen Woche seien die ersten Novemberbescheide für seine Mandanten eingetroffen, Dezemberbescheide gebe es noch gar nicht. „Wir haben Februar. Es dauert einfach zu lange. Bei vielen liegen die Nerven blank. Wir raten unseren Kunden: Nehmt Kontakt zu eurer Bank auf, ihr werdet noch Geld brauchen“, sagte Matzanke. Nils Thoralf Jarck, stellvertretender Hauptgeschäftsführer der IHK, berichtete von IT-Problemen, viele Anträge hätten händisch nachgearbeitet werden müssen. 30 Prozent der Anträge bräuchten zudem eine Nachprüfung, was bedeute, dass der Betrieb wieder mit seinem Steuerberater daran gehen müsse. Bettina Hagedorn: „Schon viel ausgezahlt“: Sie höre die Klagen auch, sagte Bettina Hagedorn, hielt allerdings mit Zahlen dagegen. „Was die Novemberhilfe angeht, sind in 97 Prozent aller Fälle über die Bundeskasse Abschläge ausgezahlt worden.“ In Schleswig-Holstein seien 9545 Anträge auf Dezemberhilfe eingegangen, für 9007 davon habe es bereits Auszahlungen gegeben. „Das ist schon eine hohe Quote“, so die SPD-Politikerin. Und für die Überbrückungshilfe III, die erst seit 10. Februar angefordert werden könne, seien 24 Prozent des beantragten Gesamtvolumens bereits ausgezahlt worden. „Es kann so katastrophal nicht sein“, sagte Hagedorn. Dem widersprach Jörg Hansen: „Die Auszahlungen haben schon anfangs sehr gehakt. Mit der Ü III scheint es schneller zu gehen.“ Auch Eutins Bürgermeister Carsten Behnk (parteilos) berichtete aus vielen Gesprächen heraus, „dass die Hilfen vielfach auf sich warten lassen“. WVE-Chef: Landespolitik soll sich stark machen: Unverständlich ist für Händler, wer öffnen darf und wer nicht. Hans-Wilhelm Hagen nannte als Beispiel „die Post, bei der drei Kunden ’reindürfen. Aber warum darf nicht einer in ein Herrenbekleidungsgeschäft und dort eine Hose anprobieren?“ Er zürnte mit der Landespolitik: „Es nützt nichts, immer wiederzugeben, was von Wissenschaftlern gesagt wird. Man muss sich auch mal stark machen. “ Lesen Sie auch Corona-Schnelltests für alle: Erstes Zentrum für die Lübecker Bucht Tourismus-Kodex für die Ostseeküste: So geht Urlaub mit Corona Lockdown in Eutin: Einzelhändler wollen Geschäfte öffnen Er erwarte, dass das generelle Verbot im Einzelhandel aufgehoben werde. „Ein Stufenplan ist ja richtig. Aber dann darf es nicht heißen, der Wert für morgen ist nicht mehr 35, sondern zehn“, so der WVE-Vorsitzende. Durch das Online-Meeting sieht er „den Stein ins Rollen gebracht, dass rasch eine Perspektive für den Handel geschaffen wird“. Die beiden Abgeordneten aus Kiel sicherten zu, die Sorgen und Erwartungen der Geschäftsleute Ende der Woche im Landtag vorzubringen. „Wir werden da auch nicht lockerlassen“, kündigte Hagen an. Eutins Bürgermeister für Strategiewechsel: Unterstützung bekam er von Carsten Behnk: „Der Einzelhandel ist definitiv nicht Treiber der Pandemie.“ Im Sommer 2020 hätten Gastronomie und andere Betriebe in Eutin bewiesen, dass sie in der Lage seien, mit Hygienekonzepten zu arbeiten. „Es hätte eine positive Stimmung erzeugt, wenn man ihnen mehr Perspektive aufgezeigt hätte. Ich plädiere für einen Strategiewechsel, auch für mehr Schnelltests. Wir müssen mutiger und intelligenter agieren, sonst riskieren wir gescheiterte Existenzen und Lebensläufe “, sagte Behnk. Von Ulrike Benthien