Fehmarn: Neuer Leuchtturm steht in Westermarkelsdorf

Warum Altes wegschmeißen, wenn es nicht kaputt ist? Nach diesem Motto verfährt das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ostsee beim Bau eines neuen Leuchtturms in Westermarkelsdorf auf Fehmarn. Die sogenannte leuchtfeuertechnische Anlage, bestehend aus Laterne, Optik und Drehblende, wird einfach demontiert und auf den neuen Leuchtturm gehoben. Was spektakulär klingt, war am Dienstag nur eine Sache von einer knappen Minute. Zumindest das Hochziehen der alten Lichtanlage auf den neuen Turm mittels eines Krans. Der neue Turm steht schon etwas länger dort, nur wenige Meter neben dem alten. Warum überhaupt ein neuer Turm gebaut werden muss, wenn der von 1881 mit seiner aus dem Jahr 1924 stammenden Gürtellinse noch klaglos seinen Dienst tut? Das hat etwas mit dem Bau der festen Fehmarnbeltquerung zu tun. Ein Leuchtturm voller Technik: Der neue Leuchtturm wird ein Tausendsassa. Er kann nicht nur leuchten, erläutern Andreas Claasen, Fachgruppenleiter Nachrichtentechnik I beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ostsee, und sein Kollege, der Fachgebietsleiter Sebastian Ribbeck. Der neue Turm enthält nicht nur das Leuchtfeuer, sondern auch ein AIS, ein automatisches Identifikationssystem für Schiffe, eine Funkpeilung und ein Radar. „Der Systemmix aus allem macht die Sicherheit“, sagt Claasen. Was er damit meint, wird jedem klar, der einen Blick über den nahen Deich wirft. Draußen auf der Ostsee zieht gerade von links ein großes Containerschiff vorbei, von rechts nähert sich ein kleiner Frachter. Es gibt, erläutert Ribbeck, im Nordwesten Fehmarns 40 000 sogenannte Schiffsdurchläufe pro Jahr, und dann kommen noch die Fähren hinzu und demnächst die Bauschiffe für den Fehmarnbelttunnel. Deshalb wird in Westermarkelsdorf mehr an Technik benötigt als ein schlichtes Leuchtfeuer. Diese Menge an Technik hätte der alte Turm aber nicht mehr tragen können. Statik und Bausubstanz hätten dafür nicht ausgereicht, erläutert Ribbeck. Rundum-Überwachung des Schiffsverkehrs: Alle Daten, die der neue Turm dank moderner Technik sammelt, laufen in der Verkehrszentrale in Lübeck-Travemünde ein, wo deutsche und dänische Mitarbeiter sitzen und rund um die Uhr die Bewegungen der Schiffe beobachten. Außer dem Turm von Westermarkelsdorf liefern noch einer der Bundeswehr in Staberhuk auf Fehmarn und zwei Türme in Dänemark ihre Daten in die beltübergreifende Verkehrszentrale. Aber so weit ist es noch lange nicht. Das Hinüberhieven der Leuchttechnik vom alten auf den neuen Turm ist nur ein Zwischenschritt. Am Dienstag, 24. November, soll das Leuchtfeuer wieder sein Licht über die Ostsee schicken. Seit 16. November war es außer Betrieb. Der Probebetrieb des Radars ist für Juni nächsten Jahres vorgesehen, funktionsfähig soll das gesamte System im August 2021 sein. Auf das neue Laternenhaus, in das die alte Leuchtfeuertechnik eingesetzt wurde, kommt noch das Radargeschoss oben drauf wie der Deckel auf den Topf. Auf diesem Deckel wird schließlich die Radarantenne montiert, auf 19,8 Metern Höhe. Lesen Sie auch: LN-Themenseite: Alle Artikel zur Beltquerung. So schön sind Fehmarns fünf Leuchttürme. Angst vor Radarstrahlung: Diese Radartechnik macht einigen Fehmaranern Sorgen. Sie haben Angst vor der Strahlung. Eine Befürchtung, die Claasen und Ribbeck zu zerstreuen versuchen. Das Radar arbeite weit oberhalb der Köpfe etwa von Spaziergängern, der Strahlungsbereich laufe horizontal, erläutert Claasen. „Wir haben hier nichts auf der Höhe der Antennen.“ Zudem gebe es in zehn Metern Entfernung vom Leuchtturm keine gefährliche Strahlung mehr, und außerdem sei die in Richtung Land abgeschirmt. Bei all der modernen Technik, über die die Schifffahrt verfügt, hat der gute alte Leuchtturm seine Bedeutung nicht verloren. „Der kleine Angler braucht den Leuchtturm, der wird nicht autonom fahren“, sagt Ribbeck. Zudem sei ein Leuchtturm das einfachste Mittel der Orientierung für die Schifffahrt. Wie hoch er sein müsse, hänge unter anderem von der Brückenhöhe der Schiffe ab, aber auch davon, ob es wie an der Nordsee Tidenhub gibt oder nicht. Die Leuchttürme von Westermarkelsdorf jedenfalls sind mit 16,2 (alter) und 19,8 Metern (neuer Turm) eher kleinwüchsig. Zwei Motoren, einer davon als Reserve, bewegen das Leuchtfeuer. Sie wurden vom alten Leuchtturm übernommen. Bei Stromausfall springt ein dieselbetriebener Generator an. Die Umlaufzeit des Leuchtfeuers beträgt insgesamt 20 Sekunden (aufgeteilt in zwei Mal zehn Sekunden). Davon ist das Licht 2,5 Sekunden an und 7,5 Sekunden aus. Das Licht trägt zwischen 14 (rot) und 18 (weiß) Seemeilen weit, also bis zu 32 Kilometer. Die Radarantenne ist sieben Meter lang und sendet mit einer reduzierten Leistung von 200 Watt. Landbereiche werden ausgeblendet. Alter Leuchtturm wird verkauft: Der alte Turm steht unter Denkmalschutz. Auch ohne Leuchtfeuer werden er und das dazugehörige Leuchtturmwärterhaus stehen bleiben. Das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt wird die Liegenschaft an die Bundesanstalt für Immobilien abgeben, die sie vermarktet. Andernorts haben Leuchtturmvereine alte Leuchttürme übernommen und sie zu Vereinsheimen und Museen gemacht. „Wir würden es begrüßen, wenn man den Turm für die Öffentlichkeit nutzen könnte“, sagt Claasen. Aber das liegt nicht in der Hand der beiden Ingenieure. Sie sind lediglich dafür zuständig, dass Westermarkelsdorf einen neuen, funktionierenden Leuchtturm bekommt. Dann, sagen sie, haben sie dort erstmal wieder für etwa 90 Jahre Ruhe. Von Susanne Peyronnet