Fehmarn/Sierksdorf: Keine Urlauber: Klärwerke laufen auf Sparflamme

Das Klärwerk Weissenhäuser Strand hat ein Problem: Die Bakterien, die dort das Schmutzwasser reinigen, haben nicht mehr genug zu fressen. Das berichtet die Sprecherin des Zweckverbands Ostholstein, Manuela Hamann. Grund ist der ausbleibende Tourismus. Es fehlen die Menschen, die den Klärwerken genug Abwasser samt der sogenannten Schmutzfracht liefern, ob aus Toiletten oder Duschen. Ein Effekt, der auch auf Fehmarn spürbar ist. Seit dem 16. März ist die Insel abgeriegelt. Die Folgen erläutert der Werkleiter der Stadtwerke Fehmarn, Sascha Deisinger: „Die Anlage läuft nur zu einem Viertel von dem, was wir sonst in dieser Jahreszeit kennen.“ Mehr noch: Es komme sogar deutlich weniger an als sonst im Winterbetrieb. Denn selbst dann sind die Fehmaraner nicht so sehr unter sich wie gerade jetzt. Zweitwohnungsbesitzer und Kurzurlauber liefern auch in den Wintermonaten Schmutzwasser, das jetzt ebenfalls wegfalle, sagt Deisinger. Nur Abwasser von den Einwohnern: Anstatt wie im Sommer das Schmutzwasser von über 100 000 Gästen zu reinigen, fällt jetzt nur das der 13 000 Inselbewohner in den zwei Kläranlagen auf Fehmarn an. Die Anlage in Burgstaaken, die von den Stadtwerken betrieben wird, komme damit aber gut zurecht, sagt Deisinger. Wegen der starken Schwankungen des Schmutzwasseraufkommens im Jahresverlauf ist die Mannschaft um Klärwerksleiter Simon Meyer darin geübt, mit stark schwankenden Mengen klar zu kommen. Einzelne der vier Reinigungsbecken können abgekoppelt werden. So wie jetzt gerade. „Wir haben gar nicht vom Winterbetrieb auf Sommerbetrieb umgestellt“, erläutert Deisinger. Wer das nicht kann, muss aufpassen. Klärwerke und die in den Belebungsbecken arbeitenden Bakterien sind äußerst sensibel. Wer Boris Sobotta, dem Leiter der Eutiner Stadtentwässerung und Klärwerksexperten, zuhört, der ahnt, wie kompliziert die Abwasserreinigung ist. Ist das Abwasser zu kalt, kälter als zwölf Grad, werden die Bakterien zu träge, um ihren Job noch zu machen. Mehr als 20 Grad tun ihnen ebenfalls nicht gut. Außerdem muss das Abwasser genug Schmutzfracht mitbringen. Die Kläranlagen sind auf gewisse Mengen pro Einwohner ausgelegt. Schwere Geburten: Wie Corona die Arbeit der Hebammen in Ostholstein einschränkt Gelbe Pracht: Warum Ostholsteins Landwirte weiter auf Raps setzen Dahme möchte keinen Hundetourismus Wertstoffhöfe bleiben weiter geschlossen Krötenlotsen tragen Lurche über Ostholsteins Straßen Zusätzlicher Sauerstoff kann helfen: Die Bakterien fressen die Stickstoffverbindungen und holen sich die organischen Kohlenstoffe aus dem Abwasser für ihren Zellaufbau. Kommt nicht genug Schmutzfracht mit dem Abwasser an, müsse man, erklärt Sobotta, die Anlage intelligent fahren. „Da wird es komplex, es gibt sogar welche, die externe Kohlenstoffquellen brauchen.“ Zusätzlicher Sauerstoff bringt die Bakterien noch mehr auf Trab. Etwas, was gerade in Weissenhäuser Strand geschieht. Ob alles richtig funktioniere, zeige sich bei den vorgeschriebenen regelmäßigen Messungen, sagt Sobotta. Fehlt ein Teil des Schmutzwassers, auf das die Kläranlage ausgelegt ist, stockt die Zellteilung der Bakterien. Dann könne eine Anlage sich selbst vergiften und kippen, warnt der Leiter der Eutiner Stadtentwässerung. Eine Gefahr, die in der Stadt Eutin gering sei. Mangel an Abwasser gebe es höchstens mal in den Sommerferien. „Aber da muss man schon genau hingucken.“ Abgesehen davon kann Sobotta an der Kläranlage sehen, wann die Stadt zur Ruhe kommt und wann die Menschen besonders oft aufs Klo gehen. Etwa in der Halbzeit von Fußballspielen, aber auch morgens. Weniger Trinkwasser nachgefragt: Ähnliche Probleme wie das durch die Touristen fehlende Abwasser gibt es auch beim Trinkwasser. Die Wasserwerke müssen nicht mehr so viel liefern wie sonst, sagt ZVO-Sprecherin Hamann. Allerdings sind die Auswirkungen nicht so gravierend wie beim Abwasser. Fließt nicht genug Wasser durch die Rohre, können sich Keime bilden oder Ablagerungen. Da hilft spülen. In Timmendorfer Strand spült der Zweckverband Ostholstein (ZVO) zwischen dem 21. und dem 30. April das Trinkwassernetz. Vor allem in der Siedlung Klein Timmendorf werden die Rohrnetze mit Luft und Wasser durchgepustet. Damit werden die für die Gesundheit unbedenklichen Stoffe Eisen und Mangan beseitigt, die sich in den Leitungen ablagern können. Im Zeitraum der Spülung darf kein Wasser entnommen werden, da sonst gelöste Ablagerungsteilchen oder Luft in die Hausinstallation gelangen könnten. Gespült wird in diesen Bereichen: Dänische Straße, Jütlandweg, Mühlenweg, Wohrbarg, Möhlenbreede, Misdroyer Straße, Teichstraße Am Bahnhof, Bahnhofstraße, Pommernweg, Hauptstraße (zwischen Vogelsang und B 76), Bergstraße (zwischen B 76 und Bahnhofstraße) und Vogelsang. Den genauen Zeitpunkt, wann welcher Versorgungsabschnitt gespült wird, teilt der ZVO den Kunden durch Wurfzettel in ihre Briefkästen mit. Beim Abwasser seien die sieben Kläranlagen des ZVO an die Region angepasst, die jetzt nicht mehr so recht mitspielt, heißt es vom ZVO. Die Sperrung für Touristen mache sich deutlich bemerkbar. Bei der Abwassermenge werde sich aber vermutlich in den nächsten zwei Wochen nichts ändern, vermutet Hamann. Von Susanne Peyronnet

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