Für Mitarbeiter in Ostholstein: Firmen wie Stolz und Gosch bauen Wohnungen

Erst im November wurde hier am Steinkamp am Burger Bahnhof auf Fehmarn der erste Spatenstich getan, inzwischen haben für das moderne Gebäude in Holzrahmenbauweise schon drei neue Mitarbeiter einen Mietvertrag unterzeichnet. Vielleicht ist es da kein Wunder, dass ab und an der Bauherrenstolz ein wenig mit dem Kaufhaus-Chef durchgeht. Dass dieses Wohnhaus, für das Martin Stolz abzüglich des Wertes seines Bestandsgrundstückes 2,2 Millionen Euro in die Hand nimmt, schon spätestens im Mai einzugsbereit sein wird und so die Lösung eines jahrzehntealten Problems in greifbare Nähe rückt, beflügelt ihn und seine Mitstreiter. Der Plan: Ein Wohnprojekt für Mitarbeiter an jedem der 33 Stolz-Standorte: „Es gab auf der Insel einfach keinen schönen, bezahlbaren Wohnraum“, beschreibt er seine Motivation. „Ich möchte die Menschen, die hier oben arbeiten wollen, mit so einem Bau glücklich machen.“ Und zwar nicht nur auf Fehmarn, wo allein 160 Mitarbeiter tätig sind, sondern am liebsten an jedem seiner 33 Standorte an Nord- und Ostsee. Ein Leuchtturmprojekt ist es also, das Stolz auf Fehmarn mit Unterstützung lokaler Unternehmen hochzieht. Zwei familiengerechte 90-Quadratmeter-Wohnungen mit drei Zimmern, dazu 16 Ein-Zimmer-Appartements mit 50 Quadratmetern „für Lehrlinge, Singles und Berufseinsteiger“. Hinzu kommen je Einheit ein Parkplatz und ein Abstellraum. Die kleinen Wohnungen, alle mit Balkon, sollen für Mitarbeiter 500 Euro warm kosten, so Stolz, für Externe wären es 600 Euro. Er will beweisen, dass es geht: Günstigen Wohnraum zu schaffen, der „mit Liebe“ gestaltet und dadurch reizvoll sei. Die Mieter erwarten italienische Designerfliesen, Glasfaser und Datenkabel in der höchsten Klasse, Steckdosen mit USB-Anschluss sowie Fahrradparkplätze mit E-Lade-Funktion. „Wir müssen ihn manchmal stoppen, sonst wäre der Ausstattungsstandard noch höher“, sagt Zimmerermeister Klaus-Hinrich Witt (49) aus Landkirchen. So werde das erste Jahr an Mieteinnahmen komplett für den Gegenwert der verbauten Küchen „draufgehen“. „Ein Träumchen“, sei das Projekt, so Witt, „hochwertig, nachhaltig und sozial“, und so habe er „die Begeisterung durchdeklinieren können bis zum jüngsten Lehrling“. Gosch: „Ohne Mitarbeiterwohnungen geht es überhaupt nicht mehr“: Während Facebook im Silicon Valley mit „Willow Village“ gleich einen ganzen Stadtteil baut, errichten auch Unternehmen in Ostholstein vermehrt Werkswohnungen. Bezahlbarer Wohnraum hilft, sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren – vor allem in ländlichen Regionen. „Ohne das geht es überhaupt nicht mehr“, sagt auch Gosch-Regionalleiter Philipp Wichmann. So habe Gosch inzwischen an jedem seiner Standorte eigene Wohnungen angemietet, die dann „unter Preis“ an die Beschäftigten weitervermietet würden. Zehn seien es in Grömitz, zwölf seit Sommer 2020 in Heiligenhafen im umgebauten Haus der ehemaligen Bierbar Seewolf, dazu kämen sechs Einheiten in Timmendorf und Scharbeutz sowie drei in Travemünde. Aus der Not heraus habe man sogar einmal drei Wohnungen in Sierksdorf gekauft, „weit über dem Marktwert“, so Wichmann, da es einen akuten Bedarf gab. Das hohe Wohngeld habe das Projekt dann jedoch vollends zum finanziellen Fiasko werden lassen, so dass zwei Wohnungen bereits wieder abgestoßen wurden. Lesen Sie auch Gosch: Bierbar wird zur Mitarbeiter-Unterkunft Fehmarn: Wirtschaft und Politik tauscht sich per Zoom zur Coronakrise aus Bürgerbegehren auf Fehmarn: Bürger entscheiden über neues Hotel Um wie geplant im Frühsommer eröffnen zu können, werden auf dem als Immenhof bekannten Gut Rothensande etwa 60 Hotelmitarbeiter benötigt. Auch Projektleiter Ole Marxen setzt dabei auf die Anziehungskraft der 28 Wohnungen mit Terrassen und Balkonen, die bis zum Herbst für die Angestellten gebaut werden. „Wir wollen unseren Mitarbeitern attraktive Wohnmöglichkeiten in der Nähe anbieten“, so Marxen, eine Auflage der Behörde war der Bau allerdings nicht, und es gab auch keine Förderung. Die Einheiten auf dem Beuthiner Hof zwischen Eutin und Malente werden zwei bis drei Zimmer haben, „die Mitarbeiter haben so auch die Möglichkeit, die Wohnung mit Kollegen als Wohngemeinschaft zu nutzen“, so Marxen. „Die betriebswirtschaftliche Rendite der Wohnungsbauinvestition stand und steht bei diesen Projekten allenfalls an zweiter oder dritter Stelle“, heißt es im Forschungsbericht der RegioKontext GmbH zum „Mitarbeiterwohnen“, 2018 in Auftrag gegeben unter anderem vom Deutschen Mieterbund und dem Industrie- und Handelskammertag. Werkswohnungen müssten bezahlbar sein für „die arbeitende Mitte der Gesellschaft“. Oft liegen sie preislich unter dem örtlichen Mietspiegel. Für diesen geldwerten Vorteil für den Arbeitsnehmer entfällt seit 2020 sogar die Lohnsteuerpflicht, so lange mindestens zwei Drittel der ortsüblichen Miete gefordert werden. Mitarbeiter mit Migrationshintergund auf dem Wohnungsmarkt „chancenlos“: Gosch, berichtet Wichmann, stelle vermehrt Frauen und Männer mit Migrationshintergrund ein, „oft direkt aus einem Flüchtlingsheim kommend“. Ohne die Option einer Mitarbeiterwohnung hätten diese jungen Leute überhaupt keine Chance auf dem Wohnungsmarkt, so der Regionalleiter. „Wir müssen diese Wege bestreiten, denn durch Corona haben viele Arbeitskräfte der Gastronomie gleich ganz den Rücken gewandt. Es ist ein ständiger Kampf um Personal.“ In Heiligenhafen sei das Vorhalten von Wohnungen Bedingung für die Baugenehmigung der Filiale am Yachthafen gewesen. Hat die Gemeinde das Projekt unterstützt? Wichmann winkt ab. „Null Unterstützung“, habe er erfahren, und das sei auch bislang an keinem Standort anders gewesen. „Immer wieder ist es in den Sitzungen großes Thema, dass Wohnraum für junge Erwachsene, für Auszubildende geschaffen werden muss, nur passieren tut gar nichts“, beklagt der Gosch-Manager. Für klassische Investoren sei dieser Markt nicht lukrativ, einzig Wohnungsbaugenossenschaften böten sich als Partner an. Ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren erleichterte die Umsetzung auf Fehmarn: So errichtete die Wohnungsbaugenossenschaft Gewoba Nord bereits vor zehn Jahren 101 Personalwohnungen für das A-Rosa-Resorts in List auf Sylt – von denen 73 über eine öffentliche Wohnraumförderung des Landes Schleswig-Holstein mitfinanziert wurden. Die Gemeinde Sylt hatte ihre Zustimmung zu den Bauplänen ebenfalls an die Errichtung von Wohnungen geknüpft. Was Stolz’ Projekt auf Fehmarn angeht, so sorgte ein vereinfachtes Genehmigungsverfahren in Eutin dafür, dass dem im September 2020 gefassten Entschluss bereits im November der Baubeginn folgen konnte. Darüber hinaus habe es keine Handreichung gegeben. Stolz wünscht sich, dass die Gemeinden das Engagement der Unternehmer immerhin möglich machen sollen – vor allem durch das Ausweisen von Baugrund. Die bürokratischen Hürden sind bei gefördertem Wohnraum besonders hoch: „Wir haben eine Riesen-Warteliste“, beschreibt er den pressierenden Wohnraummangel. So will er an der Mühlenstraße, auf einem seiner drei weiteren infrage kommenden Grundstücke auf Fehmarn, innerhalb von fünf Monaten 18 Wohneinheiten bauen –und hofft, dass es nicht Jahre dauern wird, die Genehmigungen zu erhalten. Eine staatliche Förderung hält er für seine Projekte für utopisch: „Die bürokratischen Hürden sind extrem. Das ist so langwierig, da sind wir schnell im nächsten Jahrzehnt.“ Seit mehr als zehn Jahren diskutiere er mit Bürgermeistern an Nord- und Ostsee, doch es fehle den baugenehmigenden Behörden seiner Meinung nach an Mut. Wenn man es jedoch schaffen würde, geeignete Grundstücke mit einer Idee und dem passenden Bauherren zusammen zu bringen, „so dass alle Räder ineinander greifen –dann wäre das Problem schnell gelöst.“ Grömitzer Hotel am Jachthafen: „Mitarbeiterwohnen von Anfang an Prämisse“: In Grömitz ist man sich bei der Planung des neuen Hotels am Yachthafen laut Bürgermeister Mark Burmeister mit dem Vorhabenträger einig: „Der eine will, der andere möchte es.“ Die Gemeinde habe von Anfang an den Bau von Wohnungen zur Verpflichtung gemacht. Es gehe dabei um 50, vielleicht sogar 70 Einheiten. „Wir fordern die Unterbringung, damit der angespannte Wohnungsmarkt für die Grömitzer nicht noch weiter eingeengt wird“, so Burmeister. Der Neubau werde vom Investor vermutlich an Ort und Stelle auf der Fläche am Jachthafen passieren. „Dass die Mitarbeiter sich hier dauerhaft niederlassen, Familien gründen und mit einbezogen und heimisch werden“ – dies sei, so der Bürgermeister, das gemeinsame Ziel von Arbeitgeber und Gemeinde. Von Annika Langhagel