Grömitz: Massive Vorwürfe nach Corona-Ausbruch in Senioren-Residenz

Der massive Corona-Ausbruch in der Alloheim Senioren-Residenz „Grömitzer Höhe“ sorgt für Unruhe und Ärger. Angehörige fühlen sich schlecht informiert, bezeichnen die Zustände in der Einrichtung als chaotisch. Der Grömitzer Pastor Holger Lorenzen hat am Montag (5. Januar) eine Mitteilung an Gemeindemitglieder verschickt, in der er von einer furchtbaren Tragödie spricht. Derweil teilte das Gesundheitsamt am Dienstag mit, dass der Bereich des „Betreuten Wohnens“ im Gegensatz zu der Pflegestation nicht von Covid-19 betroffen sei. Corona in Grömitzer Heim: Wochenlanges Besuchsverbot: Kreissprecherin Carina Leonhardt informierte, dass es im Vergleich zum Vortag keine neuen Fälle gebe. Als aktuell infiziert gelten 34 Bewohner und vier Mitarbeiter. Seit Ende November sei das Virus sogar bei 43 Bewohnern und sechs Angestellten nachgewiesen worden. Vier Bewohner sind verstorben. Darüber hinaus stellte sie klar, dass Genesene und regelmäßig negativ getestete Personen das Haus verlassen dürften, das Gesundheitsamt jedoch bis auf eine kurze Unterbrechung zwischen dem 7. und 13. Dezember ein Besuchsverbot angeordnet habe. Angehöriger kritisiert: „Heimleitung war nicht präsent“: Einer der Angehörigen, die dem Betreiber der Senioren-Residenz schwere Vorwürfe machen, ist Georg Altrogge, dessen Eltern im Bereich „Betreutes Wohnen“ leben. „Anfang Dezember haben meine Eltern erfahren, dass es wohl sechs Fälle auf der Pflegestation gab“, erinnerte er sich. Anschließend habe es jedoch keinerlei weitere Informationen über die Lage gegeben. „In der fatalen Phase im Dezember war die Heimleitung nicht präsent. Auch fehlt ein schlüssiges Zugangskonzept zum Schutz der nicht infizierten Bewohner und Besucher. Ein solches wurde nie kommuniziert“, sagte er. Ausmaß des Corona-Ausbruchs aus der Zeitung erfahren: Des Weiteren sei es zwar vorgesehen, dass Besucher im Foyer des Heimes Fieber messen müssen, jedoch sei die Rezeption nach 16 Uhr sowie am Wochenende nicht besetzt. „Es gibt massive Versäumnisse, die aktuelle Situation ist unklar. Viele Angehörige sind verärgert über die nicht vorhandene Informationspolitik. Es gab kein Schreiben an die Bewohner“, führte Altrogge aus und schiebt hinterher: „Das wahre Ausmaß der Corona-Ausbreitung in der Residenz haben wir aus der Zeitung erfahren.“ Auch sei seinen Eltern entgegen anders lautender Darstellungen kein Coronatest angeboten worden. „Dabei besteht doch die Gefahr, dass das Virus auf den Bereich ,Betreutes Wohnen’ übergegriffen hat“, sagte er. In der Grömitzer Ostseeklinik gab es an Weihnachten einen größeren Corona-Ausbruch ( die LN berichteten ). Neun Patienten und zwei Mitarbeiter wurden positiv getestet. Dies hatte eine sogenannte Hygienepause zur Folge, die am Montag, 4. Januar, zu Ende ging. Klinikdirektorin Silvia Löwner sagte den LN, dass die Aufnahme neuer Familien begonnen habe, und ergänzte: „Nach eingehender Analyse unseres Hygienekonzeptes hat sich dieses an allen Stellen bestätigt. Die örtlichen Geschehnisse in Grömitz haben uns veranlasst, das Konzept nochmals mit dem zuständigen Gesundheitsamt abzustimmen.“ Kaputter Fahrstuhl erschwert Einhaltung von Corona-Regeln: Ähnlich kritisch äußerte sich eine Angehörige eines weiteren Bewohners (der Name ist der Redaktion bekannt). „Die sparen den Laden quasi kaputt. Der Fahrstuhl im ,Betreuten Wohnen’ war wochenlang defekt, Bewohner sollten den Aufzug benutzen, der sich in der Pflegeabteilung befindet – also dort, wo es so viele Coronafälle gibt“, sagte sie. Besonders ärgert sie, dass die Bewohner außerhalb der Pflegeabteilung nicht von einem mobilen Impf-Team besucht werden. „Das ist eine Wohnform, die bei der Regelung nicht bedacht worden ist. Wer über 80 Jahre ist, muss sich einen Impftermin organisieren. Viele wissen das nicht und denken, dass sie sich um nichts kümmern müssen“, führte sie aus. Dabei gebe es doch zumindest eine moralische Verpflichtung, bei diesem Behördengang zu helfen. Das sagt der Betreiber: Eine Sprecherin der Alloheim Senioren-Residenzen wies einige der geschilderten Vorwürfe zurück, ging auf andere nicht ein und bestätigte, dass der Fahrstuhl bis vergangenen Sonnabend defekt war. „Nachdem unser Konzept vom Gesundheitsamt genehmigt worden ist, standen jederzeit ausreichend Tests für die Bewohner und Mitarbeiter der stationären Pflege zur Verfügung.“ Auch seien Bewohner und Angehörige über die Schutzmaßnahmen und das weitere Vorgehen informiert worden. Weiter betonte sie, dass beim betreuten Wohnen den Mietern lediglich eine Wohnung zur Verfügung gestellt werde, die diese selbst einrichten. „Sie haben die Möglichkeit diverse Serviceleistungen wie hauswirtschaftliche Leistungen oder Kultur- und Betreuungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Bei der stationären Pflege wird dagegen ein Wohn- und Betreuungsvertrag mit Pflege- und Betreuungsleistungen abgeschlossen“, so die Sprecherin. In diesen Fällen informiert der Kreis über einen Corona-Ausbruch: Stellt sich die Frage, warum es über die Corona-Lage wochenlang kaum Informationen gab. Dazu Carina Leonhardt: „Eine Information der Öffentlichkeit erfolgt in der Regel nur, wenn die Allgemeinbevölkerung betroffen ist. Bei einem lokal, auf eine Einrichtung eingrenzbaren Geschehen ist das nicht der Fall.“ Pastor fordert mehr Infos von der Senioren-Residenz: Pastor Holger Lorenzen wählte am Montag einen anderen Weg. „Ich habe die sozialen Medien genutzt und eine Alarmmeldung über das, was da in der Senioren-Residenz vor sich geht, verschickt.“ Er sei sehr besorgt: „Das ist unsere Gemeinde. Da leben viele Menschen, die wir kennen und die in Seniorenkreise gehen. Wir machen dort Gottesdienste.“ Mit seiner Nachricht habe er auf mögliche Kontakte mit Bewohnern hinweisen wollen. „Damit sich alle entsprechend zum Schutz ihrer Familie verhalten können“, betonte Lorenzen und ergänzte, dass dringend mehr Infos benötigt würden, um eine weitere Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern. Lesen Sie auch Ostholstein-Corona: Gehen Risikogruppen in häuslicher Pflege bei Impfung leer aus? Eutin: Start im Corona-Impfzentrum Sana-Kliniken Ostholstein: Vier Corona-Patienten auf Intensivstation Wegen Corona-Ausbruch: Verunsicherung in Grömitz: Der Grömitzer Bürgermeister Mark Burmeister (parteilos) sprach von einer im Ort vorhandenen Verunsicherung. „Wir hätten uns als Gemeinde mehr zeitnahe Infos gewünscht. Angehörige hätten vielleicht anders reagiert und Bewohner über die Feiertage nicht nach Hause geholt oder besucht“, sagte er und stellte klar, dass die Gemeinde bereit sei, eine kommunale Liegenschaft für Impfungen bereitzustellen. „Wir appellieren an das Gesundheitsamt, bitte Impfungen dort vorzunehmen.“ Holger Lorenzen ergänzte, dass auch die Kirche einen Antrag beim Gesundheitsamt gestellt habe, dass so schnell wie möglich ein Impf-Team anrollt. „Wir können ein mobiles Lazarett aufbauen oder die Gildehalle nutzen.“ Corona: Kommt ein Impf-Team nach Grömitz: Wann es die ersten Impfungen in der Senioren-Residenz geben wird, ist nicht klar. Nikolaus Schmidt von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) teilte mit, dass Impf-Teams nicht in Einrichtungen gehen würden, in denen es aktuelle Corona-Fälle gebe. Zudem schicke die KVSH mobile Dienste nur in die Heime, die ihr vom Land benannt würden. Die Alloheim-Sprecherin indes stellte klar: „Gemäß der Empfehlungen der Kommission und der Vorgaben der Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung gegen das Coronavirus des Bundes ist zurzeit nicht vorgesehen, dass Mieter im betreuten Wohnen in der Einrichtung durch die mobilen Impfteams geimpft werden.“ Somit werden sich die Mieter aus dem Betreuten Wohnen wohl selbst um eine Impfung kümmern müssen. Von Sebastian Rosenkötter